Verhaftungswelle im Iran

Kontrolle und Einschüchterung von Journalisten vor der Präsidentenwahl

Am 14. Juni wird im Iran ein neuer Präsident gewählt. Mahmud Ahmadinedschad darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren. Doch im Vorfeld der Wahlen ist eine freie Berichterstattung über seine potenziellen Nachfolger nicht möglich. Über die verschärften Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten sowie über weitere Verletzungen der Pressefreiheit vor der Wahl informierten die Internationale Journalisten Föderation (IJF) und Reporter ohne Grenzen in einem Pressegespräch im ver.di-Haus in Berlin.

Reza Moini, Iran-Referent bei ROG und Ali Mazrooei (r.), Vorsitzender der inzwischen verbotenen iranischen Journalistengewerkschaft. Foto: Christian Ditsch / version-foto.de
Reza Moini, Iran-Referent bei ROG und
Ali Mazrooei (r.), Vorsitzender der
inzwischen verbotenen iranischen
Journalistengewerkschaft.
Foto: Christian Ditsch / version-foto.de

Zahlreiche Journalisten waren der Einladung am 17. April gefolgt, um von Ali Mazrooei, Vorsitzender der inzwischen verbotenen iranischen Journalistengewerkschaft; Reza Moini, Iran-Referent im internationalen Sekretariat von Reporter ohne Grenzen; dem Journalisten Ehsan Mehrabi sowie Ehsan Norouzi von der Deutschen Welle mehr über die „Vorbeugende Einschüchterung – Journalisten im Iran vor der Präsidentenwahl“ zu erfahren. Mazrooei war nach dem Wahlbetrug von Staatspräsidenten Ahmadinedschad und der grünen Protestbewegung im Jahr 2009 gezwungen, ins Exil zu flüchten. Das Büro der Journalistengewerkschaft wurde geschlossen, mehrere Mitglieder sind verhaftet worden und sitzen seitdem im Gefängnis. Diejenigen, die in „Freiheit“ leben, dürfen ihren Beruf nicht ausüben.
Der Machtkampf innerhalb der politischen Klasse der Islamischen Republik ist derzeit offen entbrannt. Das konservative Lager ist verunsichert und tief gespalten, das Reformlager kaltgestellt. Die beiden Vormänner der Grünen Reformbewegung von 2009, Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, stehen seit zwei Jahren unter Hausarrest und sind völlig isoliert. Um eine freie Berichterstattung zu unterbinden, läuft seit Januar eine Verhaftungswelle gegen Dutzende Journalisten, denen Kontakte zum Ausland vorgeworfen werden.
Mazrooei berichtete von der „Architektur“ der Wahlen durch das Militär und das Informationsministerium. Es solle alles so arrangiert werden, damit das gewünschte Ergebnis erzielt werde. Dazu gehörten die systematische Kontrolle und Beherrschung der Medien und die Einschüchterung von Journalisten. Die Rahmenbedingungen für die freie Berichterstattung unabhängiger Medien sind schlecht. Die iranischen Agenturen, Rundfunk und Fernsehen sind staatlich.

Falsche Anschuldigungen.

Nach den Wahlen 2009 wurden über 200 Journalisten verhaftet, bei einigen auch die Ehefrauen. Zurzeit sind 24 Journalisten im Gefängnis, zehn davon seit 2009. Reza Moini sprach von insgesamt 45 Journalisten und Bloggern, die zu Haftstrafen zwischen 1 und 20 Jahren verurteil worden sind. Den verhafteten Journalisten wird Handel mit Drogen, Spionagetätigkeit und Gefährdung der nationalen Sicherheit des Landes unterstellt. Sie werden solange gefoltert, bis sie ein Geständnis vor der Kamera ablegen. Wie im Fall des kanadisch-iranischen Dokumentarfilmers und Journalisten Maziar Bahari. Er wurde gefoltert und unter Druck gesetzt, musste vor den Kameras der staatlichen Radio- und Fernsehstation Seda va Sima falsche Geständnisse ablegen, in denen er sich selbst belastete. Er hatte gefilmt, wie Basijis (Freiwillige Schlägertrupps) während der Proteste vom 15. Juni 2009 in die Menge schossen. Sein Film zeigt deutlich, wie mehrere Demonstranten auf der Straße getötet wurden. Bahari, der als Journalist für Newsweek arbeitete, wurde im September 2009 aufgrund des hohen Drucks der internationalen Gemeinschaft freigelassen. Nach seiner Freilassung berichtete er in westlichen Medien von den Foltermethoden des islamischen Regimes.
Der Nationale Sicherheitsrat Irans und andere Staatsorgane sind befugt, den Medien eine Schweigepflicht über bestimmte Themen aufzuerlegen, etwa über die Atomdebatte, die Inflation und die Abwertung der Devisen, sogar in Ungnade gefallene Personen dürfen nicht in den Zeitungen genannt werden, wie zeitweise der ehemalige Staatspräsidenten Chatami oder Rafsanjani. Auch die Familienangehörigen der Journalisten bleiben von den Schikanen des Geheimdienstministeriums nicht verschont. Die Dreistigkeit der Zensurbehörden kennt keine Grenzen. Wenn eine Zeitung nicht über bestimmte Ereignisse, wie den Jahrestag der Revolution berichtet, wird sie zur Rechenschaft gezogen. Staatliche Einschüchterung führt auch zu Selbstzensur und Existenzangst. „Man muss selbst herausfinden, wo die roten Linien sind“, sagte Mazrooei. Zudem werde versucht, das Internet unter Kontrolle zu bringen, ein eigenes „Nationales Internet“ durchzusetzen. Mit entsprechenden Filtern werde Zensur betrieben.
Mazrooei und Moini appellierten übereinstimmend an die deutschen Journalisten: „Reisen Sie in den Iran, um umfassend über die Präsidentschaftswahl am 14. Juni zu berichten. Obwohl viele Journalisten kein Visum erhalten würden. Aber, versuchen Sie es!“ Die Journalisten und Journalistinnen bräuchten dringend die Solidarität ihrer Kollegen. „Wenn wir vom Schreibverbot betroffen sind, schreiben Sie über uns“, forderte Moini die deutschen Journalisten auf.

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