Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) packt endlich die Reform an
„Man müsste …, wir sollten …“ So beginnen in aller Regel Debatten, bei denen wenig herauskommt, wenn eine Frage nicht beantwortet wird: „Wer macht es?“ Solch fruchtlose Diskussionen wurden auch in der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union oft genug geführt. Am Ende sind alle gefrustet, weil sich an dem, was als Missstand beschrieben wird, nichts ändert.
Um so erstaunlicher war der Verlauf zweier Strategiekonferenzen der dju in Dortmund und Berlin. Nicht zuletzt der hervorragenden Moderation durch ein Team des ver.di-Ressorts Organisationsentwicklung (OE) war es zu verdanken, dass nicht nur debattiert wurde, sondern am Ende greifbare Ergebnisse standen.
Den einfacheren Part hatten dabei die 50 Teilnehmer der ersten Strategiekonferenz im November in Dortmund (M 12/01). Einen ganzen Tag lang hatten sie, zeitweise verteilt auf fünf Arbeitsgruppen, eine recht detaillierte Liste von Aufgaben zusammengestellt. Im Themenspeicher waren dabei die altbekannten Forderungen gelandet: bessere Kommunikation, Vernetzung, ein klareres Profil, mehr Service, Qualifizierung der Ehrenamtlichen, gezieltere Freien-Arbeit …
Dieses Themensammelsurium wurde in viele einzelne Facetten aufgegliedert. Im Grunde war es aber nicht neu. Ähnliches war schon in etlichen Reformpapieren beschrieben worden. Die waren freilich allesamt in irgendwelchen Ablagen und Ordnern verschwunden. Alle diese Anläufe gingen letztlich ins Leere, weil die entscheidende „Wer“-Frage offen blieb.
Der mühsame Part, dieses Versäumnis nachzuholen, blieb den zwölf Teilnehmern der zweitägigen Folgekonferenz im Januar in Berlin vorbehalten: drei Hauptamtliche (Inez Kühn, Leiterin der ver.di-Abteilung Medien und Publizistik, die neue dju-Bundesgeschäftsführerin Uli Maercks-Franzen, sowie Heinrich Bleicher-Nagelsmann, ver.di-Referent Medienpolitik) und neun Ehrenamtliche.
Es war ein hartes Stück Arbeit. Ohne die Unterstützung durch das Moderatoren-Team um Klaus Humml wäre das Unterfangen wohl gescheitert. Humml und seine drei Mitarbeiterinnen mischten sich nicht in die inhaltlichen Debatten ein, sondern achteten nur darauf, dass die Diskussion nicht zu hitzig wurde und die Teilnehmer das Ziel nicht aus den Augen verloren.
Alle Aufgaben wurden auf Tafeln aufgetragen – dann folgte die eigentliche Nagelprobe. Auf der rechten Hälfte der Tafeln waren drei Spalten zu füllen, die überschrieben waren mit: „wer“, „mit wem“ und „bis wann“. Unerbittlich. Jede Aufgabe musste zugeordnet werden. Die Agenda ist anspruchsvoll. Vor allem die neue dju-Bundesgeschäftsführerin (und frühere „M“-Redakteurin) Uli Maercks-Franzen musste gelegentlich leicht aufstöhnen angesichts der Vielzahl von Aufgaben, die da (freilich mit ihrer Zustimmung) auf ihrem Schreibtisch landeten. Aber auch der dju-Bundesvorstand, die Landesvorstände, Inez Kühn sowie etliche ehrenamtliche Teilnehmer der Strategiekonferenz wurden reichlich bedacht.
Die Zielrichtung: Die dju muss für die Mitglieder transparenter, das Service-Angebot weiter verbessert und leichter zugänglich gemacht werden. Das gilt nicht zuletzt für berufsqualifizierende Seminare, bei denen große Nachfrage besteht – bei freien wie festangestellten Journalisten. Diese Seminare sollen künftig stärker in den einzelnen Bezirken angeboten werden. Auch die Internetseiten der dju werden überarbeitet. Sie sollen benutzerfreundlicher gestaltet werden, und es soll auch Diskussionsforen geben.
Ohnehin fanden es die Teilnehmer der Strategiekonferenz erstaunlich, wie wenig die dju – gerade als Gewerkschaft in der Medienbranche – bisher die elektronischen Kommunikationswege nutzt. Das soll sich ändern. Es soll mehr und vor allem zielgenauere Newsletter und Mailinglisten geben. Zu wichtigen aktuellen Fragen sollen auch Chats eingerichtet werden.
Als dringend reparaturbedürftig wurde das Kommunikationsnetz zwischen Bundes-, Landes- und Bezirksebene eingeschätzt. An vielen Stellen sind Fäden gerissen, die nun wieder geknüpft werden sollen. Vor allem aber brauchen die Orts- und Bezirksgruppen mehr Hilfestellung, damit nicht alle „das Rad neu erfinden“ müssen. Muss auch nicht sein. Nach Einschätzung der Strategiekonferenz gibt es in vielen Städten erfolgreiche dju-Gruppen – gleichzeitig aber etliche blinde Flecken in der Landschaft. Um Anregungen zu liefern, sollen „Best practise“-Beispiele zusammengetragen werden.
Rückenstärkung erwarten sich die Freien von der dju, bei der Fortbildung ebenso wie bei der Selbstvermarktung. Als drängend empfanden deren Vertreter auch in Berlin die Klärung des Berufsbildes der freien Journalisten. Wo hier die Grenzen verlaufen, ist angesichts der rasanten Umbrüche in der Medienlandschaft nicht immer leicht zu erkennen. Welche Zugangsvoraussetzungen sollen hier gelten, welche journalistischen Qualitätsstandards, wer hat mithin Anspruch auf einen Presseausweis und wer nicht? Anhand des „Schweizer Modells“ und eines Vorbildes aus Dänemark soll diese Diskussion vorangetrieben werden.
Auch hier geht es letztlich um Profil, das Profil der dju wie der Berufsgruppe der Journalisten insgesamt. Bei der Bilanz der Strategiekonferenz in Berlin war aber klar: Wenn diese Agenda, die hier bei weitem nicht vollständig beschrieben ist, nicht auf dem Papier stehen bleiben soll, braucht die Bundesgeschäftstelle in Berlin Verstärkung. Neben den täglichen Geschäften werden die umfangreichen organisatorischen Reformen nicht anzuschieben sein. Es soll deswegen eine zusätzliche Projektstelle eingerichtet werden. Erste Gespräche mit der ver.di-Führung hat es gegeben – und es sieht gut aus.