Massiver Druck

Interview mit dem WDR-Personalratsvorsitzenden endelin Werner

?Was steckt hinter den Outsourcingplänen beim WDR?

Werner: Die Auslagerungsbestrebungen gehen zurück auf Forderungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, die dies als generelle Richtung zur Kostensenkung empfohlen hat.
Jetzt kommt jeder Intendant und lagert aus, damit er etwas vorzuweisen hat bei den Politikern.
Ich glaube, der Hintergrund ist ein anderer: Alle Bonner Parteien scheinen sich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verabschieden, sie stützen die Bertelsmann-Kirch-Allianz, denn nur sie hat Chancen, auf dem internationalen Markt mitzuspielen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk taugt nicht zum Global Player.
Das gibt natürlich niemand zu. Jeder Politiker tritt gerne als Lordsiegelbewahrer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf. Dafür fängt man in der Praxis schon immer an, die Anstalten zu zersägen, in kleine, zum Teil schon privatisierte, Häppchen zu zerlegen. Das ist der Hintergrund dieser Outsourcing-Mode. Betriebswirtschaftlich macht das meistens überhaupt keinen Sinn.
Für uns Beschäftigte ist das natürlich bitter. Es ist ein massiver Angriff auf unsere Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen. Für die Journalisten ist es ein massiver Angriff auf die Reste von unabhängiger Berichterstattung.

? Nun sagt der Intendant des WDR, Pleitgen, aber, er möchte durch eine Verschlankung den WDR retten, damit man nicht nach dem Jahr 2000 den Sender abschafft mit dem Argument, es sei ein uneffektiver Moloch. Also Outsourcing zur Rettung der Anstalt. Glaubst Du ihm das nicht?

Werner: Es ist keine Frage des Glaubens. Entscheidend ist, daß es falsch ist, und ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen hier im WDR halten es für falsch. Denn ein kleiner, angeblich schlanker, aber auch schwacher WDR mit weniger Kollegen, die sich wehren können, ist natürlich einfach leichter zu beseitigen.
Die Frage ist, wie man die Absicht der Politiker einschätzt. Sind sie durch ein Opfer von 200 oder 500 Arbeitsplätzen zu besänftigen und wohlzustimmen? Ich glaube, jedes Opfer führt nur zu neuen Begehrlichkeiten.
Diese ganzen Maßnahmen sparen nichts. Allenfalls dann, wenn man die neu eingestellten Beschäftigten in diesen neuen GmbHs zu absolut abartigen Arbeitsbedingungen beschäftigt, mit ausufernden Arbeitszeiten, mit wesentlich geringeren Gehältern, mit einem wesentlich verschlechterten Kündigungsschutz gegenüber heute.

? Nun hat der WDR ja mehrfach versprochen, es soll niemandem schlechter gehen, der rübergeht in eine neue GmbH.

Werner: Das sagen sie alle. Der günstigste Fall beim Outsourcing wäre, daß die alten Tarifbestimmungen und Arbeitsbedingungen für die Übergewechselten weitergelten, und zwar dynamisiert. Aber die ehemaligen WDR-Beschäftigten kommen da unter massiven Druck, daß sie die Arbeitsbedingungen akzeptieren, die man den neuen Kolleginnen und Kollegen aufzwingt. Sie werden über kurz oder lang als „die alten Schnarchsäcke vom WDR“ gelten, die die arme GmbH daran hindern, endlich in die Gewinnzone zu fahren. Das gibt dann ein Mobbing ohne Ende gegen diese Kollegen. Also auch im günstigsten Fall geht es ihnen schlechter.
Ein ganz übles Argument für das Outsourcing hört man von den Hierarchen hier nur hinter vorgehaltener Hand, noch nicht einmal vom Intendanten selbst. Sie sagen: „Es bleibt uns gar nichts anderes übrig als diese Bereiche outzusourcen, denn eine innere Umorganisation, die durchaus Kräfte bündeln könnte und vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle Kräfte für neue Aufgaben freisetzen könnte, die ist nicht möglich, dazu ist unsere Hierarchie zu verkrustet“.

? Sind die Strukturen verkrustet? Arbeiten Abteilungen uneffektiv? Müßte sich was ändern?

Werner: Es gibt beim WDR eine große Zahl von Arbeiten, die werden von den Kolleginnen und Kollegen einfach gemacht, weil sie notwendig sind. Die fragen dann nicht: „Darf ich das, ist da denn kein Chef übergangen worden?“ Sie überwinden die Abteilungs-, Hauptabteilungs- und Direktionsgrenzen, indem sie sich kurzschließen und ihre Arbeit machen. Dort, wo die Hierarchie sich in die Arbeitsabläufe einmengt, hat man massiv Sand im Getriebe und in der Tat auch sehr viele Hemmnisse, das muß man sagen. Beim Westdeutschen Rundfunk können wir das auf so interessanten Gebieten beobachten wie den EDV-Aktivitäten, die sich über mehrere Direktionen und Hauptabteilungen in ihrer Aufgabenstellung erstreckt. Das führt zu vielen Reibungsverlusten.

? Gibt es nicht auch Vorteile von Outsourcing? Also, eine Firma könnte dann anfangen für andere Auftraggeber zu arbeiten, um den Verlust des WDR zu senken oder Profit zu machen?

Werner: Es ist nicht die Aufgabe von öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Dienstleistungen zu verkaufen, er darf es offensichtlich, wie die Juristen festgestellt haben, auch gar nicht. Genau so wenig wie eine Stadtverwaltung plötzlich aus Jux und Dollerei eine Autogroßhandlung aufmachen darf, darf auch der WDR jetzt ein Gebäudemanagement für Dritte betreiben. Er darf allenfalls Randnutzungen bieten, also etwa den Friseur mit betreuen, der im WDR-Gebäude untergebracht ist.

? Aber es wäre doch praktisch, wenn ein leerstehendes Studio, was vom WDR gerade nicht genutzt werden kann, an jemand anderes vermietet werden kann.

Werner: Das passiert doch längst. Der WDR hat in Köln-Bocklemünd diverse Studios, die er über die unterschiedlichsten Konstruktionen vermietet oder beistellt. Die Firma „tv mobil“ residiert in Bocklemünd, hat dort Geschäftsräume. Das ist eine Enkeltochter des WDR über die Bavaria.

? In der Veranstaltung der IG Medien hat Rechtsanwalt Welkoborsky gesagt, Outsourcing kann man verhindern, wenn Gewerkschaft und Betriebsrat genau dieselben Bedingungen für Beschäftigte in den neugeschaffenen GmbHs aushandeln – und wenn kaum jemand Einzelverträge unterschreibt.

Werner: So ist es.

? Wie siehst du die Chancen dafür?

Werner: Ich halte die für nicht schlecht. Die Kollegen haben ein ganzes Jahr schon diskutiert, und zwar nicht unpolitisch oder „besitzständlerisch“. Sie haben immer wieder deutlich gemacht in Briefen an den Intendanten, in Erklärungen auf der Personalversammlung, es geht ihnen nicht um 50 Pfennig mehr oder weniger, es geht ihnen um den Bestand von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Es geht ihnen um die Verteidigung der Reste der Unabhängigkeit, die man in diesem System noch hat. Die Haltung der Kolleginnen und Kollegen ist sehr politisch, aber durchaus in ihrem eigenen Interesse.
Niemand kann sagen, ob es uns gelingt, das Outsourcing zu verhindern. Bei der Auseinandersetzung geht es darum, wer den größeren Druck ausübt, die Politiker mit der KEF oder die Belegschaft mit dem Personalrat und hoffentlich den Gewerkschaften an der Seite.
Fatal wäre es, wenn man frühzeitig die deutliche Kritik der Kollegen abschwächt oder von Seiten der Gewerkschaft ein Spiel beginnen würde, das die Firma Kienbaum gerne hätte, nämlich hinter dem Rücken der Kollegen Überleitungstarifverträge oder irgendwelche Dienstvereinbarungen abzuschließen. Ich glaube allerdings, daß sich das keine Gewerkschaft beim WDR leisten könnte, so wie die Stimmung gegenwärtig in der Belegschaft ist.

? Siehst Du die Gefahr, daß die IG Medien das macht?

Werner: Die IG Medien ist durchaus nicht einheitlich in ihrer Meinung, das wissen wir alle. Ich sehe die Gefahr im Augenblick nicht, aber es ist nicht auszuschließen, daß die IG Medien oder noch eher eine der anderen Gewerkschaften – wir haben ja eine ganze Reihe – sich genötigt fühlt, in solche Verhandlungen einzutreten. Ich kann dazu nur sagen, das wäre ein riesiger Fehler.

? Und der Personalrat, tritt der in Verhandlungen über Überleitungsregelungen ein?

Werner: Der Personalrat ist in einer anderen Situation. Der Personalrat muß immer verhandeln. Dazu ist er sozusagen gesetzlich verpflichtet. Die Frage ist, welchen Regelungen er zustimmt. Und in der gegenwärtigen Situation, auch bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Personalrat, kann ich mir nicht vorstellen, daß er einer Regelung zustimmt, die das Outsourcing der Abteilungen zur Folge haben würde. l

Mit Wendelin Werner sprach für „M“ Ullrich Schauen

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