Entwicklung vom Fachverlag zum Fachinformationsanbieter
Die deutschen Fachverlage schauen optimistisch in die Zukunft. Für jeden zweiten Verlag ist das Jahr 2006 besser verlaufen als das Jahr 2005. Und nach einer aktuellen Umfrage sind die Umsatzerwartungen in das Jahr 2007 bei 55 Prozent der Verlage höher als die Jahresergebnisse 2006. Wachstum verheißen insbesondere die drei Geschäftsfelder Fachzeitschriften, Elektronische Medien und Dienstleistungen.
Bei den Fachzeitschriften sind die Umsatzsteigerungen absolut gesehen am höchsten: Allein im Anzeigengeschäft gab es 61 Mio. Euro Gesamtwachstum. Relativ gesehen klettern aber die Umsätze der beiden anderen Felder schneller: Die elektronischen Medien erlösten mit insgesamt 231 Mio. Euro im Jahr 2006 deutliche 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Dienstleistungen (Seminare, Messen, …) mit insgesamt 133 Mio. Euro gut 9 Prozent mehr.
Schon frühzeitig haben die Fachverlage die Erweiterung ihres Angebotes hin zu den Fachmedien begonnen. Bei ihnen bedurfte es keines Web 2.0, um wieder Hoffnungen in Onlinemedien zu wecken. Denn business to business war die Bereitschaft schon immer ausgeprägt, geldwerte Informationen auch im Internet zu honorieren. Daher haben die Fachverlage seit Mitte der 90er Jahre behutsam aber stetig neue elektronische Geschäftsfelder offline und online erkundet. Bereits 1992 hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hierzu den „Arbeitskreis Elektronisches Publizieren“ (AKEP) begründet. Seit 1994 gibt es entsprechende Gremien auch bei der Deutschen Fachpresse.
Zunächst ging es um die Produktion von elektronischen Offline-Angeboten auf CD-ROMs. Vor inzwischen 12 Jahren, 1995, erschienen in Deutschland gut 1.500 CD-ROMs mit einer ISBN-Nummer. Inzwischen sind diese Produktionszahlen deutlich gesunken.
Auch Erfahrungen mit der Vermarktung von Online-Datenbanken haben einige Anbieter seit langem. Schon in den 70er Jahren wurden in Großrechnern Datenbestände gesammelt und über Daten- und Telefonleitungen abgerufen. GENIOS zum Beispiel gibt es nicht erst seit dem www – hier konnten Großkunden schon Ende der 70er Jahre über DATEX-P online kostenpflichtige Volltextrecherchen in ausgewählten Periodika und in Datenbanken durchführen. Solche Services nutzten in der Regel nur Großkonzerne, Banken und Behörden.
Durch das www konnten diese Informationen einem erheblich breiteren Interessentenkreis angeboten werden. Zudem wurde die Navigation in den Datenbanken einfacher, Schulungen zur Einübung der Selektionsbefehle verzichtbar. Auch die Bereitstellung der Daten ging rascher und immer mehr Zeitschrifteninhalte wurden zur elektronischen Nutzung und Archivierung aufbereitet. Zugleich erkannten viele Großunternehmen und vor allem Hochschul- und andere Bibliotheken rasch den Vorteil von elektronischen Editionen der Fachpresse. Sie wollten ihren Nutzern ganze Zeitschrifteninhalte auf elektronischem Wege bereitstellen. Denn die traditionellen Beschaffungs-, Bereitstellungs-, Ausleih- und Archivroutinen für gedruckte Zeitschriften sind langwierig und ressourcenbindend.
Elektronische Datenbank
Bereits die CD-ROM erschloss neue Geschäftsfelder: Zum Beispiel computerunterstützte Lerneinheiten für die Weiterbildung, die unter dem Kürzel CBT in den 90er Jahren große Verbreitung fanden. Auch zeigte sich rasch die Überlegenheit von Verzeichnissen, die in elektronischen Datenbanken bereitgestellt wurden, gegenüber gedruckten Verzeichnissen. Ob Lieferantenadressen, Firmenverzeichnisse oder Produktkataloge – die Daten sind aktueller, lassen sich schneller und vielfältiger exportieren und in Nutzerdatenbanken überführen.
Ein weiteres neues Betätigungsfeld sind elektronische Newsletter und News-Bereiche auf den Websites. Rund 50 Prozent aller Fachzeitschriften erscheinen monatlich. Diesen Aktualitätsnachteil können die Verlage damit nun ausgleichen. So liegt es auf der Hand, dass auch kleinere Fachpresseverlage grundsätzlich gute Chancen hatten und haben, mit ihren hoch spezialisierten Fachinformationen offline und online Geld zu verdienen. Der hohe Spezialisierungsgrad und das vielfältige Nischendasein erlaubten auch ein kooperatives Erarbeiten und Erlernen von Offline- und Onlinestrategien. Während die Verlage der Publikumspresse entsprechend der harten Konkurrenz ihrer großen Printtitel eher ein Hauen und Stechen, mit „ich bin aber schon drin“, „ich hab aber mehr Webseiten“, „ich habe aber die aufwendigeren Applikationen“ vollführten und damit etliche Finanzmittel unwiederbringlich versenkten, tauschten die Fachverleger in Ruhe ihre Best-Practice-Modelle aus.
Inzwischen diskutieren die Fachpresse-Verlage Strategien der „Fachmedien von Print bis Web 2.0“. Denn die neuen Angebote Blogs, Potcast und Web-TV sind offensichtlich nicht nur für Consumer attraktiv. Auch business to business werden Informationen zunehmend in Bewegtbildern angeboten oder online zur Diskussion gestellt.
Auf Platz eins steht eine reine Lieferanten-Datenbank ohne redaktionelle Inhalte. Bereits 1932 erschien die erste Buchausgabe von „Wer liefert was?“. Ab 1970 gab es das Verzeichnis auf Microfiche. 1986 folgte die erste deutsche CD-ROM. 1995 ging das Verzeichnis ins Internet, fünf Jahre später wurde die Buchausgabe eingestellt. Seit dem Jahr 2000 ist der Verlag eine Tochtergesellschaft des schwedischen Konzerns Eniro AB, Skandinaviens führendem Anbieter von Nachschlagewerken und Informationsdienstleistungen.
Gleich dreimal in der Tabelle vertreten ist die deutsche Tochter der international tätigen IDG mit ihren Angeboten zu den Bereichen Informationstechnik (Computerwoche), IT-/TK-Handel (Channelpartner) sowie IT-Strategien für Manager (CIO). Alle drei Websites tragen den Namen von Fachzeitschriften. Zum Vergleich mit den monatlichen Visits der Websites hier die Vertriebszahlen der Zeitschriften: Die „Computerwoche“ findet wöchentlich etwa 30.400 Käufer bei einer Verbreitung von 55.200 Exemplaren. „Channelpartner“ kommt wöchentlich auf 3.500 Verkaufsstücke bei einer Verbreitung von 34.000 Heften. „Cio“ erscheint 10 mal im Jahr, je Nummer werden 23.600 Exemplare verbreitet und davon 1.600 Hefte verkauft. Es sind also gar nicht die auflagenstärksten Fachzeitschriften, die automatisch auch die höchsten Visits auf ihren Websites erzielen. Aber es sind auch nicht die internet-affinen Titel allein, die im Web erfolgreich sind. Denn die Plätze 4 und 5 nehmen die Websites zweier Ärztetitel ein. Die „Ärzte Zeitung“ erscheint als einzige „Tageszeitung für Ärzte“ fünfmal wöchentlich in einem Tochterverlag von Springer Science + Business Media mit 65.000 Exemplaren, von denen 19.000 verkauft werden. Das „Deutsche Ärzteblatt“ hingegen ist für eine Fachzeitschrift hochauflagig. Es erscheint im 104. Jahrgang wöchentlich mit 387.000 verbreiteten und weitgehend auch verkauften Exemplaren und ist die offizielle Publikation der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Beide Institutionen sind auch die Gesellschafter des Verlages.
Die Webangebote auf den nächsten drei Plätzen haben keine unmittelbare Titel-Entsprechung in der Fachpresse. Baunetz und Mediabiz sind als Branchenplattformen konzipiert, Traktorpool als Landmaschinen-Markt. Das „Baunetz“ ging bereits vor elf Jahren online – drei Bauverlage der damaligen Bertelsmann Fachinformationen hatten sich hierfür zusammengetan. Architekten, TGA-Fachplaner, Bauausführende und Facility Manager erhalten hier relevante Informationen und Hilfen für ihre tägliche Arbeit. Aber auch private Bauherren finden umfangreiche Informationen rund ums Eigenheim. Heute verweist diese Plattform auf sechs Fachzeitschriften, hat über 30 Kooperationspartner eingebunden und mehr als 150.000 registrierte Nutzer.
In 15 Sprachen abrufbar
„Traktorpool“ vom Landwirtschaftsverlag in Münster besteht seit November 2000. Mit neuen Sprachversionen für Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Italien und China ist traktorpool in 15 Sprachen abrufbar. Inzwischen sind 16 eigenständige traktorpool-Domains in Europa aktiv. Die Fachzeitschriften des Landwirtschaftsverlags haben hingegen ihre eigenen Websites. Das Fachportal„Mediabiz“ richtet sich an die Profis der Entertainmentbranche. Im kostenpflichtigen Premiumdienst ist ein täglicher Newsletter enthalten. Unterhalb der Portalebene finden sich sechs Fachauftritte, die mit entsprechenden Fachzeitschriften des Entertainment Media Verlags korrespondieren.
Die Medienfachzeitschrift „Werben & Verkaufen“ hat gedruckt wöchentlich 31.000 Käufer bei insgesamt 32.000 verbreiteten Heften. Hingegen beziehen 47.000 Abonnenten den kostenlosen Email-Newsletter. Beim Onlineauftritt des Magazins wird neben den redaktionellen Inhalten der Stellenmarkt sehr stark genutzt. Den Kombinationszwang Print/Online für Stellenanzeigen hat der Verlag jüngst aufgehoben. Jetzt kann auch „online only“ inseriert werden.
Fachzeitschrift des Jahres
Im Rahmen des Kongresses der Deutschen Fachpresse wurden die Gewinner des Awards „Fachzeitschrift des Jahres 2007 – Preis der Deutschen Fachpresse“ ausgezeichnet:
Business Spotlight aus dem Spotlight Verlag überzeugte in der Kategorie „Wissenschaft / RWS“. Im Bereich „Industrie / Technik“ erreichte Process, Vogel Industrie Medien, den ersten Platz. Der Titel Altenheim von Vincentz Network ist Sieger der Kategorie „Handel / Dienstleistungen“. Zur besten Fachzeitschrift aus dem Bereich „Handwerk / Agrar“ kürte die Jury top agrar aus dem Landwirtschaftsverlag. Und das Deutsche Ärzteblatt aus dem Deutschen Ärzte-Verlag ist Spitzenreiter der Kategorie Medizin / Pharma.