Die unendliche Krise des RBB

rbb in Berlin Gebäude

Foto: RBB/Gundula Krause

Der Schock sitzt nach wie vor tief. „2025 wird ein Schicksalsjahr für den RBB“, so die unfrohe Botschaft von Intendantin Ulrike Demmer Ende Januar auf einer Informationsveranstaltung vor der fassungslosen Belegschaft. Was folgte, war ein radikales Sanierungsprogramm für den Sender. Insgesamt 22 Millionen Euro will die Geschäftsleitung am Personal- und Honoraretat einsparen. Das entspricht 10,2 Prozent der bisherigen Aufwendungen und ziemlich genau 254 Vollzeitstellen.

Den Personalabbau werde man „sozialverträglich“ gestalten, sicherte Demmer zu. Dass dabei auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werde, mochte sie nicht versprechen. Ohne massive Programmkürzungen, dürfte ein solcher Personalkahlschlag jedoch kaum abgehen.

Die Intendantin müsse sicherstellen, dass der Sender die nötigen Mittel erhalte, „um seine Programmaufgaben zu erfüllen und gleichzeitig die Arbeitsplätze seiner Mitarbeitenden zu sichern“, forderte Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Die „sogenannte Sanierung“ sei derzeit ein reiner Sparkurs, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen und „spürbare Einschnitte in die Programmqualität“ mit sich bringen werde. Er appellierte an Demmer, sich um die „bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlich beauftragten Senders“ zu kümmern.

Beitragsanpassung unklar

Das allerdings erscheint leichter gesagt als getan. Bekanntlich hatte die Politik die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) empfohlene moderate Beitragsanpassung zum 1. Januar 2025 auf 18,94 Euro verweigert. Eine Erhöhung, die aber von der Intendanz im aktuellen Wirtschaftsplan bereits eingepreist wurde. Sollte sie ausbleiben, würden dem Sender rund 14,5 Millionen Euro jährlich entgehen. Wann das Bundesverfassungsgericht über die von ARD und ZDF eingereichte Klage gegen die Blockade der Länder entscheidet, ist unklar.

Demmer zeichnet ein dramatisches Bild von der aktuellen wirtschaftlichen Situation des RBB. Allein neun Millionen Euro Sparvolumen seien nötig, „um die Zahlungsfähigkeit ab 2026 zu sichern“. Weitere 13 Millionen brauche man, „um die digitale Erneuerung des gesamten Senders fortzuführen und in das Programm investieren zu können“. Details der geplanten Sanierung teilte sie nicht mit.

Die Planung für das aktuelle Haushaltsjahr sei mit Blick auf Inflations- und Zinsentwicklung „risikobehaftet“, hatte die Geschäftsleitung schon zu Jahresbeginn erklärt. Sowohl Sach- als auch Programmaufwand würden gegenüber dem Vorjahr nicht gesteigert. Gleiches gelte auch für die Personal- und Honoraraufwendungen. Hierbei handle es sich um eine „einseitige Willensbekundung des Sender“, räumte die Intendanz ein, die Tarifverhandlungen stünden noch aus. Das Ganze garniert mit einem Appell an „alle Beteiligten“, sich ihrer „besonderen Verantwortung“ bewusst zu sein und „im Wohl des gesamten Hauses“ zu agieren.

Streit um Beendigungs-Tarifvertrag

Nach wie vor weigert sich die Geschäftsleitung, den schon vor einem Jahr ausgehandelten Beendigungs-Tarifvertrag für freie Programmmitarbeiter*innen zu unterzeichnen und in Kraft zu setzen. Obwohl die Zustimmung des Verwaltungsrats seit langem vorliegt, will Demmer neuerdings alle ausstehenden Tarifverhandlungen im Rahmen eines „Zukunftstarifvertrags“ bündeln. Reine Verzögerungstaktik, gar „Erpressung“, schimpft Kathlen Eggerling, zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin.

Bereits Demmers Vorgängerin, Interimsintendantin Katrin Vernau hatte den Sender vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren müssen und die Belegschaft bluten lassen. Sie legte für die Jahre 2023 und 2024 Sparmaßnahmen über 49 Millionen Euro auf, kürzte am Programm und strich rund 100 Stellen. Derzeit beschäftigt der RBB noch 2.900 Mitarbeiter – 1.600 Festangestellte und 1.300 Freie.

Für Unruhe im Sender sorgt vor allem die wenig transparente Informationspolitik der Geschäftsleitung. Über Einzelheiten der geplanten Veränderungen hüllt sie sich einstweilen in Schweigen. Nebulös erscheint bislang etwa der Bestimmungszweck der von Demmer so genannten 13 Millionen Euro „Transformationsgeld“. Nur vage Andeutungen machte Chefredakteur David Biesinger Im RBB-Rundfunkrat: Das lineare Senden werde bald zugunsten der digitalen Reichweite auslaufen, daher müsse rbb24.de gestärkt werden, ebenso Podcasts und die Mediathek.

Für Ende Februar war die Präsentation des Sender-„Zielbilds“ mit Angaben zu programmlichen Veränderungen zugesagt worden. Einstweilen bekannt sind lediglich ein paar Schlagworte, etwa die Ambition, das Profil des RBB vom Hauptstadt- mehr in Richtung „Heimatsender“ zu verschieben. Sprich: mehr ins Regionale zu gehen. Auch strebt man den Übergang von einer Sende- zu einer Dialogplattform an.

Unsichere Zukunftsaussichten

Aber weder die Präsentation als auch eine (digitale) Personalversammlung Ende Februar brachten mehr Klarheit, vielmehr erging sich die Geschäftsleitung in Allgemeinplätzen. Nach dem bewährten Prinzip: „Die Belegschaft fragt, die Intendanz antwortet nicht“, ärgert sich Personalrätin Marika Kavouras. Vage sei für Ende März ein neuer Informationstermin in Aussicht gestellt worden – ein Vorgehen, das für die ver.di-Frau auf einer Linie mit der bisherigen Hinhaltetaktik steht.

Es gebe sie, die Zielbilder für Produktion und Technik, für die Immobilien und das Programm, resümierte der Personalrat genervt in seinem wöchentlichen Blog: „…aber wer hofft, irgendwo konkrete Hinweise zu finden, welche Programme eingestellt oder in welchen Gewerken Kündigungen rausgehen, kann sich die Suche sparen“.

Angesichts der unsicheren Zukunftsperspektive wächst In der Belegschaft die Angst. Die jüngeren Kampfmaßnahmen machten auf die Geschäftsleitung offenbar wenig Eindruck. Ein dreitägiger Warnstreik Ende Oktober 2024 verlief für die Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. „Nur Spezialisten bekommen doch mit, wenn die „Abendschau“-Moderatorin nur mit drei Zetteln agiert“, meint Kavouras.

Unbewältigte Altlasten

Dass Intendantin Demmer sich in Sachen Finanzen seit Monaten absolut hartleibig gibt, hat auch mit unbewältigten Altlasten aus der Ära Schlesinger zu tun. Zum Verdruss der Geschäftsleitung tauchen immer wieder neue Finanzlöcher auf, die mit den außerordentlich großzügigen Versorgungspraktiken der ehemaligen Intendanz zusammenhängen.

Nach Medienberichten wurde erst Mitte Januar gegen den ehemaligen RBB-Chefredakteur Christoph Singelnstein ein Verfahren wegen Beihilfe zur schweren Untreue eingeleitet. Der bereits 2021 aus dem Sender ausgeschiedene Singelnstein soll demnach ein Ruhegeld von über 8.000 Euro pro Monat beziehen, außerdem über einen Beratervertrag weitere 6.300 Euro monatlich für maximal fünf Arbeitstage erhalten. Die dafür erbrachten Gegenleistungen sollen laut Ermittlungsakten überschaubar sein.

Auch gegen den ehemaligen Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus sowie Ex-Produktionsdirektor Christoph Augenstein ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Untreue. Schulte- Kellinghaus erhielt in Form einer gütlichen Einigung eine Abfindung in Höhe von rund 400.000 Euro und bezieht seit kurzem eine Pension in Höhe von 9.000 Euro. Augenstein erstritt vor dem Arbeitsgericht Berlin erst kürzlich ein Ruhegeld in Höhe von 8.900 Euro, zahlbar bis zur Rente im Jahr 2030. Die von ihm zusätzlich erhobenen Forderungen von Schadensersatz in sechsstelliger Höhe sowie Schmerzensgeld wies das Gericht zurück. Die Berufung läuft.

Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung

Nicht zu vergessen Patricia Schlesinger selbst, mit deren Amtsführung der RBB-Skandal ins Rollen kam. Im Januar startete der Prozess vor dem Berliner Landgericht wegen mutmaßlicher Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung. Die Angeklagte beansprucht nach Gerichtsangaben ein Ruhegehalt von knapp 18.400 Euro im Monat, zu zahlen von 2023 bis zum Lebensende. In einer Gegenklage fordert der RBB von Schlesinger mehr als neun Millionen Euro – als Schadensersatz unter anderem für Gelder, die rund um das von der Intendantin geplante und nie realisierte Pleiteobjekt „Digitales Medienhaus“ versenkt wurden. Außerdem für die großzügige variable Vergütung, die Schlesinger sich und anderen außertariflich Beschäftigten genehmigte.

In der Öffentlichkeit hat sich längst das Bild einer raffgierigen Geschäftsleitung verfestigt, die jahrelang skrupellos das öffentlich-rechtliche System gemolken hat. Nach einem Bericht von „Legal Tribune Online“ (LTO) über den Prozessauftakt erscheint der Ausgang des Verfahrens jedoch alles andere als eindeutig. Das Gericht habe erkennen lassen, dass es sich – unbeeindruckt von öffentlicher Vorverurteilung – vor allem auf die Prüfung der rechtlichen Validität der Arbeitsverträge konzentrieren werde. Im Falle von Vertragsabreden gehe es demnach vor allem um „Marktüblichkeit“. Letztlich, so resümiert das Onlineportal „Telepolis“, „geht es da um die Beurteilung eines Systems und nicht allein um eine Person“.


Update, 4.4.2025:  Gravierende Maßnahmen

150 Vorschläge legte die Geschäftsleitung deshalb am 4. April vor, um die Personal- und Honorarkosten zu senken. Wie aus einer rbb-Pressemitteilung hervorgeht, fallen darunter auch Maßnahmen wie „die Verschlankung von Strukturen, die Verringerung von Aufwänden in Produktion und Verwaltung, der Abbau von Führungsebenen, die Zusammenlegung von Organisationseinheiten, die Optimierung von Prozessen sowie Veränderungen des Programmangebotes“.

Marika Kavouras, Sprecherin des ver.di-Senderverbandes im rbb sagte dazu: „Das sind nur einige der geplanten mehr als 150 Maßnahmen. Hinter allen stehen Menschen, die mit großem Engagement ihre Arbeit im Sinne der Zuschauer*innen, Hörer*innen und Nutzer*innen machen. Sie werden jetzt möglicherweise ihren Job verlieren. Das betrifft vor allem Kolleginnen und Kollegen mit Zeitvertrag und freie Mitarbeiter*innen. Dagegen findet sich für den Abteilungsleiter, dessen Abteilung mit einer anderen zusammengelegt wird, bestimmt noch ein anderer Leitungsposten.“

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