Ein Tarifvertrag für die Film-und Fernsehschaffenden (TV FFS) regelt die Arbeitsbedingungen an den Sets deutscher Filmproduktionen. Nachdem der Vertrag Ende vergangenen Jahres gekündigt wurde, muss nun ein neuer her. Doch die Verhandlungen zwischen ver.di, BFFS und der Produzentenallianz sind ins Stocken geraten. Falls es bis Ende März kein Ergebnis gibt, könnte eine tariffreie Zeit für die Beschäftigten beginnen. Für die vielen Tausenden Filmschaffenden würde das eine unsichere Zukunft bedeuten.
Auch nach der zweiten Verhandlungsrunde im Januar ist noch kein neuer Tarifvertrag in Sicht. Was es heißt, ohne gültigen Tarifvertrag zu arbeiten und welche Handlungsmöglichkeiten es dennoch gibt, darüber sprachen Marcus Sonnenschein (Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bernhard Speck (Lineproducer) und Matthias von Fintel (Tarifsekretär ver.di) am 11. März – natürlich online.
ver.di und BFFS fordern in den Tarifverhandlungen Verbesserungen bei der wöchentlichen Anzahl der Arbeitstage und der Ruhezeit im Anschluss an den verbreiteten Nachtdreh ins Wochenende, eine verlässliche 5-Tage-Woche und planbare Freizeit am Wochenende. Gesundheitsschutz und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollen gestärkt werden. Die Produzentenallianz verlangt indes, dass sich im Jahr 2021 nichts an den Tarifverträgen ändert, es ein sogenanntes Moratorium für Gagen- und Manteltarifvertrag geben solle.
Die Folge: Ein neuer Tarifabschluss scheint zunächst nicht in Sicht zu sein. Für Marcus Sonnenschein beginnt damit eine Zeit der Rechtsunsicherheit. Obwohl „nach Ablauf des Tarifvertrages Rechtsnormen weiter gelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. So steht es im Gesetz“, erklärt der Jurist. Sogar neue einzelne Arbeitsverträge könnten sich immer noch auf den alten Tarifvertrag beziehen. Jedoch könnte diese sogenannte Nachwirkung auch zeitlich nicht unbegrenzt sein. Denn es mangele an entsprechender Rechtsprechung. „Bislang fehlt eine eindeutige und klärende gerichtliche Entscheidung“, betont Sonnenschein.
Für Matthias von Fintel liegt die Lösung des Problems ohnehin woanders. „Wir brauchen einen neuen Tarifvertrag und wir verhandeln auch weiter“, sagte von Fintel. Die Nachwirkungen des Tarifvertrags könnten nicht vor einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen schützen, weil jeder neue Arbeitsvertrag nach dem ersten April davon abweichen könne. „Tarifvertragliche Rechtsnormen gelten dann nicht mehr“, warnt von Fintel. Dennoch öffnen sich auch nach Ende des Tarifvertrages neue Handlungsmöglichkeiten. Mit dem Wegfall der Friedenspflicht würde schließlich ein Arbeitskampf möglich. Mit einem Streikaufruf von ver.di, könne sogar eine sanktionslose Arbeitsniederlegung in Frage kommen. „In der Filmbranche wurde in Deutschland noch nie gestreikt“, gibt von Fintel zu bedenken. Allerdings könne man auf Erfahrungen bei Fernsehsendern oder Kinos zurückgreifen, wo ver.di in der Vergangenheit erfolgreich war, wie etwa kürzlich bei der Deutschen Welle (DW).
Für Bernhard Speck ist das Mittel allerdings noch strittig. Fest steht aber auch für ihn: „Eine tariflose Zeit ist uncool!“ Die Frage der Mittel und Ziele von Arbeitskämpfen bleibt freilich eine politische. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender stünden momentan aufgrund „unsäglicher politischer Taktierereien von rechter Seite“ unter Druck, gibt Sonnenschein zu bedenken. Gerade an dieser Stelle warnte er vor großen Hoffnungen. „Die Spielräume sind klein“, meint der Anwalt.
Von Fintel hingegen blickt nach vorn. Vor allem eine starke Gewerkschaft und ein solidarisches Miteinander mache nun die Kraft der Branche aus. Bis zum 31. März 2021 will ver.di ein Ergebnis der Tarifrunde sehen.