Presseförderung in anderen Ländern: Vorbei mit der Tonnenideologie

Norwegische Pressestøtten: Papier und Digital bald gleichgestellt

Klassekampen ist eine mediale Erfolgsgeschichte. Ende der 1960er Jahre als „Marxistisch-leninistische Arbeiterzeitung“ gegründet, schlug Norwegens links-unabhängige Tageszeitung im vergangenen Jahr mit plus 6,3 Prozent einen neuen Auflagenrekord. Und das vor dem Hintergrund einer um minus 3,8 Prozent sinkenden Gesamtauflage der Tagespresse. In den letzten 12 Jahren konnte Klassekampen die Auflage um 150 Prozent von 6.500 auf 16.300 Exemplare steigern. Doch ohne die staatliche norwegische Presseförderung würde es Klassekampen ebenso wenig geben, wie die christliche Tageszeitung Vårt Land, die sozialdemokratische Dagsavisen oder die auf eine landwirtschaftliche Leserschaft ausgerichtete Nationen.


„Eine differenzierte Tagespresse aufrechterhalten.“ Das war 1969 als Ziel eines „Produktionszuschusses“ formuliert worden, mit dem ein drohendes Massensterben vor allem lokaler Zweitzeitungen verhindert werden sollte. Binnen 20 Jahren waren da bereits 40 Titel verschwunden. „Der Staat muss die Voraussetzungen verbessern“, hieß es im Abschlussbericht der von der damaligen konservativen Regierung eingesetzten Pressekommission. Es war der Beginn eines Systems von Produktions- und Vertriebssubventionen, das seither im Schnitt alle zehn Jahre ergänzt und umgestaltet worden ist.
Aktuell belaufen sich die direkten staatlichen Zuschüsse – dazu kommt die Befreiung von der Mehrwertsteuer – an die Presse auf jährlich umgerechnet 45 Millionen Euro. Die teilen sich 138 Publikationen. Die „Pressestøtten“ macht zwischen weniger als einem und bis zu 40 Prozent des Budgets dieser Zeitungen aus. Gefördert werden „Erstzeitungen“ mit einer Auflage zwischen 1000 und 6000 Exemplaren. Derzeit sind es 109. Das hat auflagenschwache Lokal- und Stadtteilzeitungen am Leben erhalten und einige lokale Neugründungen ermöglicht. Gefördert werden außerdem Blätter, die von der Auflage her „Zweitzeitungen“ an ihrem jeweiligen Erscheinungsort sind, sowie Publikationen in Minderheitssprachen, wie beispielsweise samisch.
Alle geförderten Zeitungen müssen inhaltlich einen deutlichen Nachrichten- und Aktualitätsbezug aufweisen und ihre Auflage zumindest zur Hälfte über bezahlte Abonnements verkaufen. Dafür, sowie für Kioskexemplare und Anzeigen müssen sie ein „realistisches Preisniveau“ halten, dürfen also preislich nicht die Konkurrenz unterbieten, die keine staatlichen Gelder erhält. Die Höhe der Förderung ist abhängig von Auflage und Erscheinungsrythmus. Die Zeitungsverlage müssen als Aktiengesellschaften organisiert sein, die keine Dividenden austeilen dürfen.
Die Förderung von Klassekampen, Nationen, Vårt Land & Co läuft unter dem Budgettitel: „Landesweit verbreitete weltanschaulich geprägte Zeitungen in einer schwierigen Konkurrenzsituation“. Rund die Hälfte der Presseförderung entfällt auf die – derzeit fünf – Zeitungen, bei denen ein dem Kultusministerium unterstehendes Gremium die entsprechenden Voraussetzungen bejaht hat. Und die Förderung dieser Zeitungen ist parteipolitisch am meisten umstritten. Der Grund ist naheliegend: Parteien, die sich in diesen in ihrer politischen Ausrichtung vorwiegend in der politischen Mitte oder links angesiedelten Blättern nicht ausreichend repräsentiert sehen, so die rechtspopulistische „Fortschrittspartei“, plädieren für eine Abschaffung. Aber auch die konservative Høyre tritt zumindest für Kürzungen ein.

Existenzbedrohend

Für die fünf „Weltanschaulichen“ wären Kürzungen der Presseförderung existenzbedrohend. Weshalb sie sich auch vor der norwegischen Parlamentswahl im 9. September klar positioniert hatten. Sich in Annoncen und redaktionellen Beiträgen gegen Änderungen wandten und vor einem „Zeitungssterben“ warnten. Einmal wieder wurde daraufhin Kritik daran laut, wie gerade zu Wahlzeiten die finanzielle Abhängigkeit zwangsläufig ihre parteipolitischen Präferenzen bestimmen müsse. Den fünf Zeitungen wird auch vorgeworfen, ihre Internetauftritte bislang ganz absichtlich vernachlässigt zu haben, weil sie für ein Papierabonnement im Schnitt eine Presseförderung in Höhe von rund 200 Euro jährlich erhalten, Klickzahlen ihrer Webauftritte dagegen keine staatlichen Gelder bringen.
Letzteres wird sich allerdings ab 1. Januar 2014 ändern. Norwegens Kultusministerin Hadia Tajik kündigte im August den Übergang zu einem plattformneutralen Presseförderungsmodell an. Ob Besucherfrequenz im Internet oder Druckauflage, soll dann keine Rolle mehr spielen. Die Tageszeitung Nationen reagierte darauf mit der Ankündigung, womöglich ganz auf eine Papierausgabe zu verzichten und nur noch im Netz erscheinen zu wollen.
Nach 45 Jahren „Pressestøtten“ rückt damit der endgültige Abschied von der Papierförderung näher, bei der in den ersten 15 Jahren noch eine regelrechte „Tonnenideologie“ geherrscht hatte. Die Förderung erfolgte nach dem Gewicht an verbrauchtem Zeitungspapier. Für die Zeitungen lohnte sich damals ein besonders großzügiges Layout und der Druck möglichst umfangreicher Ausgaben auf dickem Papier.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »