Das Medienjahr 2024 beginnt mit zwei schlechten Nachrichten für die Vielfalt der Zeitungslandschaft. Der Hannoveraner Madsack-Konzern übernimmt die DDV Mediengruppe aus Dresden mit der auflagenstarken Sächsischen Zeitung. Für Madsack die Fortsetzung seines „erfolgreichen Digitalisierungs-, Wachstums- und Konsolidierungskurses“. Für Mediennutzer*innen ist es ein Fall von massiver Pressekonzentration. Im Norden schluckt der Schwäbische Verlag die Schweriner Volkszeitung.
Madsack verfügte bisher schon über 19 Zeitungstitel, darunter die Hannoversche Allgemeine, die Kieler Nachrichten, die Märkische Allgemeine aus Potsdam sowie die Ostsee-Zeitung aus Rostock. Auch in Sachsen ist der Konzern mit der Leipziger Volkszeitung und den Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) bereits präsent. Zur jetzt übernommenen DDV Mediengruppe gehören neben Sächsischer Zeitung (SZ) und Sächsische.de unter anderem das Newsportal TAG24 sowie die Dresdner und Chemnitzer Morgenpost.
In Dresden, gar in Sachsen liefe das faktisch auf ein lokales und regionales Monopol hinaus, warnt ver.di-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz. „An den sächsischen Zeitungstiteln ginge in den Anzeigenmärkten demnächst kaum etwas vorbei, die kartellrechtliche Prüfung der Übernahme dürfte also noch spannend werden“, so Schmitz. Publizistisch sei sicherzustellen, dass innere Pressefreiheit und Vielfalt strikt gewahrt würden.
Dopplungen befürchtet
Eine berechtigte Forderung, schließlich erscheinen SZ, DNN und das Boulevardblatt Dresdner Morgenpost künftig unter einem Verlagsdach. Im 3. Quartal 2023 verkaufte die SZ rund 137.000 Exemplare, bei einem Minus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Es täte den Zeitungen im sächsischen Verbreitungsgebiet nicht gut, wenn redaktionelle Inhalte in beiden Madsack-Zeitungen gedoppelt würden“, sagt Schmitz. Auch weiterer Abbau von Personal würde den Zeitungstiteln und Online-Medien in ihren Verbreitungsgebieten nur schaden.
„Der unternehmerische Ansatz von DDV und ihre starken Medienmarken passen hervorragend in unseren Verbund“, konstatiert Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert „in eigener Sache“. Er freue sich „auf die journalistische Kompetenz der Sächsischen Zeitung, die das Redaktionsnetzwerk Deutschland weiter stärken wird“. Freunde der Medienvielfalt dürften das eher als Drohung auffassen. Das Geschäftsmodell des Netzwerks RND beruht darauf, alle angeschlossenen Lokalzeitungen mit identischen überregionalen Nachrichten zu beliefern. Laut Süddeutsche Zeitung hatte die Sächsische Zeitung bisher eigene Mantelreporter und auch eine Kooperation mit dem Berliner Tagesspiegel, der Inhalte zulieferte.
Betroffen von der Fusion sind rund 1000 Mitarbeiter*innen der DDV Mediengruppe. Bisherige Eigentümer der Gruppe waren Bertelsmann Invest (60 Prozent) und die SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG, 40 Prozent). Für Bertelsmann, gleichzeitig Eigentümer des im vergangenen Jahr teilabgewickelten Traditionsverlags Gruner+Jahr, bedeutet der Verkauf seiner Anteile den vollständigen Ausstieg aus dem Tageszeitungsgeschäft. Anders sieht es bei den DDVG-Genossen aus. Ihr Deal mit Madsack wird faktisch intern verrechnet. Die SPD-eigene Holding hält – neben Beteiligungen an weiteren sechs Verlagen und Verlagsgruppen – selbst 23 Prozent am Hannoveraner Konzern.
Weitere Konzentration im Norden
Auch in den Printmedien von Mecklenburg-Vorpommern (MV) droht künftig mehr inhaltlicher Einheitsbrei. „Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 und unter Vorbehalt der Zustimmung durch das Bundeskartellamt“, so eine Verlagsmitteilung, geht die Schweriner Volkszeitung (SVZ) von der Osnabrücker Mediengruppe in den Besitz der SV Gruppe – Schwäbischer Verlag über. Neben der SVZ sollen auch die Norddeutschen Neuesten Nachrichten (Rostock) übernommen werden. Damit reduziert sich die numerische Vielfalt selbstständiger Zeitungsverlage im Flächenstaat MV auf zwei.
Denn zur SV Gruppe, mit Sitz in Ravensburg, gehört bereits der Nordkurier in Neubrandenburg. Nach dieser Fusion verbleibt als einziges weiteres regionales Blatt die Ostsee-Zeitung in Rostock – aus dem Madsack-Konzern. Auffällig: Beide Verlage haben ihren Sitz außerhalb des Bundeslands MV. Eine Interessenvertretung der 150 betroffenen Mitarbeiter*innen wird das nicht erleichtern. Der Zusammenschluss der beiden Verlagshäuser bringe „Synergieeffekte, die den Lokaljournalismus in Mecklenburg-Vorpommern und im nördlichen Brandenburg langfristig sichern“, verspricht Lutz Schumacher, Geschäftsführer der SV-Gruppe. Er kennt sich in der Region aus. Von 2007 bis Ende 2019 war er Geschäftsführer und mehrere Jahre lang auch Chefredakteur des Nordkurier.
Synergieeffekte? Dieses Stichwort verheißt in der Regel nichts Gutes. Dem Vernehmen nach wurde bei der Schweriner Volkszeitung bereits vor der Fusion massiv der Rotstift angesetzt. Auch im Norden sind die Auflagen der Printorgane stark rückläufig. Sowohl die Schweriner Volkszeitung – Verkaufsauflage knapp 40.000 – als auch der Nordkurier (47.000) haben innerhalb eines Jahres mehr als 10 Prozent eingebüßt. Ver.di-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz ist überzeugt: „Ohne Investitionen in den Ausbau von Print- und Online-Journalismus kann es für den neuen Eigner keine erfolgreiche Entwicklung der Zeitung aus der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern geben.“