Editorial: Marktverschiebungen

Im Spitzenfeld der größten Verlagsgruppen in Deutschland werden die Karten gerade heftig neu gemischt. Die Springer AG verkaufte Anfang Februar ihre Beteiligungen an mehreren Regionalzeitungen an die Hannoversche Verlagsgruppe Madsack: Leipziger Volkszeitung (50 Prozent), Lübecker Nachrichten (49 Prozent), Kieler Nachrichten (24,5 Prozent).

Dazu kommt der Anteil an der norddeutschen Verlagsholding Hanseatische Verlags-Beteiligung (23 Prozent). Gleichzeitig übernehmen die Lübecker Nachrichten den Springer-Anteil an der Ostsee-Zeitung in Rostock (50 Prozent). Madsack baut damit seine Machtstellung vor allem im Norden weiter aus und eroberte Platz fünf im Ranking auf dem Tageszeitungsmarkt, blickt man auf die verkaufte Gesamtauflage aller Titel.
Platzhirsch ist ungebrochen Springer mit seiner Bild-Zeitung von mehr als 3,2 Millionen verkaufter Auflage. Die neusten Transaktionen spülen ihm 310 Millionen Euro in die Kasse. Das Geld soll für „Investitionen in die eigenen Zeitungen, den multimedialen Ausbau der Marken und für Akquisitionen neuer Online-Wachstumsgeschäfte“ verwendet werden, hieß es aus der Konzernzentrale in Berlin. Auch Madsack betonte, die Titel mithilfe neuer Medientechnologien weiter ausbauen und entwickeln zu wollen. Sicher kann man sie beim Wort nehmen. Die Frage ist nur: Wie und auf wessen Kosten wird dieser Weg beschritten? Bleibt die Eigenständigkeit der Titel – beispielsweise der Ostsee-Zeitung (153.000 Auflage) in völliger Abhängigkeit von den Lübecker Nachrichten auf der Strecke? Wird die Presse- und Meinungsvielfalt, die besonders im Norden ohnehin nicht sehr ausgeprägt ist, erhalten oder schreitet die gemeinsame „Mantelproduktion“ weiter voran, wie jüngst beim Nordkurier und der Schweriner Volkszeitung. Auch die unübersehbaren Tendenzen zur Zentralisierung und Auslagerung von Verlags-, aber auch von redaktionellen Bereichen beim in Hannover ansässigen Konzern, geben Anlass zur Soreg um Arbeitsplätze, tariflich bezahlte Jobs und nicht zuletzt um die journalistische Qualität. (www.qualitaet-und-vielfalt-sichern.de)

Während Madsack also drei Plätze gut gemacht hat, zog wenige Wochen zuvor DuMont Schauberg mit dem Kauf der Deutschen Mecom (Berliner Verlag, Hamburger Morgenpost), knapp an der WAZ vorbei auf Platz 3 in der Auflagenstatistik. Damit zog sich der Brite David Montgomery aus Deutschland zurück. Wie Seifenblasen waren seine horrenden Renditeträume rund um eine deutsche regionale Zeitungskette zerplatzt.

Für die betroffenen 900 Beschäftigten an beiden Standorten und die Gewerkschaften ist das ein „Schritt in die richtige Richtung“. Denn alle Erwartungen richten sich nun auf den Kölner Konzern mit Investitionen in Personal und Technik. Allerdings hält dieser mit konzeptionellen Details einer künftigen Strategie noch hinterm Berg. Wachsamkeit heißt daher das oberste Gebot für die Betriebsräte aller Blätter, darunter der Frankfurter Rundschau – nicht zuletzt, um sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen.

Karin Wenk,
verantwortliche Redakteurin

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »

Für mehr Konfrontation

Die Wahlen zum EU-Parlament endeten – nicht unerwartet – in vielen Mitgliedsstaaten mit einem Rechtsruck. In Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und anderswo wurden eher euroskeptische, nationalistische, migrationsfeindliche Kräfte der extremen Rechten gestärkt. Auch in Deutschland haben 16 Prozent der Bürger*innen, mehr als sechs Millionen Menschen für die rechtsextreme, völkische AfD gestimmt – trotz NS-Verharmlosungen, China-Spionage und Schmiergeldern aus Russland. Immerhin sorgte die große Protestwelle der letzten Monate, die vielen Demonstrationen für Demokratie dafür, dass die AfD-Ausbeute an den Wahlurnen nicht noch üppiger ausfiel. Noch Anfang…
mehr »