Nagelprobe

„Rückkehr zu den über Jahrzehnte bewährten Krankengeldregelungen“. Da sind sich – ausnahmsweise – die Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband BDA mal einig.

Zumindest bei der Anhörung Anfang Mai zu einem Gesetzentwurf, der den freiwillig gesetzlich Versicherten, kurzfristig, unständig und ständig beschäftigten freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Regelanspruch auf Krankengeld ab der siebten Krankheitswoche wieder zugestehen will. Gut, ja, auch in der Regierung hat man begriffen, dass die zum Jahresbeginn wirksame Streichung der Regelleistung Krankengeld für diese Personengruppe so nicht haltbar ist. Und: Sie hat gemerkt, dass die angebliche Alternative eines so genannten – vom Versicherten allein zu tragenden – Wahltarifs zu einem Dschungel undurchschaubarer und vielfach unbezahlbarer Tarife geführt hat.
Also lenkte das Gesundheitsministerium vor allem auch auf Druck der Gewerkschaften ein und legte flugs einen Gesetzentwurf vor, der das Problem angeblich löst. Dessen Eckpunkte aber reichen längst nicht aus. Denn: „Die Bundesregierung will im Jahr 2009 ein Krankengeldsystem, das für Betroffene im Einzelfall schlechter ausfällt als im Jahr 1884“, so ver.di und DJV in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Gesetzentwurf. „Dabei war der Anspruch auf Krankengeld ursprünglich der erste und wesentliche Anspruch, weswegen das System der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt wurde.“ – zu Bismarcks Zeiten wohlgemerkt.
Ärger und vor allem die Verunsicherung bei den Betroffenen sind verständlicherweise riesig. Das zeigen auch weit über 1.000 Unterschriften, die in kürzester Zeit unter einen von beiden Gewerkschaften initiierten Appell an die Bundesregierung zusammenkamen: „Wir fordern Krankengeld durch Wiedereinführung des Rechtszustandes bis 31.12.2008 oder die Ausdehnung des Entgeltfortzahlungsgesetzes auch auf arbeitnehmerähnliche Personen“, heißt es darin.
Die Nagelprobe, wie weit die Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bei der Reform des Gesetzes bestehen bleibt, liegt in der Forderung : Auftraggeber, die anders als einige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten bisher im Krankheitsfall nichts zahlen, müssen in die Pflicht genommen werden, mögliche Mehrkosten eines Wahltarifes zu tragen.
– Hier dürften Auftrag-/Arbeitgeber und Gewerkschaften vermutlich nicht ganz so einig sein.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Putins Geiseln

In Russland wurden Mitte Juli zwei westliche Journalist*innen aufgrund fingierter Anschuldigungen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Westliche Regierungen werden nun einen zynischen Deal mit dem Kreml eingehen müssen, um Evan Gershkovich und Alsu Kurmasheva freizubekommen. Doch gleichzeitig sollten sie klar machen, dass sie Putins „Verständnis“ von Journalismus nicht teilen.
mehr »

Tarifbindung statt Mehrwertsteuersenkung

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder möchte Verlagen, “Begleitschutz” geben. Das hat er bei einer Veranstaltung des Medienverbandes der freien Presse kürzlich angekündigt. Diejenigen unter ihnen, die Presseerzeugnisse herausgeben, sollen nach dem Willen Söders von einer - weiteren - Senkung der Mehrwertsteuer profitieren.
mehr »

Demokratie besser demokratisch schützen

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das als rechtsextremistisch eingestufte Magazin “Compact” verboten. Es sei ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremen Szene, heißt es in der Erklärung dazu. Das Verbot betrifft nicht nur das gedruckte Heft, sondern die gesamte Compact Magazin GmbH und die Conspect Film GmbH – und somit sämtliche Verbreitungskanäle.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »