Holtzbrinck-Anzeigenblatt Zweite Hand eingestellt
Am 25. Oktober ist die letzte Zweite Hand erschienen. „Regional. Schnell. Aktuell.“ – der Werbespruch des nach eigenem Bekunden zu den Marktführern zählenden Anzeigenmagazins ist für die gedruckte Kompaktausgabe Vergangenheit. „Online sind wir weiterhin für Sie erreichbar“, verspricht immerhin die Website. Zum 1. November stellt der zur Tagespiegel-Gruppe von Holtzbrinck gehörende Verlag aus „wirtschaftlichen Gründen“ seinen Printtitel ein.
Den 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bot die Geschäftsführung statt Abfindung oder Beschäftigungsalternative im Tagesspiegel-Haus eine Transfergesellschaft an, weitgehend finanziert von der Arbeitsagentur. „Die billigste Rausschmisslösung auf Kosten der Steuerzahler“, kritisiert der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Jörg Reichel. „Dabei ist Geld da bei Holtzbrinck und Tagespiegel.“ Eine Abfindung jedoch für die zumeist mehr als zwei Jahrzehnte im Verlag Beschäftigten verwehrte der Arbeitgeber mit dem Argument, dass es darauf keinen Rechtsanspruch gäbe. An dieser Weigerung scheiterten die von ver.di vorab in die Wege geleiteten Sozialtarifverhandlungen.
Schon lange wurde die wirtschaftliche Situation der Zweiten Hand im Verlagshaus diskutiert. Allerdings gab es nach Auffassung von ver.di keine ernsthaften Bemühungen, neue Geschäftsmodelle und ernsthafte Online-Strategien zu entwickeln. Vor Verlagsschließung wurde „Hals über Kopf“ noch die Zeitschrift Bootshandel und ihre vier Beschäftigten per Betriebsübergang auf den Zitty-Verlag übertragen – unter Missachtung der Rechte der Betriebsräte.
Zu befürchten ist, dass seitens der Geschäftsführung solcherart Vorgehen als „Blaupause“, wie es Reichel nannte, für künftige Änderungen bei Tagesspiegel und Zitty erprobt werden sollte.
Nicht gewillt, sich so abservieren zu lassen, bescherten die Beschäftigten der Tagesspiegel-Gruppe die ersten Streiks seit 30 Jahren: Fünf Warnstreiks, eine Flugblattaktion vor dem Holtzbrinck-Forum Berlin, Ansprechen von Kunden und Werbepartnern, Planung von Protestaktionen rund um Kongresse und Tagungen, Facebook-Kommunikation, dazu die Solidarität von Beschäftigten des Tagesspiegel, die mit vor die Tür gingen. All das sorgte für „Umdenken“ in der Geschäftsführung: Sie sicherte jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter eine konzernübliche Abfindung von 80 Prozent des Gehaltes pro Beschäftigungsjahr zu.