Reformüberlegungen in Schweden in Richtung digitale Produktion
Schwedens Pressesubventionssystem fördert Zeitungen, die keine marktbeherrschende Stellung haben. Zeitungssterben wurde damit verlangsamt. Doch nun wird über eine Reform diskutiert.
„Eine Zeitung, die konsequent Rassismus, Antisemitismus und Homophobie verbreitet: Wir halten es wirklich für recht seltsam, wenn mit Hilfe staatlicher Gelder die Verbreitung von Hass gefördert wird.“ Was Schwedens Jüdischer Zentralrat „seltsam“ findet, sei „der Preis, den man bezahlen muss, will man das System der Pressesubventionen aufrecht erhalten“, konstatiert Schwedens ehemaliger Presse-Ombudsman Pär-Arne Jigenius: Seit 2009 bekommt auch Nationell Idag, die Zeitung der „Nationaldemokraten“ staatliche Gelder aus dem Suventionstopf. Deutschlands NPD ist Vorbild dieser rechtsextremen Partei. „Schwedens einzige einwanderungskritische Wochenzeitung“ prangt unter dem Logo von Nationell Idag.
„Die staatliche Behörde, die diese Gelder verteilt, muss ganz neutral sein. Sie hat kein Recht, einen politischen Maßstab anzulegen“, betont Jigenius. Bei der gegenwärtigen gesetzlichen Ausformung des Pressesubventionssystems stimmt das. Auch wenn Schweden – anders als beispielsweise Dänemark, das generelle Pressesubventionen kennt – ein selektives Fördersystem hat. Maßgeblich für eine Förderung ist allein die Marktposition einer Zeitung. „Zweitzeitung“ ist das entscheidende Kriterium.
Ausgleichend eingreifen
Das hat historische Gründe. Der Marktmechanismus führe zum Zeitungssterben, konstatierte Ende der 1960er Jahre eine Regierungskommission. Wenn ein Viertel aller schwedischen Tageszeitungen in ihrer Existenz gefährdet seien, dann wegen der Macht des jeweils auflagenstärksten Akteurs am Ort: Der schöpfe den Hauptteil der Anzeigeneinnahmen ab und konkurriere damit die anderen Titel aus. Diese Entwicklung wurde als Bedrohung der für die Demokratie wichtigen Meinungsvielfalt gesehen. Der Staat habe deshalb die Aufgabe, ausgleichend in das Marktgeschehen einzugreifen.
Seither soll der „Presstöd“ („Pressestütze“) den Wettbewerbsnachteil des und der nicht-auflagenstärksten örtlichen Konkurrenten zumindest teilweise ausgleichen. Tages- oder Wochenzeitungen, die am Erscheinungsort weniger als 30 Prozent der Haushalte erreichen, haben einen Anspruch auf Betriebssubventionen. Die sollen dazu beitragen, ein attraktives redaktionelles Angebot trotz geringerer Einnahmen aufrechtzuerhalten. Weitere Subventionsvoraussetzungen sind ein mindestens wöchentlicher Erscheinungsrhythmus, eine Auflage von über 1.500 Exemplaren, die mehrheitlich abonniert ist, sowie ein zu mehr als 55 Prozent eigenproduzierter redaktioneller Inhalt. Die Zeitung soll außerdem primär Nachrichten und Meinungen vermitteln. 2012 erhielten 90 Titel umgerechnet knapp 60 Millionen Euro jährlich an solchen Betriebssubventionen. Bei einigen Zeitungen decken die staatlichen Gelder fast ein Drittel der Produktionskosten. Für alle Verlage, die sich an einer gemeinschaftlichen Pressevertriebsgesellschaft beteiligen, gibt es daneben noch eine allgemeine Vertriebskostensubvention. Sie beläuft sich derzeit auf umgerechnet 7,5 Millionen Euro und umfasst 137 Tageszeitungen. Außerdem zahlt die Tagespresse nur ein Viertel des generellen Mehrwertsteuersatzes.
Prinzipiell akzeptiert
Ganz konnte der „Presstöd“ das Zeitungssterben nicht verhindern. Er zementierte aber in weiten Teilen des Landes einige Jahrzehnte lang den Status Quo. So überlebte in Stockholm Svenska Dagbladet im Schatten von Dagens Nyheter und in Malmö Skanska Dagbladet neben dem übermächtigen Sydsvenska Dagbladet nur dank jährlicher Pressesubventionen in Höhe von zuletzt jeweils rund 7 Millionen Euro. Die EU-Kommission, die das Modell unter Wettbewerbsgesichtspunkten unter die Lupe nahm, akzeptierte es im Prinzip, bemängelte aber die Höhe der Subventionen: Bis 2016 muss deshalb die Förderung der beiden Großstadt-Zweitzeitungen auf maximal 5,3 Millionen Euro gesenkt werden. Doch die Titelvielfalt ist vielerorts nur noch Kulisse. Wenige Zweitzeitungen erscheinen noch in eigener Regie. Viele wurden vom Verlag des Marktführes aufgekauft, für den sich dank der Subventionen die Weiterführung des Titels rechnet. Andere gehören großen Konzernen. So fließt der „Presstöd“ für Svenska Dagbladet in die Tasche des norwegischen Schibsted-Verlags.
Reformbedürfnis besteht – darin sind sich alle politischen Parteien einig. Aus dem konservativ-liberalen Regierungslager kommt die Forderung nach einer Abschaffung jedenfalls der selektiven Zweitzeitungs-Subventionen. Debattiert werden derzeit spezielle Hilfen für die Umstellung auf digitale Produktion. „Meine Aufgabe ist, den Bürgern eine umfassende und unabhängige Nachrichtenvermittlung zu ermöglichen“, erklärte kürzlich die konservative Kultusministerin Lena Adelsohn Liljeroth: „Aber nicht, einen Markt für Tageszeitungen zu schaffen.“
Innerhalb der rot-grünen Opposition denkt man über eine Übertragung des „Public Service“-Gedankens von Rundfunk und Fernsehen auf Zeitungen nach. Lanciert wurde der Vorschlag einer Art „Deal“ zwischen dem Staat und den Verlagen, wonach Zeitungen, die sich zu einem journalistischen Mindeststandard verpflichten, im Gegenzug staatliche Zuschüsse erhalten sollen: Eine „demokratische Betriebssubvention“.
Bis Herbst soll eine vor 2 Jahren eingesetzte parlamentarische Kommission Vorschläge unterbreiten, wie es mit dem „Presstöd“ ab 2017 weitergehen soll. Welcher Weg dann eingeschlagen wird, dürfte entscheidend vom Ausgang der Parlamentswahl im Herbst 2014 abhängen.
M berichtete 6-7/2010