Neue Züricher Zeitung jetzt auch am Sonntag

45 Redakteure sorgen für ein intelligentes Lesevergnügen

Wer kennt das nicht: ausführliche Artikel in der Tagespresse und in Wochenmagazinen, die im Alltagsstress untergehen und sich ungelesen in einer Ecke stapeln, werden sonntags noch einmal hervorgeholt, bevor sie dann endgültig ins Altpapier wandern. Nicht zuletzt dieses veränderte Freizeitverhalten, das die Menschen anstatt in die Kirche zu einem ausgiebigen Frühstück, flankiert von gründlicher Zeitungslektüre, treibt, ist es, was eine der führenden Schweizer Tageszeitungen, die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ), dazu veranlasst hat, jetzt mit einem Sonntagstitel auf den Markt zu kommen: „NZZ am Sonntag“ heißt das neue Blatt, das am 17. März erstmals erschienen ist.

„Das neue Produkt soll ein intelligentes Lesevergnügen bieten“, sagt der Redaktionsleiter Felix E. Müller. Als potentielle Klientel peilt er das „Qualitätssegment im Sonntagsmarkt“ an, das heißt: in erster Linie Leserinnen und Leser, die Hintergründiges zu aktuellen Themen erfahren möchten und Unterhaltung auf hohem journalistischen Niveau suchen, aber auch Führungskräfte, denen an Arbeitstagen einfach die Zeit zum Lesen fehlt.

Die wird der Leser für die NZZ am Sonntag allerdings brauchen. Auf 60 Textseiten werden Nachrichten, Reportagen, Analysen und Berichte aus den Bereichen Politik, Sport, Wirtschaft, Geld, Kultur, Wissen und Gesellschaft geboten. Themen aus dem Inland und Ausland sollen sich in etwa die Waage halten.

Lockeres Layout

Wenngleich Qualitätsjournalismus auch bei der „NZZ am Sonntag“ großgeschrieben wird, scheint eine zu große Nähe zur NZZ ausgeschlossen. Denn anders als das Mutterblatt, das dem Leser gnadenlos längliche Bleiwüsten zumutet und sich auch nicht scheut, trotz der Terroranschläge vom 11. September ganzseitige Beiträge über die entlegendsten Regionen der Welt zu publizieren, präsentiert sich die „NZZ am Sonntag“ in jeder Hinsicht farbiger. Das betrifft sowohl das Layout, das durch den Gebrauch von Farbfotos und Infografiken aufgelockert wird, als auch die Inhalte. So legt Müller großen Wert auf die, in der NZZ gänzlich fehlende, Berichterstattung über die sogenannte Prominenz. „Da gehen wir direkter und offensiver ran, aber das muss ein intelligenter Zugriff sein“, sagt er.

Vorbereitung streng geheim

45 Redakteure sind bei der „NZZ zum Sonntag“ unter Vertrag. Zwei Drittel davon hat sich das Blatt von außen geholt, ein Drittel ist von der NZZ übergewechselt. Müller sieht darin keine Konkurrenz, im Gegenteil: „Beide Redaktionen haben eine gewisse Duchlässigkeit. Diese Verschiebungen sind sogar gewünscht. Warum soll jemand von der NZZ nicht die Möglichkeit haben, für zwei Jahre bei einer Sonntagszeitung zu arbeiten“, sagt er. Bei der Auslandsberichterstattung greift Müller im wesentlichen auf das Korrespondentennetz der NZZ zurück. Lediglich die wichtigen Außenposten, wie Moskau oder Washington, will er durch zusätzliche Mitarbeiter von außen verstärken. Etwaigen Konflikten mit dem Mutterblatt soll wohl auch die Struktur vorbauen: So ist Müller dem Chefredakteur der NZZ unterstellt. Mit dem Start des Blattes fanden auch alle Abonnenten der NZZ automatisch und zum Nulltarif ein Exemplar in ihren Briefkästen. Dadurch ist eine Anfangsauflage von 150.000 Exemplaren sichergestellt. Der Vorteil dieses Modells, so Müller sei, dass man Anzeigenkunden gleich eine feste Größe präsentieren könne. Zum Jahresende ist allerdings mit dem Trittbrettlesen Schluss. Dann werden auch die NZZ-Abonnenten mit einem Aufpreis zur Kasse gebeten. Das ist für Müller auch gleichzeitig „eine kritische Schwelle“, jedoch hofft er, bis dahin das Blatt am Markt etabliert zu haben.

Anders als die Schweizer Wochenzeitung „Die Weltwoche“, die donnerstags erscheint und auch in Deutschland und Österreich am Kiosk erhältlich ist, ist für die „NZZ am Sonntag“ ein internationaler Vertrieb derzeit nicht vorgesehen. Der zusätzliche, finanzielle Aufwand wäre zu groß, sagt Müller, will aber Änderungen dieses Konzeptes für die Zukunft nicht ausschließen.

Drei Nullnummern wurden vor der großen Premiere produziert, und die wurden wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Nicht einmal Autoren, die dafür ihre Texte zur Verfügung stellten, durften sich das Produkt ansehen. „Die Konkurrenz schläft eben nicht und in unserem Fall gilt das ganz besonders“, sagt Müller. Gemeint ist damit weniger das Boulevardblatt „Sonntagblick“, das, mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren seine Leser mit prallen Brüsten und Klatschgeschichten versucht, bei der Stange zu halten.

Konkurrenz ganz nah

Die Konkurrenz lauert vielmehr bei den Mitarbeitern der „Sonntagszeitung“ (220.000 Auflage), die bislang den Wochenendmarkt anspruchvoller Leser unangefochten beherrscht. Der Kampf ist bereits eröffnet. So senkte die „Sonntagzeitung“ ihre Abopreise und kaufte mit dem grünen Abgeordneten des Europaparlaments Daniel Cohn-Bendit gleich mal einen namhaften Intellektuellen ein. „Als klar war, dass wir ein Extrabuch zum Thema Geld im Blatt haben werden, fügte die Sonntagszeitung ihrer Ausgabe gleich drei Seiten zum selben Thema an“, sagt Müller. Trotzdem ist dem Redaktionsleiter, der fünf Jahre bei der NZZ das Lokalresssort leitete und davor bei der „Weltwoche“ Erfahrungen sammelte, vor der Auseinandersetzung nicht bange. Er hält sein Konzept, an dem knapp zwei Jahre gearbeitet wurde, für überzeugend. „Und potentielle Leser gibt es in der Schweiz genug: Deren Zahl schätze ich auf 500.000.“

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