Stark belastet, wenig abgesichert

Arbeitsbedingungen von Filmschaffenden unter die Lupe genommen

Nahezu 1.000 Filmschaffende hatten auf eine umfangreiche Befragung zu ihren Arbeitsbedingungen geantwortet, die von Januar bis März dieses Jahres vom BundesFilmVerband und connexx.av durchgeführt und von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde.

Der Sozialforscher Rolf Satzer von BiB (Befragung im Betrieb) stellte im Rahmen des diesjährigen Münchner Filmfestes erste Ergebnisse vor. Im Oktober soll die Studie „Ausgeleuchtet. Vom Arbeiten und Leben in der Filmindustrie“ dann vollständig zur Verfügung stehen.
Das Gros der Filmschaffenden zeichnet sich durch einen hohen Bildungsstand aus: 81,4 % der Befragten haben Abitur, ca. die Hälfte hat ein Studium absolviert. Länger als 10 Jahre arbeiten 55 % im Filmgeschäft. Über 40 % sind alleinstehend, davon 3,7 % alleinerziehend. Die Beschäftigungsarten: 60,5 % sind auf Produktionsdauer, 25,9 % selbstständig und 11,6 % im ständigen Wechsel beschäftigt.
Einen Schwerpunkt legt die Befragung auf die Belastungsfaktoren: 60,9 % fühlen sich stark bis sehr stark gesundheitlich angegriffen. Alarmierend: 87,6 % fühlen sich durch die Arbeitszeiten stark bis sehr stark belastet, bei über 92 % steht Mehrarbeit auf der Tagesordnung. 68,1 % können Beruf und Privatleben schwer bis sehr schwer vereinbaren. Mit ihrer sozialen Absicherung sind 78,2 % unzufrieden, 57,6 % schätzen die Zukunft der Branche instabil ein, 26,2 % wollen die Branche wechseln. Lediglich 14 % halten ihre Entwicklungschancen für gut. Das Durchschnittsjahreseinkommen entspricht in etwa dem eines Facharbeiters in der Metallindustrie.
Bereits vor der Verkürzung der Rahmenfrist von 3 auf 2 Jahre waren knapp ein Viertel der Befragten von Hartz IV betroffen, die Zahl hat sich seit Verkürzung der Rahmenfrist auf knapp 30 % erhöht. Durch die Arbeitslosengeld-II-Falle erlitten 25,1 % finanzielle Einbußen, 5,4 % wurden in branchenfremde Arbeit, 2,4 % wurden in 1-Euro-Jobs vermittelt. Viele verzichten darauf Alg II zu beantragen und schmelzen ihr Vermögen ab (54,6 %), ein erheblicher Teil (44,5 %) verbraucht bereits Vermögen aus der Altersvorsorge.
Die Ansprüche an die Gewerkschaft liegen vor allem in ihren Kernaufgaben, auch wenn über die Hälfte der Befragten nicht organisiert ist: 64,9 % erwarten Tarifarbeit, 72,7 % wollen arbeitsvertraglich oder fachlich beraten werden, 54,3 % verbinden connexx.av / ver.di mit filmpolitischer Lobbyarbeit. Als besonders markant hob Satzer hervor, dass zahlreiche Befragte die Gelegenheiten zu freien Antwortmöglichkeiten ausführlich nutzten. Ohne diese Antworten qualitativ bewerten zu können, ließe sich daraus schließen, dass die Befragung sehr wichtig genommen würde.

In der Diskussion zwischen Claudia Jüterbock, Vorstandsmitglied des BundesFilmVerbandes in ver.di, Schauspieler Heinrich Schafmeister, Vorstandsmitglied vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler und dem Publikum wurde vor allem deutlich, dass die Branche unter der Zersplitterung der Interessen leidet und Probleme wie die soziale Absicherung in den verschiedenen Berufsgruppen sehr differenziert sind. Weitgehend einig war sich das Plenum jedoch, dass mit Geduld hartnäckig und vereint an einer Lösung für alle Filmschaffenden gearbeitet werden müsse. In diesem Zusammenhang wies Jüterbock auf die Notwendigkeit der Unterschrifteninitiative 5 statt 12 hin, mit der gefordert wird, die Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld I erheblich zu vereinfachen und die Tarifbindung zur Bedingung für die Filmförderung zu machen.

Bezug der Studie

Die Studie kann unter mail@connexx-av.de vorbestellt und voraussichtlich ab Oktober bezogen werden.
Kathlen Eggerling, connexx.av München kathlen.eggerling@connexx-av.de

Weitere aktuelle Beiträge

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

RBB: Nach- und Neubesetzungen

Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wird es voraussichtlich im Herbst eine neue Leitung der Programmdirektion geben. Es gehe darum, dann die Neubesetzung mit dem eingeleiteten Konsolidierungs- und Reorganisationsprozess aufeinander abzustimmen, erklärte der RBB auf Anfrage. Damit wird es keine schnelle Nachbesetzung der Programmdirektorenstelle geben.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »