Fair Radio

Bald ist es wieder soweit. Dann ist die all-herbstliche „Gewinnspiel Saison“ in den Privatsendern voll eröffnet. Das liegt nicht etwa daran, dass deutsche Privat- bzw. Kommerzsender zuviel Geld hätten, das sie gerne an die Hörer weitergeben möchten. Nein, es liegt an der alljährlich auch im Herbst stattfindenden Umfrage zur Medienanalyse. Wer jetzt nicht bei den Hörerquoten zulegt, verliert zukünftig viel Werbegeld.

Also werden Hörer mit hohen Gewinnversprechen gelockt, vom Auto bis zu 100.000 Euro. Viele Gewinnspiele sehen oft gar keine Gewinner vor! Hauptsache die Hörer rufen an und die Quote steigt. Eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus dem Privatradiobereich haben diese Spielchen satt, haben genug vom Hörerbetrug. Der Frust ist groß. Auch die „Öffentlich-rechtlichen“ machen in ihren Radioprogrammen Kritikpunkte aus. Und so waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „Radio Zukunft 2010“ der Bundeszentrale für politische Bildung in der Akademie für politische Bildung am Starnberger See einig, dass nun etwas geschehen müsse. Sie formulierten den „Tutzinger Appell“ und gründeten die Initiative „Fair Radio“. Endlich soll in vielen Redaktionen mal wieder die Recherche einziehen. Beiträge sollten nicht mehr nur wegen der Schnelligkeit oder der vermeintlichen Aktualität teilweise unrecherchiert ins Programm gehievt werden. Keine PR in redaktionellen Beiträgen! Auch müsse die „Schauspielerei“ abgeschafft werden. Da werden Beiträge angeblich von „vor Ort“ gesendet, bei denen aber niemand vor Ort war. Korrespondenten, die für alle arbeiten, werden urplötzlich zu eigenen Korrespondenten. All das kann doch nicht im Sinne des Radiojournalismus sein.
Vor diesem Hintergrund fordert der „Tutzinger Appell“ ein offenes, transparentes und vor allem ehrlicheres Radio. Sechs Leitlinien wurden formuliert. Ziel ist es die Glaubwürdigkeit des Mediums Radio wieder zu stärken. „Nur Radio, das seine Hörer nicht belügt, wird als Medium im digitalen Zeitalter bestehen“, so die Überzeugung.
Das ist anscheinend auf offene Ohren gestoßen, wie die Reaktionen beweisen. Interviews im Radio, großes Interesse im Internet, die Sache „Fair Radio“ ist ins Laufen gekommen. Die Bundeszentrale setzt sich ebenfalls mit der Plattform Hörfunker.de für mehr Qualität im Radio ein. Jetzt träumen alle einen Traum: Dass eines nicht zu fernen Tages viele Sender sich zum „Fair Radio Label“ bekennen und wieder stolz darauf sind, das ihr Programm verlässlich, ehrlich und transparent ist und das Tricks aller Art nicht mehr nötig hat. Das nämlich sind wir den Hörern schuldig! www.fair-radio.de

Weitere aktuelle Beiträge

RBB: Nach- und Neubesetzungen

Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wird es voraussichtlich im Herbst eine neue Leitung der Programmdirektion geben. Es gehe darum, dann die Neubesetzung mit dem eingeleiteten Konsolidierungs- und Reorganisationsprozess aufeinander abzustimmen, erklärte der RBB auf Anfrage. Damit wird es keine schnelle Nachbesetzung der Programmdirektorenstelle geben.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »