Freie SZ-Autor/innen wehren sich gegen Rechteklau – und nicht nur sie
Der Kress-Report vom 19. Januar 2001 wusste es ganz genau: „Im Text-Recycling“ übe sich künftig die Tochter des Süddeutschen Verlags „SV Online“, meldete der Branchendienst. Und weiter: „35 Mitarbeiter sollen vorhandene redaktionelle Inhalte für die Weiterverwertung aufbereiten und neue erstellen.“ Abnehmer werden demnach neben der Online-Redaktion der Süddeutschen auch „externe Kunden“ sein.
Nur auf indirektem Wege haben die Verfasser/innen der „vorhandenen redaktionellen Inhalte“ vom neuen Geschäftszweig des Verlags erfahren: Seit 1. Januar dieses Jahres ziert jedes „Zahlungsavis“ der „Süddeutschen Zeitung“ an freie Autor/innen ein kleingedruckter Passus mit neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Darin räumt sich die SZ das Recht ein, die einmal bezahlten Texte zu bearbeiten, umzugestalten oder zu übersetzen, sie digital verwerten und das Nutzungsrecht sogar auf Dritte übertragen zu dürfen. Ohne weitere Nachfrage. Ohne Aufpreis.
Das Text-Recycling durch SV-Online ist nur eine der gewinnträchtigen Wiederverwertungsabsichten. Dazu kommt die Absicht verschiedener Großverlage der Republik, über die Presse-Monitor-GmbH maßgeschneiderte Online-Pressespiegel zu vermarkten (vgl. „M“ 1-2/2001).
Wie viele „Freie“ von den neuen AGB betroffen sind, ist völlig unklar. Der Verlag hat bislang das Teile-und-herrsche-Prinzip erfolgreich angewendet. Inzwischen haben sich Betroffene über eine Mailingliste vernetzt (mehr unter: www.Journalistenverteiler.de). Dank der Unterstützung des SV-Betriebsrats gab es eine erste Info-Veranstaltung zum Urheberrecht im Verlag. Was sich herauskristallisiert:
Betroffen sind freie Autor/innen und Fotograf/innen gleichermaßen: Statt von „Texten“ spricht eine AGB-Variante jetzt von „Werken“. Viele Pauschalist/innen mussten dem Rechteklau schon vor längerer Zeit vertraglich zustimmen.
- Manche Autor/innen haben ein Mal, einige bereits zwei Mal Vertragsentwürfe der SZ zum Verzicht auf die Nutzungsrechte erhalten. Zusätzliches Geld wurde weder den Kolleg/innen angeboten, die für 0,50 DM bis 0,80 DM pro Zeile (!) für Landkreisausgaben arbeiten, noch den Fachjournalist/innen, denen die neuen AGB zeitgleich mit einer bereits vorab zugesagten Honorarerhöhung auf 2,70 DM pro Zeile mitgeteilt wurden.
- Beschwichtigende Briefe von Chefredakteur und einigen Redaktionsleitern an „aufmüpfige“ SZ-Freie gehen an der Sache vorbei: Mit Online-Zeitungen ließe sich (noch) nichts verdienen, heißt es da unter anderem. Das ist richtig, aber der Verlag erschließt ja andere sprudelnde Geldquellen (s.o.).
- Die SZ steht mit ihrer Praxis nicht allein: „Freie“ von Handelsblatt-, Springer-, Ullstein- und FAZ-Verlag haben entschädigungslose Rechteabtretungsverträge mit ähnlichen bis identischen Formulierungen erhalten.
Gegenwehr
Auf der Veranstaltung im Süddeutschen Verlag informierten Veronika Mirschel (IG Medien) und Frauke Ancker (Bay. Journalistenverband) über wichtige Schritte der Gegenwehr:
- Wer eine Honoraranweisung mit entsprechenden AGB erhält, muss postwendend widersprechen, und das jedes Mal neu.
- Darüber hinaus kann defensiv oder offensiv reagiert werden. Defensiv, d.h.: Kein Papier unterschreiben, das den kostenlosen Rechteklau ermöglicht, und auf das neue Urheberrecht warten. Offensiv, d.h.: Nach dem Grundsatz „Keine Nutzung ohne Vergütung“ dem Verlag detailliert mitteilen, welche Rechte zu welchen Bedingungen abgetreten werden. Als Basis kann gelten: Der übliche Zeilenpreis deckt das einfache Nutzungsrecht ab, für die jeweils tagesaktuelle Nutzung in SZ-Online, nur für den Tag des Erscheinens der Printausgabe, nicht zur Archivierung. Alles weitere: siehe unten.
- So eigenartig es klingt: Freie („Unternehmer/innen“) dürfen sich nach geltender Gesetzeslage nicht mit Kollektivforderungen wehren: Das verstieße gegen das Kartellrecht!
- Jede/r, der bereits einmal der Abtretung der Nutzungsrechte zugestimmt hat, kann dies für zukünftige Aufträge widerrufen.
- Einige Wort- und Bild-Journalistinnen haben sich für die ungenehmigte Online-Nutzung ihrer Werke durch Verlage beachtliche Nachzahlungen erstritten.
- Das neue Urheberrecht lässt auf sich warten: Verleger und Börsenverein des deutschen Buchhandels machen kräftig Lobbyarbeit für ihre Interessen. Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin hat sich konkrete Berichte über die Lebenslage freier Autor/innen und Fotograf/innen gewünscht: Diese Chance sollten viele nutzen und direkt ans Ministerium schreiben. Zweite Möglichkeit: Die Postkartenaktion der IG Medien, Näheres unter: www.igmedien.de.
Forderungen
Weitere Initiativen, Argumentationen und Forderungen werden diskutiert:
- Einzelvertragliche Forderungen. Die Mittelstandsgemeinschaft Journalismus hat für die digitale Zweitverwertung von Texten detaillierte Empfehlungen für Honoraraufschläge entwickelt.
Unter: www.mediafon.net/tarife.php3. Außerdem können Freie inhaltliche Hürden für die Weitervermarktung vereinbaren. Z.B.: Der jeweilige Verlag garantiert, dass Artikel nur in verfassungskonformen und nicht in rechtsradikalen Medien nachgedruckt werden. Es muss bei jedem Nachdruck (auch im Internet) erkennbar bleiben, wo und wann ein Artikel erstmals erschien. Zum einen, weil Informationen ein Verfallsdatum haben, zum zweiten, weil man oft gegenüber Gesprächspartnern im Wort steht (Für wen schreiben Sie?). Der Verlag übernimmt alle Kosten einer juristischen Auseinandersetzung, sollte durch das Kürzen, Übersetzen oder Umschreiben eines Texts eine Rechtsverletzung entstehen. - Günstigere Abmachungen von Promis mit Verlagen ausmachen und für die eigene Argumentation und Aktion nutzen.
- Einbindung der festangestellten Redakteure. Sie sind, bei der SZ oder anderswo, ebenfalls betroffen: Wie geht der Verlag mit ihren eigenen Urheberrechten um? Was tun sie, wenn professionelle Freie die Mitarbeit aufkündigen, weil sie den Rechteklau nicht mitmachen wollen? Wie reagieren sie, wenn der Verlag verbietet, „unbotmäßige“ Freie weiter zu beschäftigen?