Erste Brücken gebaut

Urheberkongress: Konstruktiver Dialog zwischen Nutzern und Urhebern

„Die Suche nach dem fairen Gleichgewicht der Interessen von Nutzern und Urhebern steht im Mittelpunkt“. So hatten die Veranstalter, die Initiative Urheberrecht und iRights.Lab, den Urheberkongress 2013 am 6. September im ver.di-Haus in Berlin angekündigt. Das Versprechen wurde von den meisten der rund 200 Teilnehmer eingelöst. In Referaten und Diskussionen überwog der Versuch, konstruktiv Brücken über die aufgerissenen Gräben zu bauen.

Europaparlaments-Mitglied Helga Trüpel auf dem Urheberkongress 2013 in Berlin Foto: Christian von Polentz / transitfoto.de
Europaparlaments-Mitglied
Helga Trüpel auf dem
Urheberkongress 2013 in Berlin
Foto: Christian von Polentz /
transitfoto.de

Anlass über die wechselseitigen Appelle der Vergangenheit hinauszugehen, haben beide Seiten. „Das bisherige System ist an seine Grenzen gestoßen. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir es weiterentwickeln können“, stellte Initiativensprecher Gerhard Pfennig im Eröffnungsstatement fest. Der „Dritte Korb“ der Urheberrechtsreform wurde vollmundig angekündigt. Eingelöst wurde quasi nichts. Die Regierungspolitik sei „aus der Sicht der Urheber eine einzige Enttäuschung“.
Auch in der EU wird um die Weiterentwicklung des Urheberrechts gerungen. In der Kommission gebe es eine starke Tendenz auf Lizenzierung und den Abbau von Hindernissen zu setzen, berichtete die grüne Europaparlamentarierin Helga Trüpel. Entschieden sei das aber noch nicht. „Ein gerechtes Bezahlmodell ist noch nicht gefunden.“ Das Europäische Parlament prüfe deshalb auch, wie das Urhebervertragsrecht verbessert werden könne. Sie halte auch neue Leermedienabgaben für sinnvoll, insbesondere beim Cloud Computing.

„Privatkopie funktioniert“

Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer auf dem Urheberkongress 2013 in Berlin Foto: Christian von Polentz / transitfoto.de
Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer auf dem Urheberkongress 2013 in Berlin
Foto: Christian von Polentz / transitfoto.de

Die Weiterentwicklung der Vergütungen der analogen für die digitale Welt, hält Karl-Nikolaus Peifer ohnehin für den erfolgversprechendsten Weg für die Zukunft – schon wegen des Schutzes der Privatsphäre im Internet. Mit seinem Referat legte der Kölner Medienrechtsprofessor das Fundament für den konstruktiven Diskurs über Privatkopien, Flatrate, Remixes und „Fair Use“. Letzteres, aus dem US-Copyright-System stammend, fand aber weder bei ihm noch auf dem Kongress Befürworter, mit Ausnahme von FU-Professor Leonhard Dobusch.

Peifers These, „die Privatkopie funktioniert“ und kann auch für die digitale Nutzung angewandt werden, fand viel Zustimmung. Der Medienrechtler hält eine „Internetabgabe für konzeptionell möglich und sinnvoll“. Die Übertragung von Leermedien- und Geräteabgaben in die digitale Welt auf Downloads, Streaming, Cloud Computing sei schwierig, aber nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs möglich. Hier hätten die Verwertungsgesellschaften, deren anwesende Vertreter sich auch anboten, eine zentrale Aufgabe. Nur sie könnten „vernünftige Vergütungsregelungen“ für die Urheber erreichen. Notwendig sei außerdem eine Reform des Urhebervertragsrechts.
Flatratemodelle hält Peifer zwar für „konzeptionell tragbar“, aber nur für eine „Second-Best-Lösung“. Wolle man mit Abgaben bei den Internetprovidern anknüpfen, wofür sich viele Diskutanten aussprachen, müsse zudem die EU-Gesetzgebung geändert werden. Das hatte in einer grundlegenden Studie für die Bundestagsfraktion der Grünen 2012 bereits Gerald Spindler aus Göttingen konstatiert. Je nach Vorgaben wären für eine solche Flatrate 6 bis 90 Euro monatlich anzusetzen. Auf dem Kongress nannte er 10 bis 12 Euro als „realistisch“.

Pauschale Vergütungsmodelle

Ob Flatrate oder nicht – Pauschalmodelle hält Professor Spindler gegenüber dem „Chaos bei Einzellizenzen“ für die sinnvollere Variante. Das Problem der „Erhebungs- und Verteilungsgerechtigkeit“ könne durch ein „Finetuning“ der vorhandenen Verteilungssysteme gelöst werden. Auch bei den heutigen Geräteabgaben gebe es Unterscheidungen nach Art der Geräte wie auch eine Ausdifferenzierung bei der Verteilung der Einnahmen. Private Nutzungen ließen sich statistisch durch Vervielfältigungs- und Streamingvorgänge erfassen. „Dazu muss keine Sonde in die Datenleitungen gesetzt werden“, meinte Spindler. Für die Verteilung könne man auf bewährte Methoden wie Sendelisten oder Set-Top-Boxen auf freiwilliger Basis aufbauen.
Spindlers und Peifers Vorstellungen stießen auf große Zustimmung – bei Urhebern und Nutzervertretern. Auch Urban Pappi von der VG Bild-Kunst begeisterte sich für eine Cloud-Speicherplatzabgabe, schon weil angesichts der Spähaffären immer weniger Leute wollten, dass man in ihre Wohnzimmer reinsehe. Die Gegenposition bezog Markus Scheufele für den IT-Industrieverband BITKOM, der die Geräteabgabe abschaffen und durch Einzellizenzierung ersetzen will. Das dies gar nicht möglich sei, da ja weiterhin privat kopiert werde, musste er sich von Till Kreutzer von iRights sagen lassen.

Einiges blieb kontrovers. Dass auch die Verlage am liebsten auf Einzellizenzierung setzen oder zumindest das Nutzungsverhalten genau erfassen wollen, zeigte sich beim dritten Themenschwerpunkt des Kongresses, der Werknutzung in Schule, Hochschule und Wissenschaft. Verlage verteidigen ihre Geschäftsmodelle, Lehrer, Wissenschaftler und Bibliotheken sehen sich in ihrer Arbeit durch das geltende Recht behindert. Unzufrieden sind beide Seiten, die Positionen blieben kontrovers.
Ebenfalls keinen Konsens gab es für Vorschläge, den rechtlichen Rahmen für Remixes und Mash-Ups neu zu justieren, wofür sich beispielsweise Verbraucherzentralenjuristin Lina Ehrig angesichts der Realität im Internet einsetzte. Filmkomponist Matthias Hornschuh oder Drehbuchautor Jochen Greve würden einerseits aufgrund der wirtschaftlichen Situation zwar gern an vernünftigen Lizenzentgelten beispielsweise von Youtube verdienen, fürchten andererseits aber – wie auch die Fotografen – um ihre Mehrfachverwertung und Urheberpersönlichkeitsrechte. Der Hinweis von Karl-Nikolaus Peifer, dass Urheberpersönlichkeitsrechte durch Lizenzierung „nicht disponibel“ würden und Klagen in diesem Bereich eher seltene Ausnahmen als die Regel seien, kam erst zum Schluss der in diesem Punkt erregten Debatte.

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