Arbeiten für 4 Euro die Stunde

Größte Multiplexkinokette verweigert Tarifgespräche

Seit Jahren gibt es die gewerkschaftliche Forderung zum gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 €, die trotz sieben Jahren Rot-Grüner Bundesregierung und erwartungsgemäß auch nicht mit Schwarz-Gelb durchgesetzt werden konnte. In diesem Herbst wird die Diskussion um die erneuerte Forderung des DGB von 8,50 € beginnen. Hier ein Zustandsbericht aus einem Niedriglohnsektor in der Medienbranche – dem Kino.

Der deutsche Kinomarkt ist zu etwa gleichen Teilen aufgeteilt in Multiplexe, d.h. Kinocentern mit sechs oder mehr Bildwänden bei konzernartiger Unternehmensstruktur und in Kultur- und Kleinkinobetriebe mit fünf oder weniger Bildwänden, welche meist Inhaber betrieben sind und über eine lange Tradition verfügen. Der überwiegende Teil der traditionell geführten Kinobetriebe ist im Hauptverband Deutscher Kinobetriebe (HDF-Kino e.V.) als Arbeitgeberverband organisiert, allerdings meist ohne Tarifbindung. Ein für ver.di sehr schwer, nämlich Betrieb für Betrieb, zu erschließender Bereich. Die Multiplexe waren bis etwa zur Jahrtausendwende mehrheitlich ebenfalls im HDF organisiert, mit Tarifbindung. Nach gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in der Branche setzte eine Tarifflucht zweier Kinoketten der UfA und der CinemaxX-Gruppe ein. Eine strategische Allianz dieser beiden Unternehmen führte zu einem neuen Arbeitgeberverband, ardi (Arbeitgeberverband Dienstleistung). Mit diesem Verband konnte ein Kinotarifvertrag abgeschlossen werden, der allerdings nach Kündigung durch den Arbeitgeberverband in einigen Betrieben seit 2003 auch in seinen Vergütungsbestandteilen nur noch nachwirkt.
Die größte Multiplexkette Deutschlands, Cinestar, die die traditionsreiche Kinokette Ufa weitgehend geschluckt hat, verweigert seitdem jedes konstruktive Tarifgespräch mit ver.di. Das Lohneinstiegsniveau in dieser bundesweit aufgestellten Kinokette liegt bei 4€ pro Stunde. Selbst in so strukturschwachen Gebieten wie dem Potsdamer Platz in Berlin werden Arbeitnehmer für 6,14 € beschäftigt, in Sichtweite zum Reichstag und zum Bundeskanzleramt.
Mit der prominenten CinemaxX AG konnte Ende 2007 ein Tarifvertrag abgeschlossen werden. Wichtigstes und erreichtes Ziel in diesem Tarifvertrag war die Regel gleiches Geld für gleiche Arbeit. Denn durch die zuvor beschriebene Tarifflucht hatten sich unterschiedliche Löhne bei gleichartiger Beschäftigung etabliert, deren Spanne von 6,50 € bis ca. 8,50 € reichte und auf dem höheren Niveau vereinheitlicht werden konnte.
Der Tarifvertrag mit dem HDF sieht aktuell ein Einstiegsgehalt von 8,02 € vor. Von den ca. 15.000 Kinobeschäftigten in Deutschland sind leider nur ca. 1.500 – 2.000 Arbeitnehmer im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages. Das Lohnniveau der ca. 2.000 CinemaxX Beschäftigten ist vergleichbar. Neben wenigen Firmentarifverträgen, die vertragliche Lohnregelungen für weitere ca. 250 Arbeitnehmer vorsehen, bleibt festzustellen, dass etwa 10.750 Kinobeschäftigte ohne tariflichen Lohn und meist deutlich unter 7,50 € beschäftigt werden.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Aktuelles aus der Medienbranche 3/24

Im dritten Quartal des Jahres setzten sich die bisherigen Trends der Medienbranche fort: Print-Periodika schrumpfen, Online nimmt zu, die Buchbranche wächst leicht. Axel Springer wird aufgespalten. Der „Markt“ für Übernahmen und Beteiligungen im Medienbereich verengt sich. Die Quartalsberichte stützen sich auf die Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen.
mehr »