Verlage rufen nach staatlicher Förderung

Mathias Döpfner, derzeitiger BDZV-Präsident und Axel-Springer-Chef, beim Kongress des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom. Foto: picture alliance/Jörg Carstensen

Der Ruf der Verleger nach staatlicher Förderung des Zeitungsvertriebs wird lauter. Der Kongress des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) debattierte auch über den umstrittenen „Media Freedom Act“ der EU, über „öffentlich-rechtliche Presse“ sowie die Krise von ARD und ZDF. Nach dem Abschied von Präsident Mathias Döpfner und einer Verbandsreform wird der BDZV künftig von einem dreiköpfigen Vorstand geführt.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will den Verlagen beim Zeitungsvertrieb finanziell unter die Arme greifen. Die Ampelregierung habe im Koalitionsvertrag vereinbart, „die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen zu gewährleisten“. Was vor der Krise galt, gelte jetzt – angesichts steigender Papierpreise und problematischer wirtschaftlicher Gesamtlage – erst recht. Das federführende Wirtschaftsministerium prüfe gegenwärtig noch, „welche Förderinstrumente geeignet sind, um den Aussagen des Koalitionsvertrags nachzukommen“. Eine Studie über solche Fördermodelle werde in Kürze vorgestellt.

„Die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften ist Teil unserer Infrastruktur“, sagte Lindner. Medienkonsum sei auch Teil der gesellschaftlichen Teilhabe. Eine Vertriebsförderung müsse aber „zielgerichtet, fair und diskriminierungsfrei“ sein und sich zugleich „deutlich zu redaktionellen Inhalten abgrenzen und die Regeln des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs achten“. Der Staat könne Journalist*innen allerdings nicht davon entlasten, „guten Content zu machen“, für den das Publikum bereit sei, zu zahlen.

„Durch die Vorgänge beim NDR und beim RBB hat sich mein Bild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht fundamental verändert“, bekannte Lindner. Diese müssten aufgearbeitet werden, möglicherweise seien auch „strukturelle Veränderungen auf der Ebene der Verwaltungen“ angebracht. Unabhängig davon sehe er „Bedarf für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in unserem Land“. Zum Auftrag von ARD und ZDF gehörten allerdings nicht „immer neue digitale Spartenkanäle und ausgedehnte Online-Angebote, die im Zweifel dann mit kommerziellen journalistischen Angeboten im Digitalbereich konkurrieren“. Wichtig sei eine „Grundversorgung, die niedrigschwellig überall qualitätsvoll erreichbar ist“.

Lindner outete sich als „Anhänger des Gebührenmodells“. Eine Rundfunkfinanzierung aus dem Haushalt durch Steuern – wie kürzlich von der französischen Regierung beschlossen – lehnt Lindner kategorisch ab. Damit würde am Ende der Haushaltsausschuss Einfluss auf den Journalismus nehmen können. Wenn es gelinge, das jetzige Niveau der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks inklusive der Höhe der Rundfunkgebühren über die nächsten Jahre einzufrieren und darüber Effizienzgewinne zu erzielen sowie eine „kritische Durchsicht des Programmangebots“ zu erreichen, „dann haben wir schon etwas gewonnen“.

Zuvor hatte Mathias Döpfner, Vorstandschef von Axel Springer, in seiner letzten Rede als BDZV-Präsident die Bedrohung der deutschen Verlage durch die aktuellen Krisen in düsteren Farben gemalt. Die Explosion von Gas-, Strom- und Papierpreisen stelle die Existenz vieler Medienhäuser in Frage. Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde ab 1. Oktober werde auch der Vertrieb der gedruckten Presse massiv verteuert.

„Nicht jeder will oder kann Zeitungen digital lesen“, konstatierte Döpfner. Ohne Printprodukte werde auch die Finanzierung von digitalem Journalismus in der laufenden Transformation kaum möglich sein. Damit werde „gerade in der Fläche, im Regionalen und Lokalen gesellschaftlicher Zusammenhalt und örtliche Meinungsbildung aus verlässlichen Quellen geschwächt“. Gleichwohl lobte er die Digitalisierungsfortschritte der Branche: Erstmals hätten Zeitungsverlage 2021 mit digitalen Angeboten mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt.

Mit Blick auf Google und andere US-Plattformen sagte Döpfner, die Verlagsunternehmen erwarteten bei der Durchsetzung des Presseleistungsschutzrechts eine faire Vergütung für ihre wertvollen Inhalte und „kein Verteilen von Brosamen nach Gutsherrenart“. Auch bei der EU in Brüssel wachse die Erkenntnis, dass die Existenz monopolistischer Strukturen in der Plattformökonomie Medienfreiheit und Vielfalt bedrohe. Es sei ermutigend, dass Gesetzgeber weltweit – einschließlich der EU – an Regelungen zur Herstellung fairer Vergütungskonditionen für freie Medien arbeiteten.

Kritik übte Döpfner dagegen am von der EU geplanten „Media Freedom Act“. Falls die EU die Arbeit und Organisation der Verlage tatsächlich unter eine europäische Medienaufsicht stellen wolle, „setzt sie damit die Pressefreiheit in Deutschland und Europa nicht nur aufs Spiel, sondern trifft sie im Kern“. Im Ergebnis werde das Gegenteil des Bezweckten erreicht, ein „Media Unfreedom Act“.

Unterstützung für diese Position bekam Döpfner von Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien. Sie finde das Ganze „megaschräg“, bekannte sie. Die Regulierung von Medien und Plattformen könne funktionieren, wenn man europäisches Recht in nationales Recht umsetze. Auch beim Digital Services Act und beim Digital Market Act würden Medienbelange tangiert. Jetzt komme schon wieder ein neuer Rechtsakt als Verordnung.  Unklar sei aber, wie all diese Regelungswerke zusammenpassen sollen. Bund und Länder beabsichtigten, sich aktiv auf der europäischen Ebene einzubringen, um „das Schlimmste zu verhindern“.

Zuvor gab es einen Disput zwischen Raab und David Koopmann vom Vorstand der Bremer Tageszeitungen AG. Der hatte seinen Ärger über die Digitalangebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten, speziell der ARD, geäußert. Die Vorschrift des Medienstaatsvertrags, wonach die digitalen Angebote der Öffentlich-Rechtlichen „nicht presseähnlich“ sein dürften, erscheine zu unpräzise. Die täglichen Textbeiträge von Radio Bremen mit lokalem Bezug würden zum Beispiel dem Umfang von vier kompletten Seiten einer Tageszeitung entsprechen. „Damit haben wir in Bremen eigentlich schon eine öffentlich-rechtliche Presse“, monierte Koopmann.

Heike Raab äußerte Verständnis für den Unmut Koopmanns, verwies aber gleichzeitig auf die besondere Situation eines Stadtstaats wie Bremen. Der Medienstaatsvertrag sehe für solche Fälle eine Schlichtungsstelle vor, die allerdings „leider nicht oft angerufen“ werde. In Bremen sei dies jetzt erfolgt, was sie im Interesse einer exemplarischen Klärung begrüße. Der vor anderthalb Jahren verabschiedete Medienstaatsvertrag nehme das gesamte duale System in den Blick. Auch die Digitalpublisher widmeten sich verstärkt audiovisuellen Inhalten, damit erweitere sich das Spannungsfeld. Auch „Bild“ mache inzwischen Fernsehen. Sie wäre „dankbar, wenn die Schiedsstelle ein paar Schlichtungsverfahren organisieren kann“. Die Rundfunkkommission werde nach Prüfung im Zweifelsfall den Staatsvertrag „nachjustieren“.

Am Vortag hatte die Delegiertenversammlung sich auf eine Verbandsreform geeinigt. Künftig soll der BDZV von einem dreiköpfigen Vorstand geführt werden, der das bisherige Präsidium ersetzt. Zusätzlich wird es vier weitere Ressort-Vorstände geben: für die Bereiche Märkte, Journalismus, Trends & Innovationen und Finanzen. Offenbar ein Reflex auf umstrittene Amtsführung und Person des scheidenden Präsidenten Döpfner. Unter anderem hatte der Springer-Boss bei der Verteidigung des gefeuerten „Bild“-Chefs Julian Reichelt diesen als „letzten aufrechten Journalisten“ gelobt, „fast alle anderen“ dagegen als „Propaganda-Assistenten“ diffamiert.

 

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