Schon entdeckt? Migrationsbegriffe

Wer über Migration berichtet, sollte HIntergründe kennen. Bild: Bundeszentrale für politische Bildung

Die aktuelle Debatte um Migration wird auf einem Niveau geführt, das man in den letzten Jahren nur von politischen weit rechten Akteuren kannte. Allen voran ging die CDU/CSU im Bundestagswahlkampf unter Friedrich Merz. Merz etabliert eine Form des Kulturkampfs, die mindestens an das Jahr 2001 und folgende erinnert, als der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York mit über 2700 Toten die Gesellschaft zu spalten schien. Nicht zuletzt mit dem Stimmengewinn der Rechtsaußen-Partei AfD sind im Zusammenhang mit Migration entmenschlichende Begriffe zurück auf der politischen Bühne.

Wie können Journalist*innen vermeiden, diese Begriffe zu reproduzieren? Wie können sie dabei helfen, sie kritisch einzuordnen und sich somit nicht zu Handlanger*innen einer Debatte zu machen, in der Termini benutzt werden, die bewusst in Kauf nehmen, dass damit Menschen herabgewürdigt, verletzt und diskriminiert werden? Eine Antwort liefert das Portal Migrationsbegriffe. Es wendet sich direkt an Menschen, die es als ihre Aufgabe sehen, über die Zusammenhänge von Migration aufzuklären und zu berichten.

Das Inven­tar der Migra­ti­ons­be­griffe wird von einem interdisziplinären Team aus Wissenschaftler*innen verantwortet, die unter anderem aus dem Bereich der Kritischen  beziehungsweise reflexiven Migrationswissenschaft kommen. Nicht wenige von ihnen dürften über tiefe Einblicke in die flüchtlings- und fluchtpolitische Praxis verfügen.

Historisch gemacht und geworden

Die Forschungsgruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit dem Portal in die aktu­el­len Diskus­si­o­nen über Flucht und Migra­tion intervenieren und den Blick darauf zu lenken, dass die Begriffe, mit denen über Migra­tion gespro­chen wird, das Produkt von gesell­schaft­li­chen Kontro­ver­sen sind. Zentrale Migrationsbegriffe werden darin nicht eindeutig definiert. Die Autor:innen arbeiten vielmehr ihren unterschiedlichen und umstrittenen Gebrauch heraus. „Die Bedeu­tun­gen dieser Begriffe verschie­ben sich immer wieder – sie sind also histo­risch gewor­den und gemacht“, heißt es auf der Seite zusammengefasst.

Zentrale Begriffe – von Abschiebung über Drittstaatsangehörige hin zu Pullfaktor, Vertreibung und Zweite Generation werden dafür erläutert, kommentiert, mit ihren unterschiedlichen Lesarten und Bedeutungen kontrastiert und unter anderem mithilfe von Leseempfehlungen und weiterführender Literatur eingeordnet. Auch Begriffe, an denen sich bereits zahlreiche Kontroversen entzündet haben, von ‚Integration‘ bis ‚Rasse‘ sind darunter. Aber auch solche, die vermeintlich eindeutig erscheinen und deswegen in der Regel zu wenig kritisch hinterfragt werden, wie ‚Diversität‘ oder „(freiwillige) Rückkehr“. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht.

Hintergründe statt Verlautbarungen

Das Portal Migrationsbegriffe bietet Journalist*innen die Möglichkeit, sich konkret und zielgerichtet mit dem Thema Migration zu befassen und sich notwendige Hintergründe für die weiterhin galoppierende Debatte zu beschaffen. Es entspricht nicht zuletzt journalistischer Sorgfaltspflicht, gerade in Zeiten, in denen Behauptungen und Falschinformationen drohen zu einer Art Normalzustand zu werden, diese aufzubereiten statt nur politische Verlautbarungen zu vermelden.

 

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