Seit Mitte März sind sie im Netz der Netze und mit den Castor-Transporten kam das große Coming-out: „Indymedia“, die deutsche Sektion eines internationalen und „multimedialen Netzwerkes unabhängiger und alternativer Medien“, hat sich ganz dem Widerstand gegen Kernenergie, Faschismus, Rassismus und Globalisierung verschrieben. Werbebanner gibt es keine und das wäre auch nicht mit ihrem Selbstverständnis in Einklang zu bringen. Demnach sind sie nämlich Teil der genannten Bewegungen und fördern bewusst eine subjektive Berichterstattung, die Bestandteil ihres Konzeptes von „Gegenöffentlichkeit“ ist. Indymedia will politischen Aktivistinnen und Aktivisten die Möglichkeit geben, ihre Texte, Bilder, Tondateien und Videos einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Seit Ende 1999 – damals wurde in Seattle anlässlich der Proteste gegen die Welthandelsorganisation das erste „Independent Media Center“ gegründet – ist Indymedia einer der nichtkommerziellen Shooting-Stars in den schier unendlichen Weiten des Internets. Mittlerweile gibt es sechzig Independent Media Centers (IMC) weltweit, die meisten davon in den USA und Kanada, im April kamen Neugründungen in Japan, der Türkei und Bolivien hinzu. Seit dem vierten April wird via Satellit nun auch das erste IMC-TV ausgestrahlt.
Schreiben, senden und veröffentlichen darf bei Indymedia, nach eigenen Angaben unabhängig von Parteien und offiziellen Institutionen, jede und jeder. „Jede Person, die diese Seite besucht und mit-kommuniziert ist eigentlich schon Teil des Ganzen“, erklärt „Mr. Burns“, einer der Mitbegründer von Indymedia, der nicht mit seinem richtigen Namen zitiert werden möchte. Dass dieses „open posting“ zu Problemen führen kann, wussten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gründungstreffens Mitte Januar in Hamburg und haben sich für eine „eingeschränkte Moderation“ entschlossen. D.h., alle können im „open posting“ schreiben. Die dort eingegangenen Beiträge werden von den knapp 30 ehrenamtlichen Mitarbeitern, unter ihnen auch einige Medienprofis, gesichtet und einige davon auf der Startseite rubriziert.
Erst „zwei oder dreimal“ hätten Neonazis in den ersten Wochen die Publikationsmöglichkeit bei Indymedia genutzt, sagt Mr. Burns. Ihre Beiträge verschwinden umgehend im „Müllarchiv“, das nur auf gesonderte Anfrage an die Moderatoren zu beziehen ist. Gemessen an den fast im Minutentakt eingehenden Beiträgen von Castor-Gegnern während des Atommüll-Transports eine bescheidene Anzahl.
Während der Castortransporte besuchten bis zu täglich 8000 User die Indymedia.de-Homepage und konnten die Nachrichten verfolgen, nicht mitgerechnet die übersetzten Berichte über den Castor-Widerstand auf den französischen, schwedischen, belgischen, russischen und englischen Schwesterseiten des internationalen Netzwerks. Zur Zeit hat sich die Besucherzahl bei Indymedia auf 4000 eingependelt. Die wenigsten von ihnen schreiben dort auch etwas nieder. Bis zur Aufhebung der „Trennung zwischen Macher/innen und Konsument/innen“, einem erklärten Anliegen von Indymedia.de, ist es also noch ein weiter Weg.