ORB-SFB-Fusion: Mitbestimmungsrechte sollen massiv eingeschränkt werden
Die Personalräte von ORB und SFB sind nicht gut zu sprechen auf den Leiter der Senatskanzlei in Berlin, André Schmitz, und den Leiter der Staatskanzlei in Potsdam, Rainer Speer. Beide haben den Entwurf für den Staatsvertrag über die Fusion von ORB und SFB ausgearbeitet und den Personalräten und Gewerkschaften ein dickes Ei ins Nest gelegt.
Es geht um den Paragraph 32 des Entwurfs, der für die fusionierte Anstalt das Bundespersonalvertretungsgesetz in der Fassung der Deutschen Welle vorsieht. Im Vergleich zu den für ORB und SFB jeweils geltenden Personalvertretungsgesetzen der Länder Brandenburg und Berlin ist dies eine massive Einschränkungen der Rechte der Personalräte, weil sie bei Kündigungen, Disziplinarmaßnahmen, Versetzungen, der Einführung neuer Techniken und bei Änderungen der Organisations- und Arbeitsstruktur nicht mehr mitbestimmen dürfen. Ein Schachzug der Politik, die offensichtlich einen starken Intendanten will, der dann bei den zu erwartenden Auseinandersetzungen um die Fusion von ORB und SFB wirken kann, ohne von Personalräten behindert zu werden. Betrachtet man etwa die Äußerung des Vorsitzenden der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF), Rainer Conrad, Ziel der Fusion müssten Einsparungen sein, wird die Brisanz des Themas deutlich. ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer hat denn auch schon mal die Zahl von 1.400 festen Mitarbeitern für die fusionierte Anstalt in die Welt gesetzt, was nach derzeitigen Stand bedeutet, dass etwa 400 Stellen bei ORB und SFB wegfallen müssten.
Verständlich deshalb, dass der Vorsitzende des ORB-Personalrates, Michael Sibrover, die ersatzlose Streichung des Bundespersonalvertretungsgesetzes im Entwurf des Staatsvertrages fordert. „Das ist ein Angriff auf die Mitbestimmung, der bundesweite Auswirkungen hat“, meint Sibrover und sieht eine Signalwirkung für die gesamte ARD: „Das betrifft die doch morgen, wenn das bei uns durchgesetzt wird.“ Sibrover fordert, es solle das Personalvertretungsgesetz des Landes gelten, in dem die neue Anstalt ihren Sitz hat. Er könne sowohl mit dem Berliner als auch mit dem Brandenburger Gesetz gut leben. Auch die Vorsitzende des SFB-Personalrates, Hanne Daum, bricht nicht gerade in Begeisterung aus, wenn sie über die beiden Kanzlei-Männer spricht. „Dies sei eine Kriegserklärung an die Belegschaften und das ausgerechnet von zwei sozialdemokratisch geführten Landesregierungen, die antreten, die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten massiv zu beschneiden.“ Daum plädiert für das Personalvertretungsgesetz des Landes Berlin, „weil es bessere Mitbestimmungsrechte bei Kündigungen“ habe. Die Vorsitzende des SFB-Personalrates könnte wahrscheinlich auch mit dem Brandenburger Gesetz leben, das Bundespersonalvertretungsgesetz soll es auf keinen Fall sein.
Die Personalratsvorsitzenden in Potsdam und Berlin haben ihre Position in Gesprächen mit der Staats- und Senatskanzlei, bei Anhörungen vor den Ausschüssen des Landtages in Potsdam und des Abgeordnetenhauses in Berlin mehrmals dargelegt. Unterstützt werden sie von ihrer Belegschaft, denn bei ORB und SFB haben 1.700 Beschäftigte die Listen gegen die Einführung des Bundespersonalvertretungsgesetzes unterschrieben. Diese Listen wurden den Rundfunkräten von ORB und SFB vorgelegt, die sich daraufhin gegen eine Beschränkung der bisherigen Mitbestimmungsrechte aussprachen. Doch wirklich bewegt hat sich nichts. Das Bundespersonalvertretungsgesetz steht weiter im Entwurf des Staatsvertrages.
SFB-Intendant Horst Schättle, der mit dem Tag der Fusion von ORB und SFB in den Ruhestand geht, hat damit kein Problem. Er erklärte bereits mehrmals, daß dies für die neue Anstalt sinnvoll sei. Solche Äußerungen sind von ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer nicht zu hören. Im Chat mit seinen Mitarbeitern, den Rosenbauer regelmäßig abhält, erklärt er, zu dem Thema habe er sich noch keine abschließende Meinung gebildet, die Mitbestimmung bei Kündigungsfragen dürfe auf jeden Fall nicht geschwächt werden. Rosenbauer fordert, das Thema mit der Politik zu diskutieren, er sei die falsche Adresse. Seinen Vorschlag aber, das Bundespersonalvertretungsgesetz mit einer Ausnahmeregelung zu versehen, um den Personalräten wenigstens ein Mitbestimmungsrecht bei Kündigungen einzuräumen, habe der Leiter der Senatskanzlei in Berlin, André Schmitz mit Zustimmung zur Kenntnis genommen, teilt Rosenbauer mit.
Viel Zeit bleibt den Personalräten und den Gewerkschaften nicht mehr. Der Zeitplan für die Fusion ist eng gesteckt. Noch vor dem Sommerpause soll der Staatsvertrag den Kabinetten in Potsdam und Berlin vorgelegt werden und dann in die Parlamente gehen. Die Abgeordneten können dann nur noch mit Ja oder Nein stimmen und kaum jemand glaubt an eine Ablehnung, ist die Fusion von ORB und SFB doch politisch gewollt. Am 1. Oktober soll der Staatsvertrag in Kraft treten, die fusionierte Anstalt am 1. März 2003 gegründet sein.
Der ver.di-Bundesvorstand versucht mit Briefen an alle Abgeordneten in Potsdam und Berlin das Schlimmste noch zu verhindern. Ob es nützt, ist nicht klar. Der ORB-Personalratsvorsitzende Michael Sibrover ist skeptisch, es sei für ihn nicht absehbar, was passiert. „Wenn der Druck auf die Politik nicht steigt, wird das Bundespersonalvertretungsgesetz durchgesetzt“ meint Sibrover. Seine Kollegin Hanne Daum in Berlin will keine Prognose abgeben, richtet aber eine klare Warnung an die Politik: diese sei „gut beraten“, es nicht bei dem jetzigen Entwurf zu belassen. Die SFB-Belegschaft sei „kampferprobt und kampferfahren, wir werden uns wehren“.