Pro und contra Auskunftsrecht

Entscheidung des Verfassungsgerichts zeigt: Bundespressegesetz muss her

Eine im Oktober veröffentlichte Verfassungsgerichtsentscheidung zum Auskunftsanspruch der Presse macht vor allem eines deutlich: Journalistinnen und Journalisten „brauchen ein Bundespressegesetz, das die Auskunftsansprüche der Medien gegenüber Bundesbehörden entsprechend den Landesgesetzen regelt”, unterstreicht die dju in ver.di.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 27. Juli 2015 die Verfassungsbeschwerde des Bild-Reporters Hans-Wilhelm Saure zum Auskunftsrecht zurückgewiesen, da der Journalist „im Ergebnis nicht in seinen Grundrechten verletzt” sei (Az.: 1 BvR 1452/13). In dem Verfahren um die Auskunft über die Nazi-Vergangenheit früherer Mitarbeiter des BND hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Auskunftsansprüche gegen Bundesbehörden nicht auf die Landespressegesetze gestützt werden können. Seit diesem Urteil vom Februar 2013 sind Bundesbehörden presserechtlich praktisch im luftleeren Raum tätig.
Journalisten- und Verlegerverbände fordern seitdem ein Bundespressegesetz, um dem „nicht hinnehmbaren Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit” – so die dju in ver.di – abzuhelfen. Aufgegriffen wurde die Forderung seinerzeit von der SPD, die bei der Umsetzung aber – mittlerweile in der Großen Koalition – keine Eile erkennen lässt. Das Verhältnis zur Kontrolle durch die „vierte Gewalt” scheint ein anderes zu sein, wenn man selbst mitregiert.
Ein ebenfalls im Oktober veröffentlichter Beschluss des Verfassungsgerichts vom 14. September 2015 (Az.: 1 BvR 857/15) ist hingegen für das Auskunftsrecht überaus positiv. Die Karlsruher Richter entschieden, dass die Justiz ihre Urteile grundsätzlich der Presse zugänglich machen muss – auch wenn Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Im konkreten Fall wollte ein Thüringer Zeitungsverlag über die Urteilsgründe in einem Strafverfahren berichten, in dem ein früherer Innenminister des Landes verurteilt worden war. Das Landgericht lehnte eine Übersendung der Urteilskopie ab, das Thüringer Oberverwaltungsgericht bestätigte dies mit der Begründung, nur in Ausnahmefällen könne von den Medien die Herausgabe einer Urteilskopie verlangt werden. Eine solche liege hier nicht vor.
Das Verfassungsgericht drehte jetzt das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis um, denn „erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommenden Funktionen wirksam wahrzunehmen”. Information und Kontrolle seien berührt, „wenn ein Pressevertreter zum Zwecke der Berichterstattung über ein gerichtliches Strafverfahren recherchiert.” Grundsätzlich entscheide die Presse, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichte. Dies sei Teil ihres Selbstbestimmungsrechts. Auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Beschaffung von Informationen sei grundrechtlich geschützt, erklärte das Bundesverfassungsgericht.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »