Teilerfolg von Schlesinger gegen RBB

Meinung

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) muss seiner früheren Intendantin Patricia Schlesinger das von ihr geforderte Ruhegeld von rund 18.400 Euro auszahlen. Zunächst nur exemplarisch für einen Monat. Offen bleibt, wie mit weiteren Ruhegeldansprüchen Schlesingers umgegangen werden soll. Die Ex-Intendantin muss dem RBB Schadensersatz in einstweilen unbekannter Höhe zahlen. Unter dem Strich droht dem Sender aber eine Vertiefung seiner wirtschaftlichen Probleme.

Der Rücktritt von Patricia Schlesinger, Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und ihre spätere fristlose Entlassung 2022 markierten wohl den Beginn des größten Skandals in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland.  Das Ausmaß persönlicher Anwürfe und Diffamierungen“, so hatte sie damals geklagt, machten es ihr unmöglich, das Amt weiter auszuüben. Eine letzte Selbstinszenierung als Opfer, monierten ihre Kritiker.

Kein Wort zu den unaufhörlich auftauchenden immer neuen Enthüllungen über eine Amtsführung, die in der Geschichte der ARD wohl als einmalig skandalös gelten muss: Vetternwirtschaft, dubiose Beraterverträge, üppige Gehaltssprünge,  fragwürdige Spesenabrechnungen, Luxus-Dienstwagen, protziger Ausbau der Chefinnen-Etage, von der sich anbahnenden Kostenexplosion beim Prestige-Projekt „Digitales Medienhaus“ ganz zu schweigen. Ihr Rückzug sei eine „logische Konsequenz aus meinem Versprechen, immer und zuerst für die Belange des RBB einzutreten“? Ein Satz, der damals im Lichte der laufenden Ereignisse reichlich zynisch wirkte. Jetzt sieht es so aus, als ob die geschasste Ex-Intendantin beinahe als lachende Siegerin aus dem Skandal auftauchen könnte.

Schadensersatzforderungen des RBB

Zwar seien Schadensersatzforderungen des RBB gegen Schlesinger mit Blick auf Bonus-Zahlungen und eine umstrittene Sonderzulage für den zeitweiligen ARD-Vorsitz des RBB wohl gerechtfertigt, hieß es nach Medienberichten bei der Urteilsverkündung. In welcher Höhe die ausfallen könnten, müsse aber erst noch festgelegt werden. Der RBB hatte in diesem Zusammenhang 1,7 Millionen Euro von Schlesinger gefordert. Vorerst gestand das Gericht dem Sender lediglich die Rückerstattung von ungerechtfertigten Reisekosten von rund 24.000 Euro durch Schlesinger zu. Das Verfahren um das von ihr betriebene und nach ihrer Kündigung sofort gestoppte Projekt „Digitales Medienhaus“ wurde von der RBB-Gegenklage abgetrennt und soll in einem getrennten Verfahren behandelt werden.

Wirtschaftlich am meisten schmerzen dürften den Sender die weiteren Ruhegeldansprüche von Schlesinger. Ob sie den großen Rest des Geldes für die vergangenen drei Jahre noch einmal einklagen muss oder ob der RBB nun zahlt, bleibt unklar. Die Entscheidung (Az. 105 O 6/23) ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung beim Kammergericht möglich.

Schon bei Prozessauftakt vor dem Berliner Landgericht Anfang Januar hatte sich diese Entwicklung angedeutet. Der Vorsitzende Richter habe erkennen lassen, berichteten damals Prozessbeobachter der „Legal Tribune Online“, dass er sich – unbeeindruckt von öffentlicher Vorverurteilung – vor allem auf die Prüfung der rechtlichen Validität der Arbeitsverträge konzentrieren werde. Der RBB habe einfach „einen schlechten Vertrag geschlossen“, wurde Richter Thomas Markfort zitiert. Das bedeute nicht, dass dieser, wie vom RBB eingewandt, sittenwidrig sei. Im Falle von Vertragsabreden gehe es demnach in erster Linie um „Marktüblichkeit“. Zu beurteilen sei nicht das Verhalten einer Person, sondern das dahintersteckende System.

Der Fall Gelbhaar

Erst kürzlich hatte der RBB einen neuen finanziellen Rückschlag erfahren. Bereits Anfang Juli hatte der Sender sich in der juristischen Auseinandersetzung mit dem Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt. Hintergrund war die grob fehlerhafte Berichterstattung des RBB über vermeintliche sexuelle Belästigungen Gelbhaars. In einem entsprechenden Bericht Ende 2024 hatte sich der Sender auf eidesstaatliche Erklärungen bezogen, die sich teils als gefälscht erwiesen. Zumindest eine Frau, die gegen den Politiker schwere Vorwürfe erhoben haben sollte, existierte gar nicht. Auf eine Überprüfung ihrer Identität hatte die Redaktion fahrlässigerweise verzichtet.

Der RBB hatte Fehler eingeräumt und den Beitrag zurückgezogen. Laut Medienberichten zahlt der Sender dem Politiker eine hohe sechsstellige Summe – die Rede ist von ungefähr 900.000 Euro Schadensersatz. Gefordert hatte Gelbhaar einen Betrag von 1,7 Millionen Euro. Im Gefolge der Affäre hatte er seinen aussichtsreichen Kandidatenplatz bei der letzten Bundestagswahl verloren.

Für den RBB gesellen sich zu den Schadensersatzzahlungen noch die Gerichtskosten und die Aufwendungen für ein Gutachten, das er bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte bestellt hatte – Kostenpunkt: 60.000 Euro. Die Erkenntnisse gingen kaum über das hinaus, was innerhalb des Senders und von anderen Medien längst recherchiert worden war. Ein sparsamer Umgang mit den Ressourcen des Hauses sehe anders aus, monierten Kritiker. Dass die RBB-Geschäftsleitung Stillschweigen über die Details des abgeschlossenen Vergleichs mit Gelbhaar bewahrt, gilt ihnen zudem als neuerlicher Beleg für die Intransparenz des Hauses.

Spätfolgen des Schlesinger-Skandals

Für einen der Hauptverantwortlichen im Sender bleibt sein Versagen nahezu folgenlos. Der damalige Chefredakteur David Biesinger war zwar nach langem Zögern von seinem Posten zurückgetreten. Inzwischen leitet er jedoch die Hauptabteilung Programmressourcen und entscheidet in dieser Funktion darüber mit, welche Stellen im Rahmen des RBB-Sparprogramms gestrichen werden – sehr zum Ärger der Betroffenen. Bis zum Jahresende sollen nach dem Willen der Geschäftsleitung 22 Millionen Euro eingespart und etwa 254 „Vollzeitäquivalente“ gestrichen werden.

Die Spätfolgen des Schlesinger-Skandals erschweren somit die mittelfristige Finanzplanung des Senders. 2024 belasteten die umstrittenen Ruhegeldzahlungen an ´frühere Mitglieder der Geschäftsleitung die RBB-Bilanz mit 2,6 Millionen Euro. Allein die RBB-Anwaltskosten beliefen sich nach Angaben der Berliner Senatskanzlei zuletzt auf rund 818.000 Euro. Die tatsächliche Summe dürfte nach Ansicht von Medieninsidern jedoch weit darüber liegen

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