Zum „Penis-Prozess“ BILD kontra taz
Kai Diekmann, Chefredakteur von Europas größter Boulevardzeitung, hat den Ruf von BILD als halbamtlichem Organ für Untenrum-Journalismus in der kurzen Zeit seiner Regentschaft nachhaltig befeuert. Die aktuelle BILD-Werbekampagne etwa spießt die sexuellen Vorlieben deutscher Frauen mit eindeutig zweideutigen Slogans auf: „Ich mag’s ganz sanft. Hinterher.“ Oder: „Drunter trage ich nichts!“ Oder: „Mein Rekord liegt bei acht Stunden!“ Unlängst, während der Fussball-WM, ließ Diekmann die deutschen Fans minutiös über die Leistungsfähigkeit der potenziellen Kontrahenten informieren. „Der Koreaner hat durchschnittlich 13 Minuten Sex, der Deutsche macht’s vier Minuten länger“, richtete BILD die Anhänger von Völlers Buben auf. Da bleibt dem Asiaten Penis-Neid nicht erspart. Er sei nämlich mit 13,97 cm in erigiertem Zustand weniger bestückt als der durchschnittliche Europäer mit stattlichen 16,51 cm, ejakulierte BILD mit triumphierendem Unterton. Ja, die Sorge um das beste Stück des Mannes, vor allem des deutschen Mannes, treibt das Blatt seit Jahren um. Die vermeintliche Geschichte des Hilfesuchenden, der in Miami unter den unsensiblen Händen des Schönheitschirurgen Dr. Anthony Hasselford nicht nur die angepeilte Verlängerung seiner Lustlanze verfehlte, sondern dabei bedauerlicherweise gänzlich die Manneskraft einbüßte, hätte im Normalfall lustvoll sadistischer Reportagestoff für BILD sein müssen. Schließlich hatte das Blatt immer wieder mal mit Headlines wie „Penis-OP ging in die Hose“ an den Kiosken um Aufmerksamkeit gerungen. Doch diesmal stand die frei erfundene Geschichte nicht in BILD, sondern auf der Satire-Seite der taz. Und der tragische Protagonist war kein anonymer Unglücksvogel, sondern Kai Diekmann höchstselbst. Der BILD-Chef fühlte sich auf den Schwanz getreten und bemühte Justitia. Der Artikel sei als Satire nicht ohne weiteres erkennbar, argumentierte sein Anwalt, er überschütte seinen Mandanten mit Missachtung und Schmähung: etwa der Behauptung, der Antragsteller leide seit seiner Jugend unter einem zu kleinen Geschlechtsteil, gebe sich nur nach aussen viril, sei aber in Wirklichkeit kastriert, leide unter einem Minderwertigkeitskomplex und könne keine Frau penetrieren. Einspruch, Eurer Ehren! Jeder mit den Niederungen des Boulevards einigermaßen vertraute Leser weiß doch um die Vermählung Ihres Mandanten mit der BILD-Kolumnistin Katja Keßler. Jener Klatschreporterin, die schlüpfrige Unterleibsanspielungen in BILD-Unterschriften zur eigenständigen Kunstform erhob. Und die zur Zeit mit einer als Biografie getarnten Zotensammlung über die wundersamen Abenteuer des Schwellkörpers eines gewissen Dieter Bohlen Kasse macht. Und die schon damals von ihrem Kai ein Kind unter dem Herzen trug. Die Manneskraft Ihres Mandanten steht mithin außer Frage. Der satirische Charakter des taz-Textes allerdings ebenso. Zu diesem Ergebnis kam auch das Berliner Landgericht und fällte ein abgewogenes Urteil. Die taz darf die zugegeben reichlich geschmacklose Satire nicht wieder drucken, da sie durchaus die Persönlichkeitsrechte Diekmanns verletze. Allerdings nicht so stark, daß der BILD-Chef Anspruch auf das geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro habe. Hier folgte das Gericht wohl der Einsicht, dass ein Blattmacher, der mit der doppelten Penisfraktur von Herrn Bohlen seine Auflage steigern möchte, nicht ganz so glaubhaft wirkt, wenn er bei eigener Betroffenheit Zeter und Mordio schreit. Und die Moral von der Geschicht‘: Der Schwanz steht so lange in der Schlagzeile, bis er bricht.