Medien nach Corona

Die Corona-Kurve flacht ab, nach und nach kehrt in der Gesellschaft wieder „normaler“ Alltag ein. Was verändert sich für die Medien, welche Folgen wird die Krise für den Journalismus haben, wer sind die Gewinner und Verlierer?

Erste Erkenntnis: Journalist*innen sind systemrelevant! Diese quasiamtliche Einstufung – auf gleicher Höhe mit Mediziner*innen, Pfleger*innen und ja, auch Supermarktkassierer*innen – sollte unserer Berufsgruppe genügend Selbstbewusstsein geben, künftig noch konsequenter von der Politik Maßnahmen zur Absicherung ihrer Tätigkeit einzufordern.

Etwa zu klären, dass wir als Gesellschaft einen unabhängigen Journalismus auch finanziell langfristig ermöglichen können. Oder dass Journalist*innen besser gegen Angriffe demokratiefeindlicher Gruppierungen geschützt werden. Auch gegen Attacken von Seiten rechtslastiger Akteure in Polizei und Justiz. Oder dass das Recht auf Informationsfreiheit garantiert und die Aushöhlung des Redaktionsgeheimnisses durch schärfere Überwachungsgesetze definitiv gestoppt wird.

Mit einiger Sicherheit dürfte Corona die Digitalisierung hierzulande beschleunigen. Viele Journalist*innen haben Erfahrungen mit Home-Office und Zoom-Konferenzen gemacht, dieser Arbeitsweise sogar Positives abgewinnen können. Aber Vorsicht! Manche Verlage könnten versucht sein, diese Erfahrungen für ihre Zwecke zu kapitalisieren. Durch die Reduzierung von Mietkosten, durch Arbeitsverdichtung per Fernsteuerung oder durch eine schleichende Verlängerung der Arbeitszeiten. In dieser Hinsicht ist – auch gewerkschaftliche – Wachsamkeit geboten.

Ausgerechnet in Zeiten größten Informationsbedarfs offenbarte sich bei viele private Medien eine Art Systemversagen. Printmedien erlitten dramatische Werbeumsatzeinbußen. Ihr schon vor dem Ausbruch der Pandemie schwächelndes Geschäftsmodell siechte weiter. Viele Verlage schickten ihre Beschäftigten in Kurzarbeit, private Radio- und TV-Anbieter forderten vom Staat massive Finanzhilfen – sonst Konkurs! In dieser Situation erwies sich speziell der öffentlich-rechtliche Rundfunk als eine verlässliche Säule der

Demokratie. ARD, ZDF und Deutschlandradio organisierten den gesellschaftlichen Dialog. Die „Tagesschau“ entzündete – trotz mancher Redundanzen in den täglichen Specials – einmal mehr das „Leuchtfeuer der Aufklärung“. Verlierer der Krise sind dagegen die Boulevardpresse und viele soziale Medien. Sie verloren letzte Reste an Glaubwürdigkeit, profilierten sich eher als Verbreiter von Verschwörungsmythen und Angstpropaganda.

Die Konsequenz kann nur sein: Verteidigen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen seine kleingeistigen Gegner vor allem in CDU, FDP und AfD! Kämpfen wir für eine solide, bedarfsgerechte Finanzausstattung der sehr systemrelevanten Anstalten. Entlarven wir das schändliche Gefeilsche um einige Cent Beitragserhöhung als demokratiefeindlich. Aufgabe von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist es schließlich nach Auffassung unserer Verfassungsrichter, die „für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt“ mit zu sichern. Die Grundversorgung mit diesem hohen Gut sollte sich die Gesellschaft allemal den Gegenwert von zwei Maß Bier pro Monat und Haushalt kosten lassen.

 

 

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