Plötzlich kamen sie aus den Fluren und Treppenhäusern. Selbst der Paternoster spuckte im 10-Sekundentakt erboste Mitarbeitende aus. Viele von ihnen hatten neben Trillerpfeifen und Tröten Plakate dabei: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit – egal ob Fest oder Frei! Faire Honorare im Programm!“ Premiere hatte das vielleicht größte ver.di-Transparent, das jemals im öffentlich-rechtlichen Sender an der Berliner Masurenallee entrollt wurde, über vier Stockwerke hoch!
Zum ersten Mal hatten am 6. Februar mehr als 100 freie Kolleginnen und Kollegen im Lichthof des RBB, Haus des Rundfunks, lautstark und phantasievoll ihrem Unmut über den längst überfälligen RBB-Honorarrahmen Luft gemacht. Stellvertretend für viele andere im Sender. Denn die Hälfte der rund 3600 Beschäftigten im RBB sind freie Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als 14 Jahren warten sie auf gerechte und faire Honorare, verhandeln die Gewerkschaften mit der Sendeanstalt die schon längst überfällige Überarbeitung und Harmonisierung des Honorarrahmens. Denn seit der Fusion der Sender ORB und SFB im Jahre 2003 zum Rundfunk Berlin-Brandenburg gibt es eine kaum noch zu überblickende Vielzahl an Honorarpositionen und Unterspiegelstrichen in den jeweiligen Redaktionen und Hörfunkwellen. Die einen sprechen von gewachsenen und etablierten Strukturen. Die anderen von ungerecht verteilten Honoraren. Mal wird etwa nach Länge und Stück, mal nach Aufwand gezahlt. Daraus ergeben sich zum Teil erhebliche Unterschiede.
Grundsätzlich waren sich alle Tarifparteien einig, dass dieser ungute Zustand beseitigt werden muss. Allerdings hatten die Verhandlungen in den letzten Jahren gestockt und fanden letztlich faktisch gar nicht mehr statt, weil der RBB nicht einmal Verhandlungstermine anbieten konnte oder wollte. Dann aber nach langem Drängen der Gewerkschaften und wohl auch der neuen Intendantin Patricia Schlesinger legte der RBB im Dezember 2017 zum ersten Mal den Entwurf eines neuen wesentlich vereinfachten Honorarrahmens vor. Der Vorschlag mit konkreten Zahlenwerten und Summen zog nicht nur der gewerkschaftlichen Verhandlungsgruppe, sondern auch den RBB-Freien die Schuhe aus. Zum Beispiel: Das Mindesthonorar für Redaktions- oder Reporterdienste sollte auf 205 Euro pro 8-Stunden-Tag festgesetzt werden. Weil im neuen Honorarrahmen auch die Preise für Autorenstücke an die Tagesdienste gekoppelt sind, würden sich künftig auch die Werkhonorare auf diesem Niveau bewegen. Oder: In einem Fernsehteam aus drei Freien bekäme der Kameramensch 272 Euro, der EB-Techniker 210 Euro, der Reporter aber gerade einmal 205 Euro.
Die Empörung war und ist seitdem in allen Berliner und Brandenburger Häusern des RBB groß. In einer ersten Reaktion teilten die Gewerkschaften mit, dass ein solch unverschämter Vorschlag nicht verhandelbar sei. Ein offener Protest-Brief an die Intendantin wurde in kürzester Zeit von mehr als 500 Kolleginnen und Kollegen unterzeichnet. „Wir sind freie Autorinnen, Assistentinnen, Reporter, Redakteurinnen und Moderatoren – wir machen die Nachrichtenbeiträge, Dokumentationen, Features und Reportagen im RBB, schreiben die Drehbücher, Online-Texte oder Moderationen. Kurz: Wir machen das Programm! Ohne uns würde beim RBB Funkstille herrschen – im Fernsehen, Radio und auch online! Gemeinsam haben die Honorare im Programm nur eins: Sie liegen durchweg unter der Bezahlung unserer festangestellten Kolleginnen und Kollegen, die oftmals dieselbe Arbeit machen wie wir. Den Vorschlag der RBB-Geschäftsleitung für neue Honorare im Programm empfinden wir als Ausdruck der Geringschätzung unserer Arbeit. Ein gutes Programm kann es nur bei gerechter Bezahlung geben. Deshalb fordern wir Sie auf: Zeigen Sie uns Ihre Wertschätzung! Machen Sie endlich ein Angebot für faire Honorare im Programm!“, heißt es in dem Brief. Frau Schlesinger musste reagieren. Bereits wenige Zeit später im Januar 2018 zog der RBB das erste Verhandlungsangebot – bisher ersatzlos – zurück. Da es kein neues gibt, kann auch nicht weiterverhandelt werden. Aber die Gewerkschaften drängen auf eine gute Lösung. Also hat man sich für den 23. Februar 2018 zu einer langen hoffentlich konstruktiven Sondierungs-Klausur verabredet. Ende offen. Klar ist aber, solange sich der RBB nicht deutlich in Richtung höhere und gerechtere Honorare bewegt, wird es zumindest mit ver.di keinen neuen Honorarrahmen geben. Und: Die Freien im RBB sind mehr als nur sauer, die Proteste werden mit Sicherheit weitergehen!