60 Jahre Rundfunk für eine nationale Minderheit
„Witajśo do nas – Seien Sie herzlich gegrüßt!“ klingt es täglich aus dem RBB-Funkhaus in Cottbus und MDR-Studio Bautzen. Der Gruß richtet sich an die in der Lausitz, im Spreewald und seiner Umgebung beheimateten Sorben. Das wird auch am 22. März 2013 so sein: An diesem Tag ist der Sorbische Rundfunk 60 Jahre alt.
Am 22. März 1953 – am Vorabend des 5. Jahrestages des Gesetzes zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung – begann der sorbische Rundfunk mit seinem regelmäßigen Programm. Zwar gab es zuvor schon sorbische Sendungen aus den Funkhäusern Leipzig, Dresden, Berlin und Potsdam, aber nicht kontinuierlich. Deshalb entschloss sich das Staatliche Rundfunkkomitee der DDR, auch auf Drängen der Domowina, der sorbischen Interessenvertretung, ein ständiges sorbisches Radio zu gründen. 1952/53 wurde ein Studio in Görlitz eingerichtet. Schwierig war, sorbisch sprechende Journalisten zu finden. Beim DDR-Rundfunk gab es nur einen: Klaus Hemmo vom Deutschlandsender, der aus Krauschwitz/Kruŝwica stammte. Er wurde erster Leiter des Studios. Drei weitere Mitarbeiter mussten sich zunächst mit der Rundfunkarbeit vertraut machen.
Mühsame Anfänge. 70 Minuten betrug die wöchentliche Sendezeit, ausschließlich in obersorbischer Sprache, ausgestrahlt über den noch schwachen Mittelwellensender Reichenbach/ Oberlausitz. Ein als Übertragungswagen umgebauter „Horch-Bus“ fuhr in sorbische Siedlungsgebiete zu Reportagen und Berichten; sorbische Musikaufnahmen waren so gut wie nicht vorhanden. Musikredakteur Jan Bulank sah sich in der Lausitz nach geeigneter Musik um. Das damals beliebte „Grenzland-Tanzorchester“ wurde für die ersten Musikproduktionen gewonnen; auch Solisten, die sorbische Texte singen konnten.
Neben der aktuellen Berichterstattung wagte sich die Redaktion an Hörspielproduktionen. Da das Studio in Görlitz nicht im sorbischen Siedlungsgebiet liegt, entschloss sich die Leitung des DDR-Rundfunks, die sorbische Redaktion nach Cottbus zu verlagern und Radio DDR anzugliedern. Schrittweise wurde die Sendezeit verlängert; zweistündige Sonntagssendungen erweiterten das Programm. Ungeachtet steter politischer Einflussnahme hat sich der sorbische Hörfunk von 1953 bis 1989 große Verdienste um die sorbische Sprache, Kultur und Kunst erworben. In dieser Zeit wurden mehr als 4.000 Titel sorbischer Musik aller Genres produziert, über 100 Hörspiele und Dokumentationen.
In den 80er Jahren bemühte sich die Redaktion um ein weiteres Studio in Bautzen – dem Zentrum der sorbischen Volksgruppe. Seit Oktober 1989 sendet das Sorbische Studio Bautzen (Serbski rozhlós/MDR) an Werktagen ein dreistündiges Frühprogramm in obersorbischer Sprache, das auch über die UKW-Welle Cottbus/Calau (93,4 MHz) zu hören ist. Die einstündige Mittagssendung aus dem Studio Cottbus in niedersorbischer Sprache wird für die Oberlausitz von der UKW-Welle Hoyerswerda des MDR (100,4 MHz) übernommen und abends auf beiden Frequenzen wiederholt. Am Montagabend gibt es Hörfunkangebote für die sorbische Jugend und sonntags drei Stunden zur Mittagszeit für die ganze Familie. Dieses Kulturangebot umfasst u. a. Hörspiele, Literatur und spezielle Musik. Gegenwärtig sendet der Sorbische Rundfunk wöchentlich etwa 33 Stunden. Dazu kommen Fernsehsendungen in obersorbischer Sprache. Eigenproduktionen sorbischer Musik reichen vom Kinderlied, Volksmusik, Tanz- und Unterhaltungsmusik bis zu konzertanten Stücken, Sinfonien und Oratorien. Regelmäßig finden „RBB-Konzerte sorbischer Musik mit jungen Künstlern“ in Cottbus und Umgebung statt, die großen Zuspruch nicht nur bei den sorbisch sprechenden Lausitzern finden, wie die Leiterin der sorbischen RBB-Redaktion in Cottbus, Marion Stensel, erfreut konstatiert. Besonders wertvoll ist das sorbisch-wendische Tonbandarchiv im Funkhaus Cottbus mit Aufzeichnungen über das sorbische politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben, mit einmaligen geschichtlichen Dokumentationen. Das älteste niedersorbische Tondokument stammt aus dem Jahre 1956.
Zukunftsfragen
Die Frage, ob sorbische Kultur und Sprache eine Zukunft haben, ist ein immer wieder diskutiertes Thema. Vor 50 Jahren ging die Statistik davon aus, dass etwa 100 000 Sorben in der Lausitz leben; heute könnten es noch 60.000 bis 70.000 sein. Immer weniger junge Sorben in der Niederlausitz und im Spreewald verstehen und sprechen ihre Sprache. Viele haben ihre Heimat verlassen, sind der Arbeit nachgezogen; der Braunkohleabbau ließ auch sorbische Dörfer verschwinden. Trotz intensiver Sprachförderung in Kindergärten, Schulen und anderen sorbischen Einrichtungen geht die westslawische Sprache in der Niederlausitz zurück. In der Oberlausitz wird die sorbische Kultur und das Brauchtum wohl eher erhalten bleiben. Andererseits empfangen sorbische junge Menschen, die nicht mehr im traditionellen Siedlungsgebiet ansässig sind, nun den Sorbischen Rundfunk über das Internet. Zuschriften an die Redaktion, z. B. aus Kanada, bestätigen das.