Oft trügt der Schein

3. Mai, Internationaler Tag der Pressefreiheit: In vielen Ländern kann von diesem Grundrecht keine Rede sein. Die Propagandisten von Zensur, die die Medien für ihre Interessen einspannen wollen, sitzen vielerorts an den Schalthebeln der Macht. Für die Pressefreiheit in der Ferne hierzulande zu demonstrieren, täte ihren Feinden dort nicht weh. Wir Journalistinnen und Journalisten in Deutschland können aber dafür werben, dass Reisende jene Länder boykottieren, in denen Medien einen Maulkorb verpasst bekommen. Leider ist die Liste dieser Länder lang. Sie ist im Internet bei „Reporter ohne Grenzen“ abrufbar.
In etlichen Ländern Osteuropas müssen Journalisten befürchten, dass kritische Berichte über Politiker als üble Nachrede eingestuft und sie als Kriminelle bestraft werden. Nicht immer ist die offizielle Staatsmacht der Gegner von Pressefreiheit. Milizen von radikalen Gruppen überfielen und verwüsteten zum Beispiel Anfang April in Bagdad die Büros von unabhängigen Zeitungen und griffen Redakteure an.
Oft trügt der Schein. Im Länderprofil Indiens des Auswärtigen Amtes heißt es: „Die Pressefreiheit ist wesentlicher Bestandteil der indischen Demokratie“. In der Rangliste der Pressefreiheit findet man das boomende Wirtschaftswunderland jedoch abgeschlagen auf Platz 140. Das hat mit unzureichenden Gehältern und Arbeitsrechten zu tun. Zensur ist zudem ein Knebel. Und ein Kollege aus Afrika sagte mir: „Ja, ich kann über alles berichten. Aber ich bekomme nur 50 Dollar Gehalt im Monat. Wie kann ich damit meine Familie ernähren und wirklich frei sein?“

Doch auch in Deutschland arbeiten wir keineswegs auf einer Insel der Seligen. Stimmen hier die Bedingungen für Pressefreiheit? Schon der unsägliche Tendenzschutz in Verlagen spricht dagegen. In der nächsten Tarifrunde werden wir für gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung zu kämpfen haben. Die „Freien“ sind abhängig davon, was ihnen von den Verlagen abgenommen wird – allzu oft nur für einen Hungerlohn. Das Gerangel um Akkreditierungen beim NSU-Prozess hat Schande über Deutschland gebracht. Die Achtung der Pressefreiheit sieht anders aus! Offenbar trügt auch in Deutschland der Schein und wir müssen immer wieder um dieses Grundrecht streiten.

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »

Rechtsextreme im Fernsehen

Durch meine Eltern habe ich Anstand und Respekt beigebracht bekommen. Daher missfällt es mir, Menschen nicht anzuhören, nur weil sie eine andere oder unliebsame Meinung vertreten. Das geht mir auch so bei der Frage, ob man Politikerinnen und Politiker der rechtsextremen AfD in TV-Talkshows einladen sollte. Ein grundsätzliches „Nein“ behagt mir nicht. Ein offenes „Ja“ kommt mir allerdings auch nicht über die Lippen, angesichts der AfD-Auftritte gerade im Vorfeld der jüngsten Bundestagswahl. Was also tun?
mehr »