Provinzposse: Die wirre Attacke eines Verlegers auf ein missliebiges Plakat
Blamabler Fehltritt des selbsternannten Vorreiters der deutschen Verleger: Mit einer „Abmahnung“ hat Thomas Ehlers, Geschäftsführer von Ostsee-Zeitung (OZ, Rostock) und Lübecker Nachrichten (LN) versucht, eine Plakataktion der von Gewerkschaften getragenen Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern.“ zu unterbinden. Angeblich verletze das verwendete Motiv, vor einem Felsenriff dümpelnde Zeitungsschiffe, die Rechte des Unternehmens. Man untersage „die weitere Nutzung der Marke“, heißt es in dem Schreiben, dem eine Unterlassungserklärung beigefügt war.
Der Vorwurf ist absurd: Einmal abgesehen davon, dass das Poster mit dem Slogan „Achtung! Presse in schwierigem Fahrwasser“ bereits seit zweieinhalb Jahren landesweit verwendet wird – die angeblich geschützte Marke „Ostsee-Zeitung“ gibt es in dieser Form nicht. Das Deutsche Patent- und Markenamt verweigerte die Eintragung des Titelkopfes mit dem Wappen in der Mitte im vergangenen Jahr unter dem Aktenzeichen 3020120339018. Der Rostocker Verlag – eine 100-prozentige Tochter der vom Madsack-Konzern beherrschten LN – zog daraufhin den Antrag zurück.
Die bizarre Aktion des 1960 im holsteinischen Meldorf geborenen Managers wirft freilich nicht nur ein schiefes Licht auf deren Urheber, sondern befeuert die in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren laufende Debatte um Qualität und Vielfalt in der Presse. Die Konzentration ist im Nordosten weiter fortgeschritten als irgendwo sonst in Deutschland – lediglich in Rostock gibt es noch miteinander konkurrierende Titel. Gestützt auf ihre Monopolstellung versuchen sich OZ, Schweriner Volkszeitung und Nordkurier in elektronischen Medien und neuen Geschäftsfeldern wie der Postzustellung. Der Expansions- wird von einem rigiden Sparkurs begleitet: Ausgliederung, Zusammenlegung von Redaktionen, Tarifflucht und Personalabbau sind in den Zeitungshäusern an der Tagesordnung.
Abschied vom Tarif
Zu einem Wortführer der Bewegung „möglichst billig“ hatte sich Ehlers in der Tarifrunde 2011/12 deutschlandweit aufgeschwungen – und war am entschlossenen Widerstand der streikenden Beschäftigten, auch bei OZ und LN, gescheitert. Dennoch geht er – unter ständigem Verweis auf die durch Auflagenrückgang und Anzeigenflaute „schwierige Lage“ – weiter mit seinem vermeintlichen Patentrezept hausieren: Abschied vom Tarif, mehr Kooperation, Zentralisierung zwischen Titeln. Allerdings blieben alle Versuche, Kunden für die 2007 mit viel Tamtam in Lübeck gegründete Zentralredaktion von LN und OZ zu finden, bis heute erfolglos – selbst innerhalb der Mediengruppe Madsack, zu der beide Blätter seit 2009 gehören. Andere Verlage wie der Nordkurier haben gar jüngst den Ausstieg aus einem vergleichbaren Modell mit der SVZ vollzogen. Eine öffentliche Diskussion über die Folgen der publizistischen Auszehrung, die ver.di gemeinsam mit dem DGB und dem DJV forciert, kommt da ungelegen. Schließlich haben sich die Partner der Großen Koalition in Schwerin bereits darauf verständigt, eine seit Jahren geforderte Überarbeitung des Landespressegesetzes in dieser Legislaturperiode endlich in Angriff zu nehmen. Wesentliche Punkte dabei sind die Forderung nach mehr Transparenz über Besitzverhältnisse in den Medien und ein Gegengewicht zur Macht der Meinungsmacher durch redaktionelle Mitbestimmung.
Lohndrückerei
Beide Forderungen, für die bereits mehrere Tausend Bürger ihre Unterschrift bei „Qualität und Vielfalt sichern“ gegeben haben, sind vor allem für die Regierungspartei SPD pikant: Sie ist über ihre Medienholding ddvg größter Gesellschafter bei Madsack und damit bei der OZ. Dass unter den demokratischen Fraktionen des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern dennoch Einigkeit herrscht, etwas für den Journalismus im Nordosten tun zu müssen, hat seine Ursachen unter anderem im ungeschickten Agieren des Managers, der sich bei Bosch und Springer seine Meriten als Controller erwarb.
Unvergessen sind Ehlers’ Auftritte vor dem Innenausschuss des Schweriner Landtags. Dabei ließ er die überraschten Politiker unter anderem wissen, dass es deren Aufgabe sei, millionenschwere Förderprogramme so „sexy“ aufzubereiten, dass Journalisten von ihnen Notiz nehmen würden.
Kaum diplomatischer verhält sich der Manager in der aktuellen Debatte um den Mindestlohn. Bei einem Termin stellte er im Namen des Verbandes Norddeutscher Zeitungsverleger (VZN) Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) vor die Wahl: Käme die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro für Zusteller, würde man die Auslieferung der Zeitung in dünn besiedelten Regionen wohl einstellen. Dem Betriebsrat der OZ blieb es dann überlassen, sich bei einem Termin mit Sellerings Kabinettskollegin, Arbeitsministerin Manuela Schwesig (SPD), für realistische Lösungen einzusetzen – etwa eine Unterstützung der Verlage für die Auslieferung des „Demokratie-Gutes“ Presse.