Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
Mit seinen konstanten Verweisen auf „die da oben“ bedient Kickl klassische Muster rechtspopulistischer und extrem rechter Rhetorik. Wie andere Parteien und Bewegungen aus diesem Spektrum inszeniert sich auch die FPÖ als alleiniger Repräsentant eines vermeintlichen authentischen „Volkswillens“, der durch ein etabliertes System aus Politik und Medien kleingehalten werde. Zuletzt verfing diese Art der Demagogie bei immerhin bei 28 Prozent der wahlberechtigten Österreicher*innen. Aus den Nationalratswahlen Ende September sind die Freiheitlichen damit als stärkste Kraft hervorgegangen. Ob es zu einer Regierungsbeteiligung der FPÖ kommt, ist derzeit nicht ausgeschlossen.
Gefahr einer autoritären Entwicklung
„Die Medienschelte war ein zentrales Thema des FPÖ-Wahlkampfes“, sagt Luis Paulitsch, Medienethiker und bis 2024 Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien. Insgesamt sieht Paulitsch die Diskreditierung der etablierten Medien als Ausdruck einer langfristigen Strategie: „Der FPÖ geht es darum, ihren eigenen politischen und gesellschaftlichen Einfluss auszubauen. Unabhängige Medien werden dafür als hinderlich wahrgenommen“, so Paultisch.
Eine besondere Faszination übe bei den Freiheitlichen der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán aus. Was etwa Kickls öffentliche Ankündigung „Machen wir’s dem Orbán nach“ tatsächlich auch für die Medienlandschaft bedeuten würde, sei in der öffentlichen Debatte „bislang nicht intensiv genug diskutiert“ worden, so Paulitsch. Gerade die bürgerlichen Leitmedien im Printbereich würden die Gefahr einer autoritären Entwicklung Österreichs nur selten offen ansprechen.
„In ihrer Medienstrategie hat es die FPÖ seit langem schon vor allem auf den ORF, den öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunk, abgesehen“, sagt Nina Horaczek, Chefreporterin der linksliberalen Wiener Zeitung Falter. Ins Visier geraten dabei auch einzelne kritische Journalist*innen. Öffentliche Diffamierungen von bekannten ORF-Moderatoren wie Armin Wolf gebe es schon seit langem. Doch gerade unter Kickl habe sich die medienfeindliche Rhetorik „nochmals verschärft“ und sei stärker mit Verschwörungserzählungen verbunden worden, so Horaczek, die seit vielen Jahren zum Thema Rechtsextremismus in Österreich publiziert.
Mediale Parallelöffentlichkeit
Dass die Freiheitlichen so selbstbewusst agieren, liegt auch am Erfolg ihrer Medienarbeit. „Im Zuge der Digitalisierung hat die FPÖ schon sehr früh die Potentiale eigener Medienkanälen erkannt,“ erklärt Paulitsch. Sowohl über Social Media als auch über sogenannte Alternativmedien gelinge es der FPÖ sehr gut, die eigene Sicht direkt und ungefiltert zu vermitteln. „Im Wahlkampf war die FPÖ in den Sozialen Medien mit Abstand die stärkste Partei, auf Facebook zählte Kickl sogar mehr Interaktionen als alle anderen Spitzenkandidaten zusammen“, so Paulitsch.
Für die FPÖ hat die Etablierung einer medialen Parallelöffentlichkeit den Vorteil, auf seriöse Nachrichtenmedien nicht so sehr angewiesen zu sein. „Dadurch konnte Herbert Kickl es sich gerade im Wahlkampf immer wieder erlauben, Einladungen zu bestimmten Fernsehtalkshows abzusagen und stattdessen in handverlesenen Medien aufzutreten“, sagt Nina Horaczek. Das habe regelmäßig auch Auftritte beim „rechtsextremen Verschwörungssender“ AUF1 eingeschlossen. So auch am Wahlabend – an dem es für den Wahlsieger eigentlich zur Konvention gehört, das erste Interview dem ORF zu geben.
Diffamierung des ORF
Beim ORF blickt man auf die Diffamierungen mit Sorge. „Gerade die Berichterstattung zur FPÖ wird uns stark erschwert“, sagt Steffan Kappacher, der dort als innenpolitischer Journalist arbeitet. Bei Parteitagen oder Wahlkampfveranstaltungen befinden sich unabhängige Journalistinnen und Journalisten aufgrund der emotionalisierten Atmosphäre häufig in einer „prekären Situation“. Regelmäßig komme es zu verbalen, mitunter auch zu körperlichen Attacken. Selbst bei regulären Pressekonferenzen sei es als ORF-Journalist schwierig, FPÖ-Vertreter*innen Fragen zu stellen, ohne dass mit irreführenden Gegenfragen und der Unterstellung einer heimtückischen politischen Agenda reagiert werde.
Als „gestandener Journalist“, der „schon ewig im Geschäft“ ist, lässt sich Kappacher von der medienpolitischen Strategie der FPÖ „überhaupt nicht abschrecken“. Doch gerade für junge Kolleg*innen am Beginn ihrer Karriere sei es „mitunter schwierig“, gelassen und produktiv mit den Einschüchterungsversuchen und Diffamierungen seitens der FPÖ und ihr Umfeld umzugehen. Für nicht wenige junge Kolleg*innen seien die aktuellen Entwicklungen in Österreich allerdings auch Ansporn, „genau hinzuschauen“ – und unabhängigen Journalismus „gerade auch zur Verteidigung der österreichischen Demokratie zu machen“.
Rechte gegen Rundfunkgebühr
„Mit einem Koalitionspartner, der die medienpolitischen Forderungen der FPÖ unterstützt, wäre es vorbei mit dem ORF, wie wir ihn kennen“, sagt Kappacher. Das sei den meisten ORF-Mitarbeiter*innen „vollkommen bewusst“. Nina Horaczek verweist in diesem Zusammenhang auf frühere medienpolitische Vorhaben der FPÖ. Gerade das Ibiza-Video, das die von 2017 bis 2019 bestehende ÖVP-FPÖ-Regierung zu Fall brachte, hatte deutlich gezeigt, „wie wichtig der Umbau der österreichischen Medienlandschaft für die FPÖ ist“.
Im Wahlkampf war eine zentrale Forderung der FPÖ die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe. Aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll ein aus dem Staatsbudget finanzierter „Grundfunk“ werden. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre das eine FPÖ-Koalitionsbedingung,“ sagt Paulitsch und verweist auf eine nach dem vorzeitigen der Ende ÖVP-FPÖ-Regierung bekannt gewordene Vereinbarung. Schon damals wollten die Koalitionäre die damalige Rundfunkgebühr abschaffen und das gesamte ORF-Budget aus dem Staatshaushalt finanzieren. „Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des ORF gehabt. Auch über Postenbesetzungen im ORF gab es entsprechende Absprachen,“ sagt Paulitsch.
In ihrem aktuellen Wahlprogramm fordert die FPÖ zudem staatliche Förderstrukturen zur Etablierung von sogenannten alternativen Medienkanälen. „De facto könnte das bedeuten, dass künftig Steuergeld in Pseudomedien fließt, die regelmäßig mit dem Vorwurf von Desinformation und Verschwörungsmythen konfrontiert sind“, sagt Paulitsch. Darüber hinaus sollen öffentlich-rechtliche Aufträge am freien Medienmarkt ausgeschrieben werden, was seriöse Medien weiter schwächen würde. Fest steht: Selbst, wenn die FPÖ nicht Teil der kommenden Regierung werden sollte – allein ihre politischen Forderungen und ihre von Machtfantasien und Opferhaltung geprägte Rhetorik sorgen für eine starke Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Pressefreiheit in Österreich.