Berlin-Brandenburg: Weltweit erste Abschaltung von analogen Frequenzen zugunsten von DVB-T
Der Countdown läuft: Am 28. Februar will Berlin weltweiter Vorreiter sein. Erstmals sollen in großem Umfang analoge Antennenfrequenzen abgeschaltet und darauf digitale Fernsehsignale verbreitet werden. Das so genannte Digital Video Broadcasting (DVB-T) wird seit 1. November 2002 schrittweise in Berlin-Brandenburg in den Regelbetrieb überführt: Seither können über 4,5 Millionen Haushalte Das Erste der ARD, ZDF, ORB, SFB1, RTL, RTL II, Pro Sieben und Sat.1 in digitaler Ton- und Bildqualität empfangen. Ab 1. März werden es über 20 Programme sein.
Was bei Satellit und Kabel (DVB-S und -C) schon zum Alltag gehört, ist bei der Terrestrik ein Novum. Die Standards sind zwar schon lange definiert und DVB-T-Tests laufen in Deutschland mindestens seit 1997. Zu den Vorteilen von DVB-T gehört außer der Qualität auch die Angebotsvielfalt. Ähnlich wie bei Kabel und Satellit werden TV-Signale in Datenpakete zerlegt, komprimiert und dann ausgestrahlt. So passen in einen Kanal, der bislang mit einem Sender belegt war, bei DVB-T bis zu vier TV-Programme. Dazu kommt noch der mobile Empfang, etwa in Bus, Bahn, auf dem Schiff, im Garten oder am Badesee, weshalb Werbestrategen das sperrige Kürzel mit dem Zusatz „Das ÜberallFernsehen“ aufgeladen haben. Doch: Wer will schon überall fernsehen?
Möglichst viele, lautet die Antwort der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). Sie hat deshalb mit sechs Sendern eine Projektgemeinschaft gebildet und auch die Telekom als Netzbetreiber mit ins Boot geholt. Das erklärte Ziel ist es, die einst dominierende Antenne als TV-Übertragungsweg zu erhalten. Eigentlich, vor dem Tod zu bewahren, denn bundesweit schauen nur noch sieben Prozent ausschließlich auf diesem Wege fern. Mit über 50 Prozent liegt Kabel deutlich vor Satellit (36 Prozent). „Wenn wir nichts unternommen hätten“, sagt mabb-Direktor Hans Hege, „wäre dieser TV-Übertragungsweg mangels Akzeptanz bald völlig abgeschaltet worden“. Aber auch die Sender wollen gerade in Zeiten bröckelnder Werbeeinnahmen ihre Übertragungskosten minimieren und sich womöglich neue, junge Mobilkundschaft erschließen.
Programmvielfalt und Wahlfreiheit
Der mabb geht es außer dem Erhalt der Alternative Antenne aber noch um mehr. Hege und sein Medienrat ringen jedes Jahr mit einer Flut von Anträgen, in dem nicht vollständig ausgebauten analogen Kabel immer neue Sender unterbringen zu müssen. Auch die Zahl der Antennenfrequenzen – obwohl in Berlin aus alliierten Zeiten noch relativ groß – ist begrenzt. Gestattet der Vermieter Satellitenschüsseln nicht, können viele Ballungsraumbewohner nicht mal die Programme sehen, für die sie Gebühren zahlen – von den anderen ganz zu schweigen. „Wir sorgen für mehr Programmvielfalt und Wahlfreiheit der Bürger beim Fernsehen“, begründet Hege sein Engagement.
Und auch seine Förderpolitik, denn: Beim Umstieg von Analog auf Digital bekommen die beteiligten Sender Leitungskostenzuschüsse – zumindest für die Zeit der parallelen Verbreitung. Die fällt allerdings mit sechs Monaten kurz aus. Schon ab 1. März verschwinden alle Privatsender aus dem Berliner Äther, im Sommer folgen auch alle Öffentlich-rechtlichen. Statt bislang zehn können dann alle Antennengucker im Ballungsraum mindestens 24 Programme sehen – wahrscheinlich werden es zusammen mit einem elektronischen Programmführer und multimedialen Datendiensten über 30. Das geht allerdings nur, wenn auf allen terrestrischen Frequenzen die analoge Ausstrahlung zugunsten der digitalen eingestellt wird.
Für die Zuschauer ist die neue Vielfalt aber nicht umsonst. Wer sich nämlich keinen DVB-T-Decoder zulegt, dessen Bildschirm bleibt schwarz. Die einmaligen Anschaffungskosten liegen zwischen 160 und 400 Euro – zusätzliche laufende Kosten wie die Monatsgebühr beim Kabel fallen nicht an. Besonders hart trifft es die etwa 150 000 Haushalte in Berlin-Brandenburg, die heute noch ausschließlich über Antenne fernsehen. Dazu kommen noch etwa 90 000 mit Antennen für Zweitgeräte zu Hause, in Garten- oder Wochenendhäusern. Soziale Härtefälle federn Medienanstalt, Sender, Geräteindustrie und Vereine wie die Radiohilfe gemeinsam ab: Von kostenlosen Decodern über Miet- bis zu Leasingmodellen reicht die Palette.
Kabelverband protestiert
Trotzdem war der Ansturm im Herbst so groß, dass die nicht gerade billigen DVB-T-Decoder in Berlin und dem Umland zeitweilig ausverkauft waren. Wie attraktiv DVB-T offenbar ist, zeigen auch Online-Umfragen und die Hotline im Call-Center. Dort häufen sich Lob – und Umstiegsbekundungen frustrierter Kabelkunden. Kein Wunder, dass die Übertragungswege-Konkurrenz ihre Felle wegschwimmen sieht. Der Kabelverband ANGA will bei der EU in Brüssel eine Subventionsklage einreichen – anstatt durch digitale Aufrüstung seine Netze attraktiver zu machen.
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