Funke/Springer Deal: Wenn das soziale Gewissen geht und der Sanierer kommt
Ziemlich genau neun Monate hat es gedauert vom 25. Juli 2013, dem Tag als der 920 Millionen schwere Springer/Funke-Deal bekannt wurde, bis zum 29. April 2014, dem Tag, bis dieser spektakuläre Deal zwischen zwei deutschen Medienhäusern weitgehend grünes Licht vom Bundeskartellamt in Bonn bekommen hat.
In Hamburg reibt sich Springer-Chef Matthias Döpfner genüsslich die Hände. „Das Geld ist wie erwartet zu zwei Dritteln bei uns eingetroffen“, lässt er sich in der Süddeutschen Zeitung zitieren. Beifall von den Aktionären bekam der Springer-Vorstand auf der Jahreshauptversammlung für den „beachtlich hohen“ Preis, den er für den Verkauf des Zeitungs- und Zeitschriftenpakets an die Funke Mediengruppe erzielt hatte. Keineswegs Champagnerlaune herrscht in Essen, wo sich die Funke Mediengruppe (FMG) vorwerfen lassen muss, sie sei der „Resteverwerter“ der alten Print-Medien, die der Springer Verlag, der schon die digitale Zukunft entdeckt habe, nicht mehr haben will.
Gleichwohl: Es schwingt Erleichterung mit, wenn die beiden Geschäftsführer der FMG, Manfred Braun und Thomas Ziegler, in einer (M vorliegenden) Mail am 30. April der Belegschaft endlich mitteilen konnten: „Gestern hat das Bundeskartellamt den Erwerb der Programmzeitschriften von Axel Springer mit Auflagen freigegeben. Heute können wir Ihnen mitteilen, dass das Geschäft nun abgeschlossen ist und die FMG ab dem 1. Mai als neuer Eigentümer die wirtschaftliche Führung der von Axel Springer erworbenen Zeitungs- und Zeitschriftentitel übernimmt.“ Eher missmutig geschluckt werden die vom Kartellamt beschlossen Auflagen: Den Weiterverkauf von acht TV-Zeitschriftentiteln (etwa Bild Woche und Funk Uhr) an die Verlagsgruppe Klambt. Und für die Belegschaften dieser acht Titel, von denen jeweils vier bislang zu Funke und vier zu Springer gehörten, ist schon klar, wohin zukünftig die Reise geht: Nach Baden-Baden. Klambt hat bereits angekündigt, seine neuen Zeitschriften zukünftig dort produzieren zu lassen.
Unsichere Zukunft
Nur schemenhaft zeichnet sich derzeit ab, wie die FMG die überregionale Berichterstattung ihrer Zeitungstitel organisieren will und wie die Zukunft des ohnedies schon personell ausgedünnten Contentdesks in Essen aussehen soll.
„Der Contentdesk bleibt in NRW. Er soll als Serviceeinheit perspektivisch die überregionalen Mantel-Inhalte für alle Funke-Zeitungen liefern. Wie genau das organisiert wird und was von wo ins Gesamt-Portfolio geliefert wird“, sollen die Chefredakteure der Funke-Blätter in Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Braunschweig, Hamburg und Berlin „gemeinsam definieren“, heißt es dazu in einer Rundmail. In den Chefetagen werden etliche neue Gesichter sitzen, denn aktuell hat die Funke Mediengruppe gerade bekannt gegeben, dass sie sich nach neun Jahren von Chefredakteur Ulrich Reitz bei der WAZ trennen wird. Er wird durch Andreas Tyrock vom Bonner Generalanzeiger ersetzt. Auch der Chefredakteur der Westfalenpost Stefan Kläsener verlässt die Gruppe, für ihn kommt Dr. Jost Lübben von der Nordseezeitung. Neu zu der Runde, die von der Geschäftsführung schon mal zum gemeinsamen Wandern ins Sauerland geschickt wurde, gehören die Chefredakteure der von Springer erworbenen Berliner Morgenpost, Carsten Erdmann, und dem Hamburger Abendblatt, Lars Haider. Die sind bis auf weiteres sozusagen Diener zweier Herren, arbeiten sie doch noch für die nächsten zwölf Monate in einer Redaktionsgemeinschaft mit Springers Welt.
Nicht ohne Sorge verfolgt der Gesamtbetriebsrat der FMG der NRW-Zeitungstitel den Aufbau des digitalen Entwicklungszentrums in Berlin, wo fünfzig neue Stellen entstehen sollen. Manfred Braun hat in einem Focus-Interview bereits durchsickern lassen, dass von dort zukünftig zentral alle Texte für die Bereiche Politik und Kultur kommen könnten. Das könnte einen weiteren Stellenabbau für die Onlinekollegen in NRW bedeuten. Zudem ist mit Joachim Kopatzki ein wichtiger Ansprechpartner auf der Arbeitgeberseite gesundheitsbedingt von Bord gegangen. Der Personalmanager hatte sich als „soziales Gewissen“ der FMG bei Betriebsräten und Gewerkschaften gleichermaßen einen guten Ruf erworben. Der neue Verlagsgeschäftsführer NRW, Rolf Bollmann dagegen gilt als knallharter Sanierer der Marke „Eisenfuß“.
Verbesserungen oder Vorteile für die Belegschaft der FMG durch den Deal erwartet der Dortmunder Medienforscher Horst Röper (Formatt-Institut) in diesem Umfeld nicht. Im Gegenteil: „Der schleichende Stellenabbau und die Arbeitsverdichtung werden weitergehen“. In NRW würden noch vorhandene Doppelstrukturen zwischen WAZ und NRZ weiter abgeschliffen, die Hagener Westfalenpost werde noch näher an den Essener Contentdesk heran rücken. Und es bleibe erstmal abzuwarten, was die Geschäftsführung denn von den Vorschlägen hält, die ihnen die Chefredakteure im August für die zukünftige Zusammenarbeit unterbreiten sollen. „Da wird natürlich jeder versuchen, sich den Löwenanteil für seinen Standort zu sichern“. Und die Vernetzung mit den ehemaligen Springer-Titeln, so Röper, müsse auch erstmal gelingen. Röper kann sich nicht vorstellen, dass die Produktion der Frauen- und Programmzeitschriften auf Dauer an zwei Standorten – also in Hamburg und München – verbleibt. „Die wird irgendwann an einem Standort, vermutlich in München, zentralisiert. Und mit jedem Umzug wird man bequem wieder ein paar Mitarbeiter los.“
Angesichts dieser Perspektiven wird es die Beschäftigen kaum trösten, dass sie sich über ihren Arbeitgeber nun eine kostenlose Kreditkarte besorgen können, die „Funke Corporate Card“, mit zusätzlichem Versicherungsschutz. Denn gegen drohende Jobrisiken in der FMG schützt diese Karte garantiert auch nicht.