Dschungelbuch

Der ultimative Freien-Ratgeber für den WDR-Alltag

Dem Klassiker „Ratgeber Freie“ von Goetz Buchholz, für den gerade eine Neuauflage vorbereitet wird, steht jetzt ein jüngerer Bruder zur Seite. Was im Untertitel als „Handbuch für Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunk Köln“ firmiert, betrifft die Hörfunk- und Fernsehbranche.

Es richtet sich allerdings nicht nur an jene 20 000 Freien, die nach Angaben des WDR immer wieder mal für die Kölner Sendeanstalt direkt tätig werden. Viele der Tipps und Ratschläge sind – zumindest im Prinzip – für alle zutreffend, die sich eine Schneise des Verständnisses und der Rechtewahrung in den „Dschungel“ des täglichen Umgangs mit großen Sendern zu schlagen haben. Und grundsätzlich gilt dabei, was Autor Ulli Schauen im Vorwort beschrieben hat: Service-Ratschläge nach Kochbuch-Art lassen sich leider nicht geben. „Statt „Man nehme und tue Folgendes“ heißt es daher häufig: „Kommt darauf an“ oder sogar: „Muss kollektiv gelöst werden“ bzw. „Bitte Rückgrat beweisen.“

Dennoch zielt der Autor stark auf den praktischen Nutzen: Nicht nur, dass einzelne Tipps und spezielle Aktionsvorschläge grafisch hervorgehoben sind, er bietet dem „Schnell-Leser“ am Anfang auch eine Checkliste zu häufig auftretenden existenziellen Fragen.

Klar wird: Im Gegensatz zur tatsächlichen Bedeutung der Freien – beim WDR gestalten sie mittlerweile den Hauptteil der Programmminuten, rund 21 000 Verträge schließt die Anstalt jährlich mit ihnen ab – spielen die freien Mitarbeiter in der Unternehmensplanung eine eher geringe Rolle. Sie bilden eine disponible Verschiebemasse und müssen sich um sich selber kümmern. Dass Schauen dennoch vermittelt, dass es Spaß machen kann, für den Sender zu arbeiten, ist auch vielen Festangestellten des WDR zu danken, die sich bereit gefunden haben, über ihre Arbeitsbereiche und Verfahrensweisen zu sprechen. Kollegen aus dem WDR-Freiensprecherrat und Verhandlungsführer bei Tarifverhandlungen gaben ebenfalls wichtige Hinweise. Schließlich schöpft Schauen aus dem eigenen reichen Erfahrungsschatz. Er ist dem WDR seit seiner ersten Redaktionshospitanz 1981als fester oder freier Mitarbeiter verbunden und seit 2001 zudem Vorsitzender der ver.di-Bundeskommission für Freie und Selbständige. Das gesammelte Hintergrundwissen kommt dem Leser zwischen zwei Paperback-Deckeln thematisch wohlgeordnet und detailliert gegliedert zugute. Neben den erwartungsgemäß abgehandelten „harten“ Feldern Honorare – hier ist die Tabelle der WDR-Mindesthonorare hervorhebenswert – Tarife, Urheberrechte, Verträge, – der Frage „Selbständig oder nichtselbständig?“ ist ein eigener Abschnitt gewidmet – Versicherungen, Altersversorgung, Steuern kommen auch „weiche Faktoren“ wie Konflikte mit dem Sender oder Selbstvermarktung zur Sprache. Außergewöhnlich das, was unter „Prognose“ über Gepflogenheiten bei Abschätzen des Beschäftigungsumfangs beschrieben wird. Abschnitte zu den Informationsquellen und Archiven des WDR runden das Bild ab. Ganz am Ende stehen Tipps für den Arbeitsalltag – beginnend beim Hausausweis, einem Wegweiser durch Gebäude und Kostenträger bis zu Datenschutz, Fortbildungsmöglichkeiten und Kantinenversorgung.

Freie, die bei ver.di im Betriebsverband NRW organisiert sind, erhalten das Buch dort kostenlos. Bei anderen Betriebsverbänden lohnt sich eine Nachfrage.


Ulli Schauen:
Das WDR-Dschungelbuch.
Handbuch für Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks Köln,
Verlag Kiepenheuer & Wisch,
Köln 2002,
271 Seiten, 19,90 Euro,
ISBN 3-462-03525-8

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »