Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
Die bisherigen Landkreisausgaben in Freising/Erding, Fürstenfeldbruck, Dachau, Wolfratshausen und Ebersberg sollen demnach eingestellt werden. Reportagen und Berichte aus diesen Berichtsgebieten sollen dann zusammen auf insgesamt zwei Seiten im München- und Bayernteil der Zeitung erscheinen. Lediglich die Starnberger Ausgabe und der Landkreis München behalten wegen der dort vergleichsweise stabilen Auflagen eine gewisse Eigenständigkeit. Sie werden aber auch dem München- und Bayernteil zugeordnet. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden, hieß es. In der Einladung zur außerordentlichen Konferenz war noch die Rede davon, man wolle den „publizistischen Kompass für die Landkreisredaktionen neu ausrichten“, unter anderem, um „die Zukunft des Journalismus in der Redaktion langfristig zu sichern“.
SZ zieht sich aus der Fläche zurück
Vermutlich war das ein etwas hilfloser Versuch von Ironie. Denn die SZ zieht sich nun aus der Fläche rund um die Landeshauptstadt zurück. In den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hatte sie in den Landkreisen um München herum unter der Ägide des damaligen Chefreporters Hans Ulrich Kempski eigene Außenredaktionen mit eigenen Lokalausgaben aufgebaut, um dem dort sehr starken Münchner Merkur, der heute zum Ippen-Konzern gehört, Paroli zu bieten.
Dieses Ziel gibt man nun endgültig auf. Franz Kotteder, Landesvorsitzender der dju in ver.di Bayern und selbst Mitglied der SZ-Redaktion:
„Das ist ein schwerer Schlag für den Lokaljournalismus und die Pressevielfalt in der Region um München.“
Auch Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von ver.di Bayern sieht in der geplanten Schließung der Regionalredaktionen ein fatales Signal für die Medienvielfalt in Bayern. „Gerade vor dem Hintergrund von Angriffen auf unsere Demokratie und der gezielten Verbreitung von Falschinformationen wäre es der gesellschaftliche Auftrag der Süddeutschen Zeitung, ihre Präsenz im ländlichen Raum nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern sogar auszubauen. Qualitätsjournalismus vor Ort ist das beste Mittel gegen Desinformation und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer hier den Rotstift ansetzt, schwächt die demokratische Kultur in unserer Region.“
Lokalberichterstattung in Gefahr
Betroffen sind von den Maßnahmen nicht nur zahlreiche festangestellte Redakteur*innen und Redaktionsassistent*innen, sondern auch Layouter*innen, Blattplaner*innen, freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch Fotograf*innen , denen zum Teil nun die Existenzgrundlage entzogen wird. Kotteder kritisiert:
„Die SZ will offenbar freiwillig Federn lassen und lässt dafür ein ehrgeiziges Projekt aus ihrer Geschichte sausen. Nicht ohne Grund kam der Nachwuchs in allen SZ-Redaktionen oft aus der Region.“
Zu leiden hätte jetzt nicht nur die Leserschaft, zu leiden hätten vor allem die Beschäftigten in den Redaktionen, ob festangestellt oder frei, und in den Verlagsbereichen, die bisher den Landkreisausgaben in den Geschäftsstellen und Anzeigenabteilungen zugearbeitet hätten. Am Rande wurde außerdem bekannt, dass die SZ auch in anderen Redaktionen weiter sparen will: Vor allem in den Redaktionen Gesellschaft und Wochenende sowie in der Wirtschaftsredaktionen wurde bereits Pauschalist*innen zum Jahresende gekündigt.