ND erreicht Teilsieg vor Gericht

Eingang des ND

Foto: Andreas Domma

„DRK gegen nd: 1:2“. So kommentierte die Redaktion der Tageszeitung nd den Ausgang eines Rechtsstreits, der auch die Pressefreiheit berührt. Geklagt hatte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) gegen eine Recherche der Berliner Tageszeitung „nd“, in dem kritisch über die Zustände im Ankunftszentrum für Geflüchtete in Berlin-Tegel berichtet wurde. Das Gericht urteilte nun, dass der Großteil der beanstandeten Aussagen zulässig ist.

Der Bericht über die beschriebenen Missstände in der Berliner Unterkunft stützt sich auf Aussagen von Beschäftigten eines weiteren Hilfswerks im Ankunftszentrum. Aus Angst vor Sanktionen wollten die Quellen des „nd“ jedoch nicht mit ihren Namen genannt werden. Das DRK versuchte der nd-Redaktion mehrere dieser anonymisierten Äußerungen per Einstweiliger Verfügung zu verbieten. Die zuständige Redakteurin legte dem Berliner Landgericht daraufhin eine eidesstattliche Versicherung vor. Aus dieser geht hervor, dass die anonymisierten Hinweisgeber*innen der Redaktion bekannt seien.

Für die meisten der strittigen Aussagen reichte dem Gericht diese eidesstattliche Versicherung aus. In vier Fällen gab das Berliner Landgericht jedoch dem DRK recht. Dabei betrachtete es in drei Fällen die eidesstattliche Erklärung als unzureichend. In einem Fall sprach sie von einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung.

Kritische Zustände im Ankunftszentrum

Schon länger standen die Zustände im Ankunftszentrum Tegel bei Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen in der Kritik. Die wurde unter anderem in einem Fachgespräch im Berliner Abgeordnetenhaus geäußert, mit dem Titel „ Massenunterkunft Tegel: Mindeststandards und Schutzkonzepte sofort umsetzen!“. Dort war auch von einem „Klima der Angst“ im Ankunftszentrum die Rede. Dass sei auch ein Grund, warum sich Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen nicht namentlich äußern wollen. Journalist*innen, die dazu recherchieren, sind also auf anonyme Hinweisgeber*innen angewiesen.

Hoher Streitwert, hohe Prozesskosten

Das jetzige Urteil hat zur Folge, dass die nd-Redaktion die inkriminierten Passagen aus der Onlineversion des Artikels entfernen musste. Zudem muss die Zeitung 6000 Euro Prozesskosten tragen. Die nd-Redaktion ruft daher zu Spenden für die Prozesskosten auf. Der Betrag kam auch dadurch zustande, dass der Streitwert mit 120 000 Euro vom Gericht sehr hoch veranschlagt wurde.


Seit Jahren gibt es Initiativen, diese Whistleblower*innen besser zu schützen, unter anderem von der Deutsche Journalist*innen-Union in ver.di.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Ampelbilanz: Von wegen Fortschritt

"Mehr Fortschritt wagen" wollte die Ampel-Regierung laut Koalitionsvereinbarung von 2021 – auch in der Medienpolitik. Nach der desaströsen medienpolitischen Bilanz der vorausgegangenen Großen Koalition, so die Hoffnung, konnte es nun eigentlich nur besser werden. Von wegen. Die meisten der ohnehin wenig ambitionierten Vorhaben der Ampel blieben im Parteiengezänk auf der Strecke. Für den gefährdeten Lokal- und Auslandsjournalismus bleibt weiterhin vieles im Unklaren.
mehr »

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Filmtipp: September 5 – Olympiattentat 1972

Einen ungewöhnlichen Blick auf das Olympia-Attentat 1972 in München zeigt Tim Fehlbaum in seinem neuen Film "September 5 – The Day Terror Went Live". Die Ereignisse, die zu dem Tod von elf Mitgliedern der israelischen Delegation und fünf palästinensischer Geiselnehmer führten, wird ausschließlich aus der Perspektive von TV-Journalisten geschildert, die zu der Zeit in der Sportredaktion des Fernsehsenders ABC arbeiteten.  Der Film kommt am 9. Januar in die deutschen Kinos.
mehr »

Faktenchecks: Metas Rechtsschwenk

Verdrehter scheint es kaum zu gehen: Vor vier Jahren, am 7. Januar 2021, sperrte Meta die Konten von Donald Trump auf Facebook und Instagram. Das war die Reaktion darauf, dass seine Anhänger, angefeuert durch seine Äußerungen, das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Auf den Tag vier Jahre später erklärt der Meta-Konzernchef die Finanzierung der Faktencheck-Programme für null und nichtig, die vor allem Lügen und Desinformation einordnen sollten. Correctiv kritisiert den Rechtsschwenk vor dem Hintergrund der bisherigen Zusammenarbeit mit Meta.
mehr »