Im Zweifel für die Pressefreiheit

Die Wirtschaftsjournalistin Renate Daum hat schon manchem Unternehmen eine Menge Ärger beschert. Im Alleingang deckte die Redakteurin des Anlegermagazins Börse Online den Bilanzbetrug bei Comroad auf, eine jener hochgejubelten Firmen am Neuen Markt. Danach biss sich die hartnäckige Rechercheurin an einem neuen Fall fest: Es ging um den Niedergang der Unterhaltungselektronikfirma Schneider Technologies aus Türkheim im Allgäu und die Rolle, die die LfA Förderbank Bayern dabei spielte. Renate Daum hatte viele Fragen, doch die LfA antwortete nicht.

Die 37-jährige Journalistin klagte deshalb auf Auskunft und bekam nun beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Recht – das Urteil dürfte in die deutsche Presserechtsgeschichte eingehen. Konkret ging es um die Frage, inwieweit die Presse das Recht auf Auskunft von einem öffentlichen Unternehmen hat. So wollte die Redakteurin unter anderem wissen, zu welchem Preis und an wen die LfA als Großaktionärin von Schneider Aktien der Firma verkauft hat. Die Förderbank mauerte und berief sich auf das Bankgeheimnis.
Das Münchner Verwaltungsgericht schlug sich zunächst auf die Seite der LfA und bewertete dabei die Pflicht des Bankvorstands zur Verschwiegenheit höher als das Auskunftsrecht der Presse. Daum ging, mit Unterstützung ihres Arbeitgebers, dem Verlag Gruner + Jahr, in Berufung. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschied nun, dass die LfA sechs von neun Fragen ganz oder teilweise beantworten muss.
Im Urteil heißt es in bestem Juristendeutsch: „Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet.“ Dieses gelte auch dann, wenn die öffentliche Einrichtung sich „einer privat-rechtlichen Organisation bedient“ (Az.: M 22 K 04.4414). Eine Revision hat der VGH nicht zugelassen. Nach Ansicht der Rechtsanwältin von Daum Ursel Paal, wird mit dem Urteil das grundsätzliche Recht von Journalisten gestärkt, bei öffentlichen Behörden Auskunft zu bekommen: „Das ist ein Sieg für die Pressefreiheit.“ Genauso sieht es der Münchner Medienrechtsprofessor Ernst Fricke: Er verweist darauf, dass der Auskunftsanspruch verfassungsrechtlich abgesichert sei. Fricke rät Journalisten, viel öfter Auskunftsklagen zu führen.
Wenn das Urteil rechtskräftig ist, wird Renate Daum rasch eines machen: Ihre Fragen bei der LfA einreichen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Keine Auskunft zu Pegasus

Auch Onlinemedien fallen unter die vom Grundgesetz gedeckte Pressefreiheit. Das erkannte das Bundesverwaltungsgericht  erstmals an. Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, hatte nach Presserecht vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nun erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass Presseauskunft Onlinemedien genau so wie Printmedien erteilt werden muss. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist aber nicht verpflichtet, einem Journalisten Auskünfte über den Erwerb und Einsatz der Software "Pegasus" zu erteilen.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Mit Perspektiven gegen soziale Spaltung

Die Berichterstattung über den Nahostkrieg zwischen Staatsräson und Menschenrechten ist heikel, denn die Verengung des Diskurses begünstigt einen Vertrauensverlust der Medien und die soziale Spaltung in Deutschland. Beides wird durch den politischen Rechtsruck befeuert. Grund genug, den medialen Diskurs genauer unter die Lupe zu nehmen.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »