Recht auf gleichen Lohn muss Bringschuld sein    

Tina Groll, Redakteurin bei Zeit Online und Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Foto: Stephanie von Becker

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem Paukenschlag das Recht von Frauen auf gleichen Lohn wie für männliche Kollegen gestärkt – ein Gesetz wäre aber noch besser als ein Urteil.

Kürzlich war es wieder so weit: Einen Tag vor dem Internationalen Frauentag am 8. März wurde in Deutschland am 7. März der Equal Pay Day gefeiert. Gefeiert ist dabei das falsche Wort, denn der Tag markiert ja bekanntlich die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern und damit die Zeit seit Jahresbeginn, in der Frauen quasi unbezahlt arbeiten, vergleicht man ihre Einkommen in Vollzeitjobs mit den Einkommen der Männer. Es hat allerdings schon einige Verbesserungen gegeben: Vor einigen Jahren noch fiel der Equal Pay Day auf einen Tag Ende März. Der Gender Pay Gap ist kleiner geworden und betrug im vergangenen Jahr 18 Prozent.

Frauen bekamen mit durchschnittlich 20,05 Euro einen um 4,31 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer mit 24,36 Euro. Jedoch taugt der Vergleich des sogenannten unbereinigten Gender Pay Gaps nicht so viel – weil Frauen bekanntlich seltener in Führungspositionen und häufiger in strukturell schlecht bezahlten Berufen arbeiten. Und wenn man sich die Monatslöhne von Männern und Frauen ansieht, dann ist der Gender Pay Gap aufgrund der überwiegenden Teilzeitarbeit von Frauen noch viel höher. Das Ganze setzt sich fort mit dem Gender Wealth Gap – Frauen haben weniger Vermögen als Männer, dem Gender Pension Gap – Frauen bekommen die niedrigere Rente und sind häufiger von Altersarmut betroffen. Und nicht zu vergessen der Gender Care Gap – Männer verrichten quasi nur in homöopathischen Dosen unbezahlte Sorge- und Hausarbeit.

Das ist auch im Journalismus nicht anders. Frauen fehlen an der Spitze der Redaktionen, arbeiten häufiger Teilzeit und sind auch im Jahr 2023 häufiger in den vermeintlich “weichen” Ressorts und Medien zu finden. Und sie haben aus all diesen Gründen auch die geringeren Löhne. Im Journalismus kommt noch hinzu: Frauen arbeiten häufiger als freie Journalistin – und haben, auch weil die Honorare für Freie oft nicht üppig sind, ein geringeres Einkommen. Das Arbeitsverhältnis als Freie war auch im Fall der Kollegin und Investigativjournalistin Birte Meier, die seit Jahren einen aufsehenerregenden Prozess für Lohngleichheit gegen das ZDF führt, immer wieder Argument der Arbeitgeberseite, nicht den gleichen Lohn zahlen zu müssen.

Doch nun hat das Bundesarbeitsgericht mit einem richtungsweisenden Urteil den Anspruch von Frauen auf gleiche Bezahlung gestärkt. Demnach müssen Arbeitgeber, wenn sie höheren Lohnforderungen von Mitarbeitern nachgeben, diesen Lohnzuwachs auch den gleich qualifizierten Mitarbeiterinnen zugestehen (Az: 8 AZR 450/21). Zwar ging es im konkreten Fall um eine Vertriebsmitarbeiterin bei einem Metallunternehmen – übertragbar ist das Urteil dennoch auf andere Branchen, denn die höchsten Arbeitsrichterinnen und -richter entschieden, dass ein angeblich besseres Verhandlungsgeschick eines Mitarbeiters keine Diskriminierung einer anderen Mitarbeiterin bedeuten dürfe.

Verhandlungsgeschick ist daher kein Argument mehr, um Frauen schlechter zu vergüten als Männer – das gilt für Festangestellte wie für Freie. Das Urteil ist richtig und wichtig. Aber es braucht noch mehr: ein Gesetz für gleichen Lohn zum Beispiel. Die bisherigen gesetzlichen Grundlagen sind keineswegs ausreichend. Das Entgelttransparenzgesetz etwa, das vor einigen Jahren eingeführt wurde, gilt nur für große Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten und gibt den Mitarbeitenden auch nur einen Auskunftsanspruch, sofern es eine größere Anzahl an Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit gibt. Es ist unbrauchbar für die meisten Redaktionen.

Besser mit Tariflöhnen

Gäbe es ein Gesetz für gleichen Lohn, wären Arbeitgeber zudem in der Bringschuld – sie müssten dann erklären, warum eine Mitarbeiterin weniger Geld bekommen soll als ein Mitarbeiter mit dem gleichen Job.

Was es aber außerdem braucht, ist eine stärkere Tarifbindung: Denn da wo Tariflöhne bezahlt werden, kommt es viel seltener zu Lohndiskriminierung. Tarife schützen Beschäftigte außerdem davor, dass ihr vermeintliches Verhandlungsgeschick maßgeblich für den Erfolg in der Gehaltsverhandlung ist. Gut untersucht ist, dass Frauen sich in der Regel schlechtere Verhandlungskompetenzen zuschreiben, ihren Marktwert geringer einschätzen als Männer und ihnen zudem hohe Forderungen eher negativ ausgelegt werden – in der Regel aufgrund unbewusster tradierter Rollenmuster.

Gewerkschaften sollten sich daher neben der Tarifarbeit auch für ein Recht auf gleiche Bezahlung stark machen und Frauen noch stärker empowern. Damit wir den Equal Pay Day mit Silvester feiern oder ganz abschaffen können.

 

 

 

 

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