Tarifflucht verhindert – Wichtiges Signal für die Tariflandschaft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Etwa 150 Kolleginnen und Kollegen des Westdeutschen Rundfunks haben bewiesen: Es ist nicht nur möglich, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Streik zu führen – man kann auch Erfolg damit haben.
Mit dem ersten Streik in der fast 50jährigen Geschichte des WDR erreichte die Auseinandersetzung um die tarifliche Einbindung der ausgelagerten Gebäudetochter den Höhepunkt. Tags darauf lenkte WDR-Intendant Pleitgen nach einem vierstündigen „Spitzengespräch“ ein: Er wies den Geschäftsführer seiner Gebäudemanagement GmbH an, mit der IG Medien und den anderen im WDR vertretenen Gewerkschaften über einen Mantel- und einen Vergütungstarif zu verhandeln.
Damit zeichnete sich am 10. März eine Lösung für die seit drei Jahren geführte Auseinandersetzung um die Auslagerung von drei WDR-Abteilungen ab. Die Einigung sieht vor, daß die im WDR vertretenen Gewerkschaften (IG Medien, DAG und DJV) auch Tarifpartner der ab 1. 4. tätigen Gebäudemanagement GmbH werden. Damit ist die Drohung des WDR, mit der Tochterfirma in die Gebäudewirtschaftsbranche abzuwandern und die übergeleiteten Beschäftigten damit möglichst weit weg von der Rundfunk-Mutter anzusiedeln, erfolgreich durchkreuzt worden. Gleichzeitig werden die Gewerkschaften mit dem WDR einen „Rechtssicherungsvertrag“ schließen. Darin sichert der WDR den übergeleiteten Beschäftigten die Fortgeltung aller Tarifverträge sowie der WDR-Dienstvereinbarungen zu. Die GmbH soll über den Umweg des abzuschließenden Manteltarifvertrages Partner dieser Vereinbarung werden. Schließlich wollen WDR und Gebäudetochter dem Betriebs- und dem Personalrat die gegenseitige Information „ermöglichen“.
Im Gegenzug mußten sich die Gewerkschaften allerdings bereitfinden, die von der Beratungsfirma Kienbaum behaupteten „Einsparungen durch Tarifwechsel“ durch die Gestaltung des Mantel- und des Vergütungstarifvertrages zu realisieren. Das bedeutet eine erhebliche Absenkung des Tarifniveaus für neueinzustellende MitarbeiterInnen und war für die IG Medien eine nur schwer zu schluckende Kröte.
Verhandlungen kurz vor dem Scheitern
Bereits im Januar standen die Verhandlungen vor dem Scheitern. Der WDR forderte vehement, zunächst einen „Rechtesicherungsvertrag“ abzuschließen, der aber lediglich die individuelle Anwendung der WDR-Tarifverträge für die übergeleiteten Mitarbeiter vorsah. Folge: Die Einhaltung der – in weiten Teilen nur kollektiv wirkenden – Bestimmungen wäre weder durch den Betriebsrat der GmbH noch durch die Gewerkschaften zu überwachen gewesen. Die einzelnen Beschäftigten hätten ihre individuellen Ansprüche alleine, notfalls vor Gericht durchsetzen müssen – ein in der betrieblichen Praxis undenkbares Verfahren. Der WDR wollte weder konkrete Verfahrensregeln noch die abgesicherte Zusammenarbeit von WDR-Personalrat und GmbH-Betriebsrat. Er erklärte die Frage, ob zukünftig Rundfunk-Tarifverträge mit der GmbH abgeschlossen werden sollten wieder für völlig offen – obwohl Verwaltungsdirektor Seidel selbst den Gewerkschaften einen Manteltarif-Entwurf für die Tochter vorgelegt hatte. Der frisch bestellte GmbH-Geschäftsführer Dieter Mahlberg, pikanterweise früher DGB-Landesvorsitzender und WDR-Verwaltungsrat, erklärte vollmundig, er überlege noch, welche Branchentarifverträge er anwenden wolle.
IG Medien und die betroffenen Beschäftigten allerdings hatten nicht die Absicht, dies ins Belieben des EX-DGB-Chefs zu stellen. Nachdem auch die Februar-Verhandlungen, die bereits von Protesten der Belegschaft begleitet wurden, keinerlei Ergebnis brachten, erklärten die Gremien des Betriebsverbands der IG Medien das Scheitern der Verhandlungen. Sie beantragten beim Hauptvorstand die Einleitung von Kampfmaßnahmen.
Den Kolleginnen und Kollegen war klar: WDR und Gebäude-GmbH wollten sich über den 1. 4., den Termin des Betriebsübergangs retten. Der hätte die gemeinsame Durchsetzung der Tarifziele mindestens erschwert. Deshalb informierte die IG Medien am 4. März in einer Versammlung über Streikrecht und Streikmöglichkeiten. Am Morgen des 9. März war es soweit: Der erste Warnstreik in der Geschichte des Kölner Senders sollte Bewegung in die Verhandlungen bringen und dem WDR zeigen, daß es Gewerkschaften und Beschäftigten ernst ist mit ihren Forderungen.
Kompromiß nach dem Warnstreik
Als der Vorsitzende der IG Medien in NRW, Franz Kersjes und seine Kollegen von DAG und DJV am 10. März zu einem Spitzengespräch mit WDR-Intendant Pleitgen zusammentrafen, zeigte dieser sich zunächst weiter von der harten Seite. Erst als die Delegation unmißverständlich klar machte, daß ohne Einigung mit den Gewerkschaften weitere Streiks unvermeidlich wären, lenkten WDR und Gebäudemanagement-Tochter ein.
Der jetzt erzielte Kompromiß ist kein Grund zum Jubeln. Er bedeutet jedoch auch ein Signal gegen die Zergliederung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in kleine Einheiten, die dann unterschiedlichen Branchen zugeordnet oder einfach ohne Tarifbindung betrieben werden. Der vierstündige Streik beim WDR hat unmißverständlich deutlich gemacht, daß sich die Sender-Belegschaften gegen Spaltung und Tarifflucht unter der Flagge des Outsourcing zur Wehr setzen werden.