Urteil: Stellungnahme nicht nötig

Foto: fotolia

Bei der Berichterstattung über Anklageverlesungen muss die Presse den Angeklagten nicht um eine Stellungnahme bitten. Die Verlesung der Staatsanwaltschaft in einem Strafverfahren reiche als Quelle für eine journalistische Berichterstattung aus, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 12. Juli veröffentlichten Urteil festgestellt. (AZ: VI ZR 95/21)

Anlass des Rechtsstreits war ein in der Tageszeitung „Bild“ veröffentlichter Artikel über einen Kölner Zahnarzt, dem die Staatsanwaltschaft unter anderem Betrug in Millionenhöhe vorwarf. „Bild“ hatte am 28. Februar 2018 über die Verlesung der Anklageschrift berichtet. Dabei veröffentlichte die Zeitung seinen Vornamen, den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens sowie, dass seine Praxis in der Kölner Innenstadt sei.

Der wegen Betrug, Nötigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu fünf Jahren Haft verurteilte Arzt sah sein Persönlichkeitsrecht aufgrund der Berichterstattung verletzt. Der BGH urteilte, dass die Berichterstattung der „Bild“ nicht zu beanstanden sei. Bei einer Verdachtsberichterstattung müsse der Persönlichkeitsschutz mit der Pressefreiheit zwar abgewogen werden, in der aktuellen Berichterstattung über Straftaten habe jedoch im Allgemeinen das Informationsinteresse Vorrang.

Bei einer identifizierbaren Berichterstattung müsse sich die Presse auf einen Mindestbestand an Beweistatsachen stützen, heißt es in dem Urteil. Dies sei bei der Anklageerhebung vor Gericht der Fall, weshalb die Presse keine eigenen Recherchen über den Vorwurf der Staatsanwaltschaft anstellen oder gar den Angeklagten um Stellungnahme bitten müsse. Andernfalls würde die „tagesaktuelle Berichterstattung über Teile einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung zumindest erheblich erschwert“, so der BGH.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quellenschutz in Gefahr 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) verurteilt die Wochenzeitung  Kontext, weil sie den Namen des Mitarbeiters von AfD-Abgeordneten genannt hat, der sich in Chats rassistisch geäußert hatte, und ihre Quellen nicht preisgeben wollte. Das Frankfurter Urteil widerspreche guter journalistischer Praxis, kritisierte der verdi-Vorsitzende Frank Werneke.
mehr »

dju fordert Presseauskunftsrecht

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert, in den laufenden Koalitionsverhandlungen endlich das längst überfällige Bundespresseauskunftsgesetz zu beschließen. Danach sieht es gegenwärtig allerdings nicht aus. Bestehende konstruktive parlamentarische Vorlagen zu einem entsprechenden Gesetzentwurf habe die CDU/CSU in der Vergangenheit blockiert, moniert dju-Co-Vorsitzender Peter Freitag. Wie schon die letzte Große Koalition unter Angela Merkel setzte aber auch die soeben abgetretene Ampel-Regierung ein entsprechendes Vorhaben nicht um.
mehr »

Keine Auskunft zu Pegasus

Auch Onlinemedien fallen unter die vom Grundgesetz gedeckte Pressefreiheit. Das erkannte das Bundesverwaltungsgericht  erstmals an. Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, hatte nach Presserecht vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nun erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass Presseauskunft Onlinemedien genau so wie Printmedien erteilt werden muss. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist aber nicht verpflichtet, einem Journalisten Auskünfte über den Erwerb und Einsatz der Software "Pegasus" zu erteilen.
mehr »

SWR lehnt Vergleich mit Regisseur ab

Vor dem Arbeitsgericht Stuttgart fand gestern der Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren des Regisseurs Joachim Lang gegen den SWR statt. Der Sender hatte ihm am 11. Juli betriebsbedingt gekündigt. Begründet wurde die Änderungskündigung mit dem Sparkurs des Senders, der „angeblich“ keine weiteren Spielfilme vorsieht. Dies, obwohl der SWR laut Staatsvertrag verpflichtet ist, Spielfilme herzustellen. Zum gestrigen Termin vor dem Gericht hat der Sender keine Kompromisse angeboten. Damit kommt es nun zum Kammertermin mit einem Urteil.
mehr »