Abwärtstrend

Mecom-Konzern „reformiert“ seine deutschen Blätter

Die Stimmung bei den deutschen Unternehmen des Mecom-Konzerns ist seit Monaten im Keller: Hier sollen 150 von etwa 930 Stellen gestrichen werden, davon über ein Drittel in den Redaktionen. Nicht erfüllte Renditewünsche sind offenbar der Motor für dieses Streichkonzert. Die Betriebsräte wehren sich gegen den rasanten Job-Abbau – nicht ohne Erfolg.

Marktorientiert und am wirtschaftlichen Ergebnis ihres Unternehmens interessiert wünscht sich David Montgomery seine Journalisten. Doch so hatte es der Brite, zu dessen Mecom-Holding in Deutschland der Berliner Verlag mit der Berliner Zeitung und die Hamburger Morgenpost gehören, dann wohl doch nicht gemeint: Als er im Juli mal wieder zu Gesprächen in Berlin eintraf, warteten im Verlagshaus am Alexanderplatz gleich mehrere „Charts“ auf den Konzernchef. Sie zeigten den Mecom-Börsenkurs von Juli 2007 bis Juli 2008 und die Abo-Kurve der Berliner Zeitung seit Dienstantritt von Chefredakteur Josef Depenbrock. Ihr Trend: Deutlich nach unten.
Nach unten zeigen auch die am 20. August in London präsentierten Zahlen des Gesamtkonzerns fürs erste Halbjahr 2008: Gewinn und Umsatzrendite runter, Schulden rauf – ein ordentliches Halbjahresergebnis sieht anders aus. Das Unternehmen gab für das erste Halbjahr ein bereinigtes operatives Ergebnis von 64 Millionen Pfund (rund 80 Millionen Euro) an, 2 Millionen Pfund weniger als im Vorjahr. Der Verlust erhöhte sich im Vorjahresvergleich von 16,9 auf 18 Millionen Pfund. Der Gesamtumsatz blieb in realen Zahlen mit rund 770 Millionen Britischen Pfund gleich – ein klares Zeichen, dass Montgomerys Strategie nicht aufgeht. Er wollte seine in fünf Ländern aktive Verlagsgruppe so aufstellen, dass durch Synergien die Kosten sinken. Umsatzrenditen von 20 Prozent und mehr hatte Montgomery seinen Investoren versprochen. Die Londoner Börse quittierte das neue Ergebnis umgehend – mit satten Kursverlusten.
Zwei Tage nach den schlechten Zahlen wurde durch die Springer-Welt bekannt, dass die Stasi-Unterlagen-Behörde belastendes Material über zwei weitere Journalisten der Berliner Zeitung entdeckt habe. Der außenpolitische Redakteur Roland Heine und der Lokalredakteur Tomas Morgenstern hatten sich jedoch dem Ehrenrat der Berliner Zeitung schon vor Wochen offenbart. Das Gremium war im Frühjahr auf Initiative des Redakteursausschusses eingesetzt worden, nachdem Stasi-Vorwürfe gegen die damals leitenden Redakteure Thomas Leinkauf und Ingo Preißler erhoben worden waren. Tomas Morgenstern hatte noch vor der Sitzung des Ehrenrates am 26. August um Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gebeten. Dem wurde statt gegeben. Im Fall Roland Heine ist der Rat der Meinung, dass „eine leitende oder auch sonstige Beschäftigung des Politikredakteurs im Bereich Politik/Nachrichten/Kommentierung“ nicht möglich ist, da hier „besonders hohe Anforderungen an die Glaubwürdigkeit der Journalisten“ gestellt würden. Mit ihm wurden daraufhin Gespräche über seine berufliche Zukunft im Blatt geführt. Der Ehrenrat hatte sich zudem mit vier Redakteuren befasst, die im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR gedient hatten. Da sie jedoch in keiner Weise konspirativ tätig waren, ergaben sich daraus keine Konsequenzen.
Auffällig ist dabei, dass die Stasi-Enthüllungen häufig dann erfolgen, wenn der Berliner Verlag wegen anderer Ereignisse ohnehin in den Nachrichten ist: Schließlich muss er die Hauptlast des geplanten Abbaus tragen, 150 von etwa 930 Stellen stehen in Deutschland auf der Streichliste. Die Redaktion der Berliner Zeitung soll dabei von heute rund 130 Mitarbeitern auf 90 schrumpfen, beim Stadtmagazin tip stehen 17 Stellen auf dem Spiel, bei der Hamburger Morgenpost 10 bis 15.
Doch wie in den Niederlanden, wo Mitarbeiterproteste dafür sorgten, dass der geplante Abbau von bis zu 400 Stellen derzeit auf Eis liegt, konnte auch in Deutschland konzernweit ein Moratorium durchgesetzt werden: Bis Ende Oktober wird es im Mecom-Reich keine Kündigungen geben. Dass sich die Geschäftsführung tatsächlich darauf einließ, hat selbst den Konzernbetriebsrat überrascht: „Das heißt aber nicht, dass man nicht weiter an den geplanten Sparmaßnahmen festhält“, warnt Konzernbetriebsrätin Renate Gensch vom Berliner Verlag vor falschen Schlüssen. Montgomery & Co. sei es wohl eher darum gegangen, im Vorfeld der wichtigen Halbjahreszahlen Ruhe in das Unternehmen zu bekommen, damit die Aktionäre nicht durch weitere Aktionen der Mitarbeiter verschreckt würden.
„Die Aktivitäten auf Konzernebene haben etwas gebracht“, auf allen Ebenen werde „jetzt weiter verhandelt“, sagt Gensch. Doch konkrete Konzepte von Montgomerys deutschem Statthalter Josef Depenbrock lassen weiter auf sich warten. „Einfach die Brocken hinzuschmeißen und sagen, hier müssen jetzt X Leute gehen, kann ja wohl nicht sein“, kritisiert Gensch. Bewegt hat sich bisher vor allem etwas beim tip: Hier streikten die Mitarbeiter im Juli, um die Geschäftsführung an den Verhandlungstisch zu bewegen mit gemischtem Erfolg: Der Sozialplan sei unterschriftsreif ausverhandelt gewesen, sagt der Betriebsrat. Doch dann habe die Geschäftsführung in letzter Minute wieder Änderungen verlangt, die eine Verschlechterung für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet hätte. Jetzt sieht man sich in der Einigungsstelle.
Unklarheit auch bei der Berliner Zeitung: Hier sollen zunächst der Reiseteil und die Autoseiten an externe Dienstleister ausgelagert werden und auch die Media-Seite soll es nicht mehr wie bisher geben – die betroffenen vier Redakteure müssen auf andere freie Stellen in der Redaktion wechseln. Doch ob und wann dies konkret wird, steht genau so in den Sternen wie die von Depenbrock angekündigte Schaffung eines Großressorts, in dem die bisherigen Redaktionen Wissenschaft, Parlament und Vermischtes aufgehen sollen. Auch Redakteure kritisieren diese „Hinhaltetaktik“: Ziel sei offensichtlich vor allem, „Mitarbeiter so zu demotivieren, dass sie von allein gehen“. Der Redaktionsausschuss hat angekündigt, weiter „Widerstand gegen solche Qualitätsvernichtungspläne“ zu leisten.
Das Gremium kritisiert zudem, dass Berliner Zeitungs-Chefredakteur Depenbrock in Personalunion den Posten des obersten Geschäftsführers der deutschen Mecom-Unternehmen bekleidet. Eine Feststellungsklage, dass diese „Arbeitsverdichtung“ nach dem gültigen Redaktionsstatut gar nicht erlaubt sei, war im Juli allerdings für Depenbrock glimpflich ausgegangen: Da das Statut eine solche Doppelrolle nicht ausdrücklich ausschließe, sei sie zulässig, urteilte das Gericht.
Glück für Montgomery, denn der Deutschland-Chef der Mecom ist ein zentraler Pfeiler seiner Strategie, den Berliner Verlag vom qualitätsorientierten Medienhaus zum renditegetriebenen „Consumer Business“ umzubauen: „Bold leadership on reform“ – „Kühne Führung für Reformen“ nannte das Montgomery in London: In Deutschland müsse sich Mecom über „alte Gewohnheiten und politischen Widerstand“ hinwegsetzen. Das „Outsourcen von Inhalten“ stehe weiter auf dem Programm, Online-Auftritt und gedruckte Zeitung sollen voll integriert werden.
Zumindest die letzte Ankündigung ist für den Berliner Verlag nicht eben neu. Denn hier wartet man seit Monaten auf ein neues, online-taugliches Redaktionssystem: „Die Entscheidung sollte schon 1.000 Mal fallen“, sagt Betriebsrätin Gensch: „Jetzt heißt es wieder, das Pflichtenheft müsse noch mal überarbeitet werden“. Die Geschäftsführung erkläre zwar immer, was sie investieren wolle – „doch dann passiert nichts“, so Gensch.
Für Leser und besorgte Redakteure, die vor weiterem Qualitätsverlust bei der Berliner Zeitung warnen, hatte Montgomery auch eine klare Botschaft: Man werde sich stärker auf die Berliner und Hamburger Blätter als „Lokalprodukte“ konzentrieren. Die „harten Bedingungen auf dem deutschen Markt“ schrecken dabei nicht: Sie sorgten vielmehr für „noch mehr Anreiz, die deutschen Mecom-Unternehmen umzustrukturieren und neu auszurichten“, so Montgomery. Und dazu gehören nicht mehr nur die „kombinierte Führung von Verlag und Redaktion“ wie im Fall Depenbrock oder die Forderung nach „engerer Zusammenarbeit von Journalisten und Anzeigenverkauf“, mit der Montgomery „mehr Kunden bei weniger Kosten“ erreichen will. Die Mecom-Unternehmen werden auch ganz neue Dienstleistungen anbieten: Dating-Sites und Glückspielangebote sollen künftig helfen, dass die Mecom-Geschäftszahlen erfreulicher ausfallen als bisher.
Und sogar dem abgestürzten Aktienkurs konnte der Konzernchef etwas abgewinnen: Nach einem Bericht der britischen Zeitung Independent nutzte Montgomery am 20. August den niedrigen Kurs, um 200.000 Aktien fürs private Depot zu zukaufen.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »