Funkstille auf Welle Tarif

Gehaltsrunde 2000 beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch immer nicht abgeschlossen

In den meisten Betrieben ist die Tarifrunde 2000 schon wieder vergessen, sie ist längst gelaufen. Nicht so beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was anderswo keine allzu komplizierte Geburt war, soll bei uns unmöglich sein?

Resolution der Personalversammlung beim WDR am 16.1.2001

„Die Personalversammlung unterstützt ausdrücklich die Ablehnung von Verhandlungen über die Altersversorgung unter dem Druck der laufenden Gehaltstarifrunde wie sie in dem Beschluss des Personalrats vom 5. 12. 2000 zum Ausdruck kommt.

Die Personalversammlung fordert die Geschäftsleitung auf, unverzüglich und ohne die Forderung nach Veränderungen an der Altersversorgung die Gehaltstarifrunde 2000 mit den Gewerkschaften abzuschließen.

Die Personalversammlung weist ausdrücklich die Verbindung beider Themen zurück und warnt vor den Auswirkungen eines solchen Junktims auf den Betriebsfrieden.“


Die Intendanten haben den Ehrgeiz, den verschlimmbesserten Schlichterspruch des öffentlichen Dienstes in ihren Sendern sogar noch zu unterbieten: Die Beschäftigten sollen auch diese an sich schon magere Tariferhöhung überhaupt nur dann bekommen, wenn sie im Gegenzug eine drastische Verschlechterung ihrer Altersversorgung akzeptieren.

Bisher waren uns die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht durch besonders gute Koordination aufgefallen. Was nicht gelingen will, muss eben geübt werden, dachten sich wohl die Intendanten und beschlossen am 28. 11. 2000 in Stuttgart einstimmig, dass es bei keinem Sender Tariferhöhungen geben darf: Zuerst müssten die Versorgungswerke der Anstalten geändert werden. Dieser Beschluss wurde sogar von Intendanten mitgetragen, in deren Häusern es gar keine zu verschlechternde Regelung gibt.

Worum geht es überhaupt?

Bei ARD und ZDF gibt es eine betriebliche Altersversorgung. Der Betrieb ergänzt die gesetzliche Rente seiner Pensionäre, so dass diese insgesamt einen festen Prozentsatz ihres letzten Gehalts erhalten. Merke (da uns das nochmals begegnen wird): Je mehr gesetzliche Rente ein Pensionär hat, desto weniger muss der Sender dazuzahlen.

Dieses auch als Gesamtversorgung bezeichnete System entspricht in vielen Punkten der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Während der öffentliche Dienst aber bis heute jedem neu eingestellten Beschäftigten diese Zusatzversorgung verspricht, haben die Rundfunkanstalten diese Gesamtversorgung Anfang der neunziger Jahre dicht gemacht. Wer seither eingestellt wurde, bekam nur noch eine wesentlich geringere Betriebsrente zugesagt, nur noch etwa halb so hoch wie bei der Gesamtversorgung.


„Je mehr gesetzliche Rente ein Pensionär hat, desto weniger muss der Sender dazubezahlen – und umgekehrt!“

„Beim Rundfunk geht es um den Einstieg in den Ausstieg aus den Sozialleistungen.“


Aktuell fallen noch circa 70 Prozent aller Rundfunkmitarbeiter unter die Gesamtversorgung. Anders ausgedrückt heißt das, bereits an fast einem Drittel der Beschäftigten wird kräftig auf Kosten von deren Alterssicherung gespart. Genau dies stellen die Rundfunkanstalten gegenüber der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) und gegenüber den Obersten Rechnungshöfen (ORH) heraus, so z.B. der Bayerische Rundfunk: „In der Gesamtbetrachtung aus alter und neuer Versorgung wird der BR deshalb künftig zunehmend weniger Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung zu tragen haben als der öffentliche Dienst.“

Die Bundesregierung bereitet derzeit eine sogenannte „Reform“ der gesetzlichen Rente vor. Gesagt wird uns, die Renten sollen nicht gekürzt werden, sie sollen in Zukunft nur langsamer steigen als Löhne und Gehälter. Im Klartext heißt das aber nichts anderes, als dass die Renten im Verhältnis zu den Arbeitseinkommen fallen werden. Neben dieser „Sicherung“ der ersten Säule der Alterssicherung proklamiert die Regierung eine Stärkung der anderen beiden Säulen, nämlich der Betriebsrenten und der Eigenvorsorge.

Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, wie auch die alte Gesamtversorgung bei den Rundfunkanstalten gleicht die Verschlechterung der gesetzlichen Rente teilweise wieder aus. Was hatten wir uns noch gemerkt? Je weniger gesetzliche Rente ein Pensionär bezieht, desto mehr muss der Sender dazuzahlen.

Genau das wollen die Intendanten natürlich nicht und deshalb haben sie ihre Finanzdirektoren beraten lassen. Herausgekommen ist dabei das Ziel, die Gesamtversorgung gänzlich abzuschaffen sowie die Strategie, die anstehenden Tariferhöhungen als Druckmittel einzusetzen. In der Betriebsöffentlichkeit freilich wird verharmlost: Man stehe zu seinen Verpflichtungen und wolle die Betriebsrenten nicht kürzen. Der Anstieg der Versorgungsleistungen allerdings müsse begrenzt werden. Den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb reicht es schon, dass sie von der Regierung für dumm verkauft werden: 67 Prozent, die eigentlich doch nur 64 Prozent sein sollen und real wohl 61 Prozent sind …

Da ist ja wohl jeder beruhigt, wenn die Betriebsrenten nicht gekürzt, sondern nur ihr Anstieg gebremst werden soll: Wo ist eigentlich der Unterschied, wenn ich am Ende in beiden Fällen nicht das bekommen soll, was man mir zugesagt hat?

Die Kolleginnen und Kollegen sind erbost, dass sie die längst fällige Tariferhöhung zum Ausgleich der Teuerung nach Vorstellung der Anstalten aus ihrer eigenen Tasche bezahlen sollen: Was sie heute mehr bekämen, müssten sie durch Verzicht im Alter finanzieren. In einzelnen Fällen würde das, was die Rundfunkanstalten da fordern, zu einer Halbierung des Versorgungsanspruchs führen.

Die Intendanten wollen also unbedingt in letzter Minute noch schnell das Gegenteil davon erzwingen, was die Regierung zum allgemeinen Ziel erklärt hat: Sie wollen die Betriebsrente schwächen statt stärken!

Es geht ums Eingemachte!

So wie es bei der sogenannten Renten-„Reform“ um wesentlich mehr geht als nur um die Höhe der gesetzlichen Rente, so geht es auch den Intendanten um wesentlich mehr. Im Bundestag wird die Abschaffung des Prinzips der paritätischen Finanzierung in der Sozialversicherung diskutiert und damit geht es letztlich um den Einstieg in den Ausstieg aus dem Solidarprinzip. Beim Rundfunk geht es um den Einstieg in den Ausstieg aus den Sozialleistungen.

Ganz beiläufig würde mit der Abschaffung der Gesamtversorgung so, wie das in einem internen Papier der Rundfunkanstalten dokumentiert ist, auch die soziale Balance beseitigt. Schon bei der bisherigen Gesamtversorgung, bei der alle die gesetzliche Rente auf denselben Prozentsatz ihres letzten Gehalts aufgestockt erhalten, bekommen Besserverdienende mehr Betriebsrente als Geringverdiener. Wer doppelt so viel verdient, bekommt nicht etwa nur doppelt so viel, sondern gleich viermal so viel Betriebsrente. Wer mehr als die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung verdient, also mehr als 105000 DM im Jahr, der zahlt nur noch auf einen Teil seines Gehalts gesetzliche Pflichtbeiträge. Also bekommt er später auch nur auf den beitragspflichtigen Teil seines Gehalts eine gesetzliche Rente, die damit im Verhältnis zu seinem ganzen Einkommen relativ gering ausfällt. Je weniger gesetzliche Rente ein Pensionär … , aber das hatten wir uns ja nun schon gemerkt.

Durch die Abschaffung der Gesamtversorgung würde dann gerade nicht mehr jeder zusammen mit der gesetzlichen Rente denselben Prozentsatz des letzten Einkommens erhalten. In Zukunft würden diejenigen, die weit oberhalb der BBG verdienen, nicht nur die höchsten Beträge, sondern auch noch den höchsten Prozentsatz erhalten. Je mehr Pflichtbeiträge jemand in seinem Leben entrichten musste, desto geringer würde sein Einkommen im Alter im Verhältnis zum letzten Gehalt ausfallen! Dass dies den Erfindern der Abschaffung der Gesamtversorgung, den Finanzdirektorinnen und -direktoren, persönlich keine Kopfschmerzen bereitet, ist nur allzu verständlich. Aber uns bereitet es welche, und deshalb werden wir die Abschaffung der Gesamtversorgung mit allen Mitteln bekämpfen!

Jetzt oder nie

Bei den Rundfunkanstalten machen die Versorgungslasten derzeit weniger als 7 Prozent des Etats aus. Daran noch weiter sparen zu wollen, hat offensichtlich nur am Rande betriebswirtschaftliche Gründe. Mit dem Junktim zur Tarifrunde 2000 soll wohl auch getestet werden, ob man mit den Rundfunkbeschäftigten und ihren Gewerkschaften machen kann, was man will. Werden die sich diesem Junktim beugen, werden die wohl auch jede weitere Kröte schlucken.

So gesehen, erübrigt sich eigentlich jegliche Diskussion um Optionen. Wenn wir es zulassen, dass Tariferhöhungen durch Sozialabbau erkauft werden, dann können wir uns gleich abmelden. Dann findet Arbeitnehmerinteressenvertretung in Zukunft nur noch in den Vorstandsetagen statt, natürlich nach Sicht der Dinge dort. In diesem Punkt kann es auch keinen Kompromiss geben. Denn ein bisschen nachgeben hieße im Grunde doch, das Prinzip zu akzeptieren. Unsere Antwort auf die Forderung nach Abschaffung der Gesamtversorgung kann also nur lauten: Nein! Dafür brauchen wir noch nicht einmal zu kämpfen, denn einseitig, ohne den Tarifpartner, können die Anstalten Tarifverträge ja nicht verändern.

Dann allerdings werden die Intendanten keine Tariferhöhung anbieten. Das wiederum wollen wir nicht und dafür müssen wir dann kämpfen. Denn einseitig, ohne den Tarifpartner, können auch wir Tarifverträge nicht verändern.

Bisher herrschte Funkstille im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zumindest was Arbeitskampfmaßnahmen anbelangt. Nicht etwa, weil wir zu solchen nicht in der Lage gewesen wären. Bisher haben wir eben stets in Verhandlungen erreicht, was wir erreichen wollten. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Was um alles in der Welt sollte uns dann davon abhalten, das zu tun, was allgemein üblich ist, nämlich für die Tariferhöhungen zu kämpfen?

Jetzt hat“s gefunkt! Bei praktisch allen Sendern laufen Vorbereitungen zu Arbeitskampfmaßnahmen. Quer durch alle Gewerkschaften. Die Belegschaften drängen.

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