Kooperation statt Konkurrenz

Ein Jahr weltweite Journalistenplattform Hostwriter – dju ist Partner

„Wäre es nicht großartig, eine Suchmaschine zu haben für Kollegen in aller Welt?“ Diese Idee verwirklichten die drei deutschen Journalistinnen Tabea Grzeszyk, Tamara Anthony und Sandra Zistl vor einem Jahr mit Hostwriter, einer Non-Profit-Plattform, die mittlerweile über 1.100 Mitglieder aus 73 Ländern vernetzt.

Unter dem Motto „Find a story, find a colleague, find a couch“ unterstützt das Netzwerk Medienschaffende dabei, gemeinsam Themen zu bearbeiten und zu recherchieren, Hintergrundinfos und Kontakte auszutauschen oder einen Schlafplatz bei Kollegen zu finden. Budgetkürzungen in den Redaktionen und Ellenbogenjournalismus wollen die drei Gründerinnen mit einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit begegnen: „Kooperation statt Konkurrenz“.

Journalisten, Blogger und Dokumentarfilmer können sich registrieren lassen, wenn sie durch Arbeitsproben nachweisen, dass sie journalistisch tätig sind. Mitglieder von kooperierenden Journalistenverbänden wie der dju in ver.di dagegen werden mit einem Einladungs­code automatisch freigeschaltet. Den Kontakt ermöglicht eine Suchmaske im „globalen Adressbuch“ mit Angaben zu Themenschwerpunkten, Medium, Sprachen und Wohnort der registrierten Hostwriter.

„Der größte Batzen der Mitglieder“ stammt mit über 650 aus Deutschland, sagt Tabea Grzeszyk, denn hier startete das Trio, das sich aus dem Journalists Network kennt, mit seinen privaten Kontakten. Danach folgten europäische Länder wie Großbritannien, dann die USA, Indien, Ägypten, Mexiko, Türkei und Irak. Auf die Frage, welche Kooperationen zwischen Medienschaffenden über Hostwriter entstanden sind, antwortet sie: „Wir tracken derzeit aus Datenschutzgründen nicht, arbeiten aber daran, in Zukunft besser zu verfolgen, wie Hostwriter genutzt wird – aber ohne Google Analytics.“
Neben der „Demokratisierung von Kontakten“ geht es auch darum, die journalistische Qualität der (internationalen) Berichterstattung zu steigern. „Die Welt globalisiert sich und der Journalismus muss das auch“, meint Sandra Zistl. Durch länderübergreifende Recherchen könnten „andere Geschichten erzählt“ werden – etwa über Migrationsströme, globale Arbeitsbedingungen von Putzfrauen oder Kindermädchen, so ihre Kollegin Tabea Grzeszyk.

Gute Kooperationen und Berichterstattung werden mit dem Hostwriter-Preis ausgezeichnet, der im vergangenen Jahr erstmalig vergeben wurde. Gewinner war das Climate News Mosaic mit Journalistinnen und Journalisten aus Brasilien, Costa Rica, Deutschland, Italien, Israel, Kanada, Philippinen, Großbritannien, USA und Swaziland, die über den Klimawandel weltweit berichten. Bewerbungsschluss für den mit mehreren tausend Euro dotierten Hostwriter-Preis 2015 ist der 31. Juli.

Alle Hostwriter verpflichten sich in einem Ethikkodex, die Plattform nicht für berufsfremde Zwecke zu missbrauchen, etwa für Übernachtungssuche oder Datings. Mittels der Funktion „Report a Violation“ kann man Missbräuche melden. So soll etwa verhindert werden, dass Stringer in Entwicklungsländern ausgenutzt werden, indem sie nur wenig Geld für Infos bekommen und ihr Name in einem Beitrag ungenannt bleibt. Bisher sei noch kein Ethikverstoß gemeldet worden, sagt Grzeszyk, aber beim
Honorarteilen gebe es noch „Gesprächsbedarf“.

Der Service ist kostenlos, denn die Gründerinnen arbeiten ehrenamtlich und die Aufwendungen werden zurzeit durch Stiftungsgelder finanziert. Wegen des großen Interesses an Hostwriter haben die drei engagierten Journalistinnen, die das Netzwerk nicht zu ihrem Hauptjob machen wollen, im Juni Managing Director Kate Edwards und Felix Franz für ihre Berliner Geschäftsstelle eingestellt. Damit Hostwriter trotz steigender Ausgaben weiterhin „for free“ genutzt werden kann und der Service nicht nur von den Stiftungsgeldern abhängig ist, wird jetzt „ein Geschäftsmodell entwickelt, das langfristig den Non-Profit-Bereich mittragen soll“, so Sandra Zistl.

dju in ver.di: Partner von Hostwriter

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di ist Partnerorganisation der gemeinnützigen Plattform hostwriter.org. Als Partnerorganisation hat sie für ihre Mitglieder einen Zugangscode für die Anmeldung auf der Plattform erhalten. Der Einladungscode wurde per Mail an alle Mitglieder versandt. Mit diesem Code ist es möglich, sich auf hostwriter.org zu registrieren und ein eigenes Profil anzulegen. Wer in seinem Profil angibt, Mitglied der dju zu sein, kann später von anderen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland und der Welt auch als dju-Mitglied gefunden werden und nach anderen dju-Mitgliedern, die auf hostwriter registriert sind, suchen.

http://hostwriter.org

http://blog.hostwriter.org/apply-for-hostwriterprize/

http://dju.verdi.de/ueber-uns/nachrichten

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »