Sport ist Mord

Übertragungsrechte der Bundesliga gingen erneut an die KirchGruppe – es bleibt wie es war, wird aber billiger

Es wurde viel über die Krise geredet auf dem Medienforum.nrw, das im Juni in Köln stattfand. Die der Medien und natürlich die der Kirch-Gruppe. Eine Erkenntnis aus deren Zusammenbruch ist: „Sport ist Mord!“ Galt das bisher vor allem für gebrochene Knochen, so muss die Binsenweisheit mittlerweile auch auf die europäischen Pay-TV-Bemühungen übertragen werden.


Denn nicht alleine Premiere kriselt – auch wenn mittlerweile sicher scheint, dass der Sender überleben kann. Erst recht, nachdem Ende Juni die Übertragungsrechte der Bundesliga bis ins Jahr 2004 wiederum an die Kirch-Gruppe vergeben wurden. Damit ist eine Bedingung von Hypo Vereinsbank und Bayrischer Landesbank für die Zwischenfinanzierung in Höhe von 100 Millionen Euro erfüllt: Der Verbleib der Bundesligarechte bei Premiere. Zwei weitere Punkte waren die Regelung von Altschulden, die der Pay-TV-Sender bei KirchMedia hat sowie die Neuverhandlung der teuren Filmverträge mit Hollywoodstudios. Mittlerweile haben die beiden Banken der insolventen Mutter von Premiere, Kirch Pay-TV, einen Kredit gewährt, und nach der Einigung über die Bundesligarechte zwischen Premiere und KirchMedia unter gleichzeitiger Einbeziehung der Altschulden dürfte auch der Kreditvergabe an Premiere nichts mehr im Wege stehen. Das wurde unserer Redaktion aus mit den Verhandlungen vertrauten Kreisen bestätigt. Zudem hatte Premiere-Chef Kofler Mitte Juli erklärt, sein Unternehmen habe im Juni im operativen Geschäft bereits wieder schwarze Zahlen geschrieben – ab dem ersten Halbjahr 2004 soll das auch unter dem Strich möglich sein. Von Sitzungen des Gläubigerausschusses bei KirchMedia Ende Juli werden dann auch neue Erkenntnisse über die Zahl der möglichen Kaufinteressenten zu erwarten sein – bei Redaktionsschluss waren dafür bis zu zwölf Unternehmen in möglicherweise sechs Konsortien im Gespräch. Zugleich wurden Ende Juli Details aus einer vertraulichen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger bekannt. Dem „Manager Magazin“ nach müssen bis Ende 2002 über 1200 Mitarbeiter bei KirchMedia entlassen werden.

Fußball mit eigenem Kanal

Zunächst wird weiter Geld ausgegeben: Für die Übertragungsrechte der beiden kommenden Spielzeiten der deutschen Profiligen wurde ein Betrag von jeweils 290 Millionen Euro sowie ein einmaliger Zuschuss in Höhe von 50 Millionen Euro mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) vereinbart. Im Fall einer Verlängerung des Vertrages werden für die Spielzeit 2004 / 05 295 Millionen Euro und für die folgende 300 Millionen Euro fällig. Damit ist auch klar: Wer Fußball live sehen will, wird Premiere kaufen, ins Stadion oder die Kneipe gehen müssen. Zusammenfassungen laufen auf Sat.1, und die zweite Bundesliga bleibt beim Deutschen Sportfernsehen (DSF). Die Bundesliga-Vereine verzichten auf über 100 Millionen Euro in jeder der beiden kommenden Spielzeiten. Dafür sichert sich die DFL erstmals ein Mitspracherecht bei der Vermarktung und Entscheidungen über Sendeplätze und erhält eine Option über 25 Prozent an DSF.

Diese Option könnte der immer wieder diskutierte Einstieg der DFL in einen eigenen Bundesligasender werden, den Geschäftsführer Michael Pfad auf einer Diskussionsrunde zum Thema „Die Zukunft der Sportrechtevermarktung“ während des Medienforums als wünschenswert bezeichnet hatte. Das scheint die Mindereinnahmen wert zu sein, obwohl Klaus Fuchs, Geschäftsführer der VFL Wolfsburg GmbH, sagte: „Wir spüren die Erlösminderung durch die sinkenden Einnahmen deutlich.“ Dabei finanziert sein Verein nur etwa 50 Prozent des Budgets über die Einnahmen aus den Senderechten und ist damit in einer relativ komfortablen Position. „Das aktuelle Bieterverfahren ist für uns positiv,“ so Pfad weiter über die damals noch ungeklärte Situation. Kurz vor Beginn der Branchenkonferenz war der überraschende Einstieg der ARD an der Seite des Filmrechtehändlers Herbert Kloiber in die Verhandlungen bekannt geworden. Zu diesem Zeitpunkt lag das letzte Angebot von KirchMedia dem Vernehmen nach bei 300 Millionen Euro, die neue Offerte soll dann bei 320 bis 330 Mio. Euro gelegen haben. Und nachdem KirchMedia die Altschuldenfrage und damit das Überleben von Premiere vom Erhalt der Lizenzen abhängig gemacht hatte, waren ARD und Kloiber keine Chancen mehr eingeräumt worden. Allerdings stellt sich generell die Frage nach deren Sinn, denn: „Fußball ist auf dem derzeitigen finanziellen Niveau definitiv nicht refinanzierbar“, so Manfred Loppe, RTL-Sportchef auf dem Medienforum. Was ist Fußball denn dann? „Die WM 2006 ist eine nationale Aufgabe und wir stehen bereit,“ so Lobbe.

Bezahl-TV rentiert sich nicht

Bezahlfernsehen in ganz Westeuropa rentiert sich nicht, abgesehen von Rupert Murdochs BSkyB. Und häufig spielt der Sport eine Rolle. In Spanien ist ein Sender pleite und zwei weitere wollen fusionieren. Die Konsolidierung in Italien schreitet durch die Übernahme von Tele+ durch Rupert Murdoch voran. Murdoch hält 50 Prozent am Konkurrenzsender Stream, und Beobachter gehen davon aus, dass beide Unternehmen verschmolzen werden. Die Transaktion hat einen Wert von 1,5 Milliarden Euro, eingeschlossen sind die Übernahme von Schulden in Höhe von 750 Millionen Euro und 200 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der italienischen Profiliga. Der holländische Kabelbetreiber und Pay-TV-Kanal UPC haben rund 8,8 Mio. Euro Schulden, und Canal plus in Frankreich schreibt seit Jahren rote Zahlen. ITV Digital, der zweite Bezahlsender in Großbritannien, hat Konkurs angemeldet. Anfang Mai wurde der Sendebetrieb eingestellt – ein entscheidender Faktor in der Überschuldung waren 315 Millionen Pfund, die ITV für die Übertragungsrechte der englischen Profi-Fußballliga bezahlte.

Stagnation oder Rückgang

Damit haben mindestens in Deutschland, Italien und Großbritannien die hohen Kosten für Sportrechte eine wichtige Rolle bei den Problemen der Pay-TV-Sender gespielt. Nach Zahlen der Informa Media Group wurden die Übertragungsrechte für die Weltmeisterschaften im Fußball in den Jahren 1990 bis 1998 für jeweils 102 Mio. Euro vergeben. Für die aktuelle WM wurden hingegen 790 Mio. Euro bezahlt. Ähnliche Tendenzen gab es in den Verhandlungen für die nationalen Ligen – allerdings werden sie wohl in den nächsten beiden Jahren nicht mehr derartig rasant wachsen. Die Beratungsgesellschaft Arthur Andersen hat 300 Manager aus Vereinen, TV-Anstalten und Vermarktungsagenturen befragt. Demnach erwarten rund 75 Prozent von ihnen bis zum Jahr 2004 Rückgang oder Stagnation der Summen, die aus der Vermarktung der Senderechte an die Vereine fließen werden. Und über die Hälfte erwartet keine Ausweitung der Anteile von Sportübertragungen am TV-Programm. Aber spätestens die Olympischen Spiele 2004 in Griechenland und die WM 2006 in der BRD werden’s wieder richten.

 

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