KEK-Symposium über „medienrelevante verwandte Märkte“
Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) vor ihrem spektakulärsten Fall: In Kürze entscheiden die Konzentrationswächter über die Zulässigkeit des Kaufs von ProSiebenSat.1 durch den Axel Springer Verlag. Mitte Oktober diskutierte die Kommission mit Medienrechtlern und Medienwissenschaftlern auf einem Symposium in Potsdam über die Messbarkeit medialer Meinungsmacht.
Laut Rundfunkstaatsvertrag soll die KEK verhindern, dass private Fernsehunternehmen vorherrschende Meinungsmacht erobern. Eine solche Macht wird dann vermutet, wenn eine Senderkette im Jahresschnitt 30 Prozent Zuschaueranteile erreicht. Gleiches gilt auch schon bei 25 Prozent, falls das betreffende Unternehmen gleichzeitig auf einem so genannten medienrelevanten verwandten Markt eine vorherrschende Stellung hat. Viel mehr steht nicht drin im Gesetz. Wie meist stecken die Tücken im Detail. Was sind überhaupt besonders medienrelevante verwandte Märkte? Gibt es Abstufungen, welche sind dem Fernsehen besonders nahe und wie kann man sie gewichten?
Horst Röper, Geschäftsführer des Dortmunder Formatt-Instituts, erinnerte eingangs an die Entstehungsgeschichte des Zuschauermarkt-Anteilmodells. Die darin enthaltenen Prozentmargen seien von Ex-Wirtschaftsminister Clement und von Stoiber als eine Art Länderkompromiss ausgehandelt worden. Ursprünglich habe man den Wert von 25 Prozent als Marktanteilobergrenze fixieren wollen. Dann aber habe Bertelsmann die CLT übernommen, wodurch der Marktanteil der neu gebildeten CLT-Group diesen kritischen Wert überschritten habe. Daraufhin „musste die Obergrenze angehoben werden, und das geschah über Nacht“, so Röper. Die teilweise„sehr differenzierte und sehr haarklein auf die vermeintlichen Absichten der Gesetzgeber bezogene rundfunkrechtliche Debatte“ stehe „in krassen Widerspruch“ zu dem, „wie Politik in der Praxis gemacht wird“.
Keine Bedeutungsskala
Die KEK muss nun sehen, wie sie mit dieser gesetzlichen Grundlage klar kommt. Professor Hubert Gersdorf von der Uni Rostock wandte sich dagegen, eine Art „Bedeutungsskala“ für die einzelnen Medienmärkte zu entwerfen. Der Gesetzgeber unterscheide schließlich zwischen Fernsehen einerseits und den medienrelevanten Märkten andererseits. Deswegen sei es rechtlich nicht haltbar, die Leserzahlen, die ein Medienunternehmen erzielt, 1:1 mit den Zuschauerzahlen eines Senders gleichzusetzen. Aus Springers Perspektive wohl wahr, denn dies hätte in der Tat dramatische Auswirkungen auf die Bewertung des Springer-Engagements bei ProSiebenSat.1. Schließlich müssten die Konzentrationswächter dann allein rund 11 Millionen Bild-Leser zu dem derzeitigen Zuschaueranteil der Sendergruppe von gut 22 Prozent zählen. Womit der Fusionsfall dann wohl negativ entschieden wäre. An der Bedeutung des Boulevards für das Gewicht von Meinungsmacht gibt es gleichwohl wenig zu deuteln.
Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist die Bewertung von Zuschauer- und Publikumskontakten bei der Kontrolle vorherrschender Meinungsmacht aber gar nicht zu vermeiden. Urteilte zumindest Professor Uwe Hasebrink vom Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Zu prüfen seien vor allem das Gewicht von Hörfunk, Tageszeitungen, Wochenpresse, Publikumszeitschriften, aber auch von Special-Interest-Zeitschriften oder Online-Nutzung. Ob aber analog zum Fernsehen auch bei diesen Mediengattungen allein Reichweiten und Marktanteile geeignete Messlatten für Meinungsmacht seien, zog auch Hasebrink in Zweifel. Denkbar sind für ihn auch andere Kriterien wie etwa die Relevanz eines Mediums für die Meinungsbildung. Es gehe „eben nicht um Eurosport“, sondern „eher um nachrichten- und informationsorientierte Angebote“. Denkbar sei auch, den positiven Einfluss eines Mediums auf eher weiche Kriterien wie „allgemeine Lebensorientierung, Wertvorstellungen Geschmacksmuster“ einzubeziehen.
Dreisatzrechnung und andere mathematische Formeln
Wie aber misst man nun die Bedeutung eines Mediums für die politische Meinungsbildung? Professor Wolfgang Seufert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena plädierte dafür, den Informationsanteil und die Kontaktmenge – beim Hörfunk etwa die Reichweite und die Nutzungsdauer – im Vergleich zum Fernsehen zu ermitteln. Die entscheidende Frage sei aber, ob die Wirkungspotentiale der einzelnen Mediengattungen im Verhältnis 1:1 gewertet werden könnten. Seuferts Vorschlag: Man könne doch – wie die Werbewirtschaft – die Kontaktpreise der einzelnen Medien als Indikator nehmen, um die Qualität des jeweiligen Medienkontakts zu berechnen. Dann ließe sich „mit Dreisatzrechnung“ ermitteln, „was ein Prozent Fernsehmarktanteil in Hörfunkmarktanteil oder in Zeitungsmarktanteil wäre“. Nun ja.
„Es gibt nicht die letzten Wahrheiten und die genauen mathematischen Formeln“, resümierte KEK-Vorsitzender Dieter Dörr etwas ratlos, „das haben unbestimmte Rechtsbegriffe so an sich“. Am bisherigen Zeitplan für den konkreten Fusionsfall Springer-ProSiebenSat.1 Media will die KEK übrigens festhalten. Man sei bemüht, so Dörr, das Verfahren „bis Ende des Jahres“ zu entscheiden.