Das journalistische Format Dossier ist immer sehr umfangreich, es dient der extrem ausführlichen Behandlung eines Themas. Einmal publiziert, hat es aber notwendigerweise einen vorläufigen Charakter. Das Internet bietet hingegen die Möglichkeit, aktualisierbare Dossiers vorzuhalten.
Diesen Ansatz verfolgen auch einige Berliner Studierende. Auf ihrem Online-Portal dasdossier.de führen sie ausgesuchte aktuelle und thematisch zusammengehörige Beiträge aus Zeitungen, Online-Formaten, Radio und Fernsehen zusammen und geben so einen recht umfassenden Einblick in die jeweiligen Themen. Dahinter steckt „die Idee, neue Kontexte aus bestehenden Beiträgen zu schaffen“, wie Martin Atzler es ausdrückt, denn mit Hilfe des Content Management Systems Drupal, das die Gestaltung von hierarchischen Kategoriensystemen und die Suche darin gut unterstütze, werden dann noch ganze Themenbereiche miteinander verknüpft.
Das von dem 33-jährigen Atzler und Axel Weipert (31) seit 2008 ausgearbeitete und seit 2009 umgesetzte Konzept ist reizvoll: Zum Einen entstehen durch die ständige Bündelung guter journalistischer Beiträge zu wichtigen Themen spätestens im Lauf der Zeit (denn auch einzelne Artikel werden verlinkt) solche Internet-Dossiers. Zum Anderen dient das Portal explizit der Förderung von tiefer gehendem Journalismus. Es entstand auch aus einer Kritik an der Themensetzung der führenden Massenmedien heraus. Atzler und Weipert, der an seiner geschichtswissenschaftlichen Dissertation schreibt, wollten nicht mehr nur in der „Blogosphäre“ Kritik üben oder gute Artikel empfehlen – denn sie meinen es ernst: „Wenn es die Aufgabe der Medien ist, die Mächtigen zu kontrollieren, dann ist es die Aufgabe der Blogosphäre, die Medien zu kontrollieren, also zu rezensieren und zu kritisieren“, hält Atzler fest.
Die kurzen und eher zusammenfassenden, als kommentierenden (Sammel-)Rezensionen – übrigens bisweilen auch von Büchern – machen denn auch den Hauptteil von das Dossier aus. Verrisse sind dabei nicht angestrebt – es geht um das Aufzeigen lesenswerter Beiträge. In der Kategorie „Magazin“ erscheinen eigene Artikel, bisweilen auch von Gastautoren.
Die Redaktion bestehe aus drei Leuten, berichten Atzler und Weipert am Rande eines Redaktionstreffens in einer Uni-Bibliothek. Dazu komme eine weitere Handvoll Schreibender. Alle seien Studierende aus dem, im weitesten Sinne, sozialwissenschaftlichen Bereich. Spätestens im Juni soll es einen Relaunch geben, im Zuge dessen auch die Redaktion wachsen soll. Angebote sowohl von redaktioneller Mitarbeit, als auch von Texten, sind stets willkommen.
Da das Dossier keine Einnahmen erwirtschaftet, erscheinen normalerweise nicht jeden Tag Texte. Die mit der Katastrophe um das Kraftwerk Fukushima einhergehende Fülle von Einträgen zeigt jedoch, dass das Team auf aktuelle, brisante Themen reagieren kann.
Eine Trennung von Innen- und Außenpolitik wird übrigens nicht verfolgt. Die Oberkategorien lauten etwa Gesellschaft, Macht und Geopolitik. „Macht bedeutet Innenpolitik, aber nicht deutsche Innenpolitik, sondern weltweite. Wir besprechen deutsche Medien, aber wir wollen nicht von Deutschland aus auf die Welt schauen“, erklärt Atzler. Er kritisiert beispielsweise, dass es in der Afghanistan-Berichterstattung zu viel um die deutschen Truppen gehe. Weipert ergänzt: „Ziel unserer Seite ist es auch, an Themen dran zu bleiben, und vielleicht ein halbes Jahr später noch mal zu berichten, wenn’s eigentlich schon kein Thema mehr ist, in den üblichen Medien.“