Erstmals Tageshöchstarbeitszeit in Filmproduktionen vereinbart
Erscheint ein Film auf Leinwand oder Bildschirm und erreicht den Zuschauer, ist nicht zu sehen unter welchen Bedingungen er entstanden ist. Kinopremieren auf Festivals oder in glamourös dekorierten Premierenkinos sind nur noch Marketing und verdecken alles davor Geschehene mit Partystimmung. Nur am Rande von Festivals oder in Branchendiskussionen brechen Ärger und Frust über die Entwicklung der Arbeitsbedingungen aus Filmschaffenden heraus. Nun gibt es einen neuen Tarifvertrag, der die Arbeitszeit begrenzt.
Die Herstellung von Fernseh- und Kinofilmen steht unter immensem Druck. Die Finanzierung von Kinofilmen wird immer schwieriger. Die im Wesentlichen von öffentlich-rechtlichen Sendern beauftragten Fernsehproduktionen sollen zu immer kleineren Budgets, aber im gleichen Format oder sogar noch aufwändiger realisiert werden. Privatsender treten kaum noch als Auftraggeber von fiktionalen Fernsehproduktionen in Erscheinung. Diese Entwicklung schlägt sich in den Arbeitsbedingungen am Drehort nieder. Es werden weniger Drehtage geplant, an denen allerdings immer länger gearbeitet werden soll. Bereits im Jahr 2005 ist von den Produzenten und ver.di deshalb ein Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Filmschaffende abgeschlossen worden, der mit der Einführung eines Zeitkontos die zahlreichen Mehrarbeitsstunden in zusätzliche passive Beschäftigungstage umwandelt, die an die aktive Produktionsphase und vor allem sozialversicherungswirksam angeschlossen werden. Das Ziel der diesjährigen Tarifrunde war für die Film- und Fernsehschaffenden in ver.di, dass die grenzenlosen Tagesarbeitszeiten eingedämmt werden. An verschiedenen Filmsets war bereits im zweiten Halbjahr 2008 und in 2009 das Einschreiten von Arbeitssicherheitsbehörden – mit Unterstützung von connexx.av – notwendig, weil Drehzeiten schon so disponiert wurden, dass Arbeitszeiten von 16 Stunden durchaus üblich waren. In der Branche war Bewegung in die Arbeitszeitfrage gekommen. Die Produzenten haben schließlich in fünf Verhandlungsrunden einem Tarifkompromiss zugestimmt, der erstmals eine Tageshöchstarbeitszeit in Filmproduktionen vorsieht. Die Filmschaffenden haben zukünftig die Möglichkeit, durchaus auch mit Unterstützung von außen, da es keine Betriebsräte gibt, die nun definierten Arbeitszeitgrenzen durchzusetzen.
Gagen angehoben
Die Tarifeinigung besteht aus verschiedenen Komplexen: Arbeitszeit, Gagensteigerungen und einzelnen Verbesserungen des Manteltarifvertrages. Tageshöchstarbeitszeit bedeutet, dass zunächst einmal die Drehzeit so disponiert werden muss, dass für alle Beteiligten am Drehort die maximale Arbeitszeit von 13 Stunden eingehalten werden kann. Nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung der Filmschaffenden ist an einzelnen Tagen ein längeres Arbeiten möglich. Ausnahmefälle sind beispielsweise höhere Gewalt oder eine eingeschränkte Motivverfügbarkeit in öffentlichen Räumen. Werden die 13 Stunden überschritten, muss die anschließende Ruhezeit mindestens 12 Stunden betragen. Zudem erhöhen sich die Zuschläge auf 100%. Und bereits für die 13. Stunde sind 50% Zuschlag fällig. Zusätzlich verlängern sich die Pausenzeiten auf insgesamt eine Stunde pro Tag, wenn über 12 Stunden gearbeitet wird. Schließlich wird die Dokumentationspflicht für die Mehrarbeit verstärkt. Der Filmschaffende bekommt auf Verlangen mit der Monatsabrechnung eine Kopie der Aufzeichnungen.
Gagenerhöhungen wurden ebenfalls vereinbart. Einzelne Tätigkeiten erhalten eine strukturelle überproportionale Anhebung. Filmeditoren, Szenenbildner, Aufnahmeleiter und die Filmgeschäftsführung profitieren davon. Dieser Bestandteil macht etwa 1,75% durchschnittliche Gagensteigerung aus. Zusätzlich kommen 1,75% lineare Gagenerhöhung für alle ab Januar 2010 und weitere 2% ab 2011 dazu. Und es wurde die Tätigkeit des Kameraschwenkers neu aufgenommen. Insgesamt ergibt dies ein Volumen von 5,5%, das sich mit den Abschlusshöhen für öffentlich rechtliche Sender vergleichen lässt. Die Laufzeit des Abschlusses ist bei Ende 2011.
Im Manteltarifvertrag wurden verschiedene Details nachgebessert. Eine Praktikantenregelung stellt klar, dass ein Praktikant keineswegs die Beschäftigung eines Filmschaffenden ersetzen darf. Filmschaffende können ihre Anwartschaften und Beiträge in der Pensionskasse der Rundfunkanstalten aufbauen. In der fortgeführten Regelung des Zeitkontos wurde nachgebessert, dass das Ende der Beschäftigung auf den Sonntag fällt, wenn der letzte Ausgleichstag aus dem Zeitkonto ein Freitag ist. Die verbindliche Gewährung des Urlaubs, der häufig nur ausgezahlt wurde, ist ebenfalls verstärkt worden. Schließlich wurde der in der Vergangenheit stets strittige so genannte versetzte Dreh klarer geregelt. Liegen Drehwochen so, dass am Wochenende gearbeitet wird, dann werden die Feiertage mit Zuschlag von 100% gezahlt.
In allen drei Bereichen sind die Forderungen von ver.di zwar nicht in vollem Umfang, aber materiell im Tarifergebnis umgesetzt worden. Selbstverständlich waren die Erwartungen an Gagenerhöhungen deutlich höher und ursprünglich hatten die Filmschaffenden in ver.di eine Tagesarbeitszeit von maximal 12 Stunden gefordert. Aber in einer Branche, in der jede und jeder auf den nächsten Job angewiesen ist, wenn er oder sie im Geschäft bleiben will, sind Streiks derzeit kaum vorstellbar. Auch wenn diese dringend nötig wären, um noch bessere Tarifergebnisse zu erzielen. Die vorliegenden Ergebnisse sind so nur erreicht worden, weil ver.di mit verschiedenen Aktivitäten, wie Setbesuchen, neue Mitglieder im Filmbereich gewinnt und vor allem die Debatte an den Filmsets über die Tarifziele anregt. Vor allem diese Setbesuche, die das Team von connexx.av durchführt, werden auch in der nächsten Produktionssaison fortgeführt, um die Einhaltungen der nun erreichten Tariferrungenschaften zu beobachten und mit den Filmschaffenden an den einzelnen Drehorten durchzusetzen.