Eine Seuche als Rei(t)z-Thema

Verleger wollen unbeobachtet „kriseln“ – und sparen an der Medienberichterstattung

Ulrich Reitz kennt die Welt. Als Chefredakteur eines Qualitätstitels wie der „Rheinischen Post“ hat er für alle Lebenslagen Patentrezepte. Etwa wie die Presse aus ihrer viel bejammerten Krise herauskomme. Zeitungen sollten „durch Einordnung von Ereignissen Lotse im Mediendschungel“ sein und „Qualität im Meer des elektronischen Entertainments“ bieten. Das verkündete er schneidig bei einer Podiumsdebatte von DeutschlandRadio und Verlegerverband. Zugleich brandmarkte er Medienseiten, die die Werbekrise zu umfangreich behandelt hätten, als „größte Seuche“, weil sich da die Journaille oft nur selbst bespiegele.

Was wie eine pointierte Einzelmeinung erscheint, hat neuerdings Methode: Medienjournalismus wird zu einer bedrohten Gattung. Die mit der „Welt“ fusionierte „Berliner Morgenpost“ verzichtet seit Mai ganz auf eine Medienseite und die Springer-Großredaktion hat zusammen mit der „Welt am Sonntag“ nur noch ein entsprechendes Mini-Ressort. Auch die Holtzbrinck-Titel „Die Zeit“ und die „Wirtschaftswoche“ leisten sich den angeblichen Selbstbespiegelungs-Luxus nicht mehr. Sogar in der etablierten „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) ist Michael Hahnfeld zum Einzelkämpfer geworden, in der alternativen „tageszeitung“ (taz) soll abgewickelt werden und im „Spiegel“ landet der Medienteil immer öfter am Heftende. Von der Schwindsucht der Fachpresse á la „horizont“ und „w&v“ ganz zu schweigen, die alle keine Berlin-Büros mehr haben. Wenigstens scheint die „Funkkorrespondenz“ gerettet.

Wie lange aber die „Rheinische Post“ mit ihrer Medienberichterstattung durchhält, ist noch nicht ausgeReitzt. Sie könnte auf dem Niveau vieler Regionalblätter enden, die Agenturstorys von dpa und ddp verwenden. Und sich ansonsten mit dem Abdruck vorgefertigter Texte der Sender und Produktionsfirmen begnügen. Dagegen sind „Süddeutsche Zeitung“ und „Financial Times Deutschland“ (FTD), aber auch „Berliner Zeitung“, „Tagesspiegel“ und „Focus“ wirklich Wegweiser im Mediendschungel.

Sie bieten Orientierung – mit hintergründiger, durchaus unterhaltsamer Medien-Aufklärung. Denn: Ausgereizt ist das Thema Medien noch lange nicht. Besser gesagt nie, wenn man es für „Otto Normalbürger“ interessant und verständlich aufbereitet, Medien unter Einbeziehung von Internet, Werbung und PR im weitesten Sinne als massenhafte Kommunikationsprodukte begreift.

Da brauchts nicht gleich eine „Stiftung Medientest“, auch nicht immer täglich mehrere Medienseiten in einem Blatt, aber wenigsten einen profilierten Medienjournalismus in jedem Printtitel – gepflegt und nicht totgespart.


Medienberichte als kostenloser Newsletter bieten außer Fachdiensten auch www.sueddeutsche.de, www.ftd.de, neuerdings www.fr-online.de und in bescheidenem Umfang www.welt.de. Fundierte Mediensendungen laufen bei Deutschlandfunk und Radio Eins (ORB / SFB), WDR 5, beim Hessischen und Bayerischen Rundfunk.


 

 

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