Schlecht vorbereitet

Zugegeben: Hinterher weiß man’s immer besser. Aber diesmal wäre es doch hilfreich gewesen, wenn Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen, früher, lauter und gründlicher auf das hingewiesen hätten, was sich in den vergangenen Jahren an den amerikanischen Kreditmärkten zusammengebraut hat.

Dann wären Politik und Wissenschaft, Banken und Öffentlichkeit nicht gar so unvorbereitet in die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise hineingeschlittert.
An Warnungen hat es nicht gemangelt. US-Zeitungen und Zeitschriften haben immer wieder wortreich vor dem Platzen der Immobilien-Spekulationsblase gewarnt. Das Weltwirtschaftsforum hat im Januar 2007 die Spekulationen bei Vermögenswerten und die exzessive Verschuldung als Globalrisiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und größtmöglichem Schaden ausgewiesen. Doch „Ihr Deutschen habt lieber nach Bagdad geschaut und Euch über den Irak-Krieg aufgeregt, während wir heimlich die ganze Welt ruiniert haben“, unkte eine amerikanische Satire-Nachrichtensendung.
Als die IKB Bank gerettet werden musste, hatte kaum ein deutscher Mediennutzer je das Wort „Subprime“ gehört oder gelesen. In deutschen Medien konnte man nichts über die merkwürdigen Machenschaften amerikanischer Banken bei der Kreditvergabe erfahren. Bis Ende 2007 hatten noch nicht einmal die Wirtschaftsweisen das üble Spiel der Investmentbanken durchschaut, sondern die Kreditverbriefung als märchenhafte Verwandlung von Stroh in Gold gepriesen. Da hat niemand nachgefragt, wieso US-Banken eiligst ihre Kredite verkaufen. Oder, wieso Banken Kredite kaufen, und das auch noch mit der Erwartung einer höheren Rendite als aus dem eigenen Kreditgeschäft.
Es hätte eines unabhängigen Journalismus bedurft, unabhängig von der herrschenden neoliberalen Ideologie und unabhängig von den Einflüsterungen der Kreditbranche. Es hätte eines Recherche-intensiven Journalismus bedurft, um die Machenschaften im Kreditgewerbe aufzudecken; aber Recherche kostet Geld und ist deshalb in vielen Medien schon lange nicht mehr erwünscht. Eine tiefergehende Recherche bedarf auch sachkundiger Journalisten, die die richtigen Fragen zu stellen wissen; Verleger und Chefredakteure aber, die nur nach der Auflage (oder Quote) schielen, wollen nur noch „Nutzwertiges“ lesen, Aktientipps und „Wie werde ich reich, ohne zu arbeiten“. Und es hätte eines besseren Verständnisses von Globalisierung bedurft. Die bedeutet nämlich auch, dass Menschen in Bottrop oder Bautzen ihren Arbeitsplatz verlieren können, bloß weil in San Diego die Immobilienpreise fallen.

 

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