dpa rüstet sich für den Markt der Zukunft

Mit langfristigen Verträgen, neuen Online-Angeboten – und einem Konzernbetriebsrat

Die Führungsspitze der mit jetzt rund 900 Mitarbeitern größten deutschen Nachrichtenbörse, der Deutschen Presse-Agentur (dpa), sieht mit Optimismus in die Zukunft. Beim Geschäftsbericht für das Jahr 2000 vor dem Gesamtbetriebsrat (GBR) in Lüneburg gab es von Geschäftsführer Dr. Walter Richtberg zum ersten Mal nicht nur ein dickes Lob für das abgelaufene Jahr, sondern auch eine deutlich optimistische Prognose für 2001 und sogar für das kommende Jahr.

Hintergrund waren Presseberichte über der dpa weglaufende Kunden („M“ berichtete). Richtberg und dpa-Chefredakteur Dr. Wilm Herlyn wiesen diese Berichte entschieden zurück und sprachen von zum Teil lancierten Falschmeldungen von interessierter Seite. Gegen einen „skurrilen Artikel“ (Richtberg) in der „Financial Times Deutschland“ habe dpa sogar eine Gegendarstellung erwirkt. In einem allerdings schwieriger gewordenen Umfeld habe sich dpa als führende Agentur auf dem deutschen Markt behauptet. „Darauf können wir alle stolz sein.“

Spitzengewinn und gute Entwicklung der dpa-Töchter

2000 sei ein „wirklich gutes Jahr“ mit einem Spitzengewinn für die dpa-Mutter von 6,757 Millionen Mark nach Steuern gewesen. Gegenüber 1999 sei ein Umsatzplus von 5,2 Prozent zu verzeichnen, das u.a. auf zweistellige Zuwachsraten im Auslandsgeschäft, aber auch auf wirksame Sparmaßnahmen zurückzuführen sei. Im klassischen Bereich sei der Umsatz hingegen lediglich um ein Prozent gewachsen.

Der dpa-Gruppenumsatz sei um 8,5 Prozent auf 236 Millionen Mark (plus 18,5 Millionen) gestiegen. Bei allen dpa-Töchtern sei „sehr ordentlich verdient“ worden, vor allem aber bei News Aktuell (Direktinformationen, 20 Millionen Umsatz in 2000) und bei der jüngsten Online-Neugründung dpa-info.com. Die Rundfunknachrichten-Tochter RUFA habe die roten Zahlen verlassen, der Bildbereich einschließlich dpa-Zentralbild schreibe jetzt schwarze Zahlen.

Die Geschäftstrategie des Unternehmens kennzeichnete Richtberg mit den Worten, das „Schlachtschiff“ der dpa-Mutter umgebe man mit „Begleitschiffen“ aus Töchterunternehmen, deren Aufgabe sowohl Angriff auf die Konkurrenz als auch Verteidigung sei (Warum immer so kriegerisch? fragt sich die Redaktion M!). Auf diese Weise habe dpa Erlösrückgänge im „klassischen“ Nachrichtengeschäft ständig und zunehmend durch die Erschließung neuer Märkte mehr als ausgeglichen.

„Kein Grund zum Schwarzsehen, keiner zum Übermut“

Nach dem „rundum erfreulichen Ergebnis“ für das Jahr 2000 erwartet Richtberg für 2001 ein „gutes Ergebnis“ mit leicht sinkender Gewinntendenz, und auch für 2002 gebe es trotz hoher finanzieller Belastungen durch sportliche Großereignisse „keinen Grund, schwarz zu sehen“. In diesem Jahr sei die Entwicklung bisher nach Plan verlaufen.
Dennoch gebe es auch Risiken und „keinen Grund zum Übermut“, da die dpa-Kunden vor allem die Preisentwicklung der Agentur stets kritisch im Blick hätten. Durch einen Rabatt für längerfristige Verträge mit fünf und drei Jahren Laufzeit sei es allerdings gelungen, fast alle Bezieher des Basisdienstes im Zeitungsbereich wieder fester an die Agentur zu binden.

Noch ungewiss sei allerdings, in welchem Umfange sich das zur Zeit sprunghaft ausweitende Geschäft mit Online-Angeboten auf Dauer stabilisieren werde.

Springt „Bild“ bei dpa ab?

Zu Berichten, die „Bild“-Zeitung mit einer Jahresleistung von 3,2 Millionen Mark an dpa trage sich mit Kündigungsabsichten, stellten Richtberg und Herlyn klar, diese Prüfung bezöge sich allein auf den Bezug von Landesdiensten. Insgesamt werde das Bemühen der Agentur um eine deutliche Verbreiterung der regionalen Berichterstattung von den Kunden anerkannt.
Eine „offene Flanke“ seien die Verträge mit der Bundesregierung. Der letzte Abschluss habe um eine Million Mark unter dem früheren Volumen gelegen. Dpa müsse daher auch weiterhin „die Kosten wirksam im Griff haben“, betonte der dpa-Geschäftsführer.

„Qualitätsoffensive“

Chefredakteur Herlyn ergänzte, der Wettbewerb der Agenturen, aber auch der Wettbewerb der Kunden untereinander sei aggressiver geworden. Mit der Breite der dpa-Berichterstattung seien die Kunden zwar nahezu ausnahmslos zufrieden, doch: „Nur Qualität wird sich durchsetzen.“ Herlyn kündigte eine „Qualitätsoffensive“ der Agentur an. So werde man die Dispositionen für die Kunden noch weiter verbessern, den Meldungsgang vor allem mit dem Blick auf größere Schnelligkeit prüfen und der Sprache der Agentur einen höheren Rang einräumen.

Die Zusammenlegung der politischen Inlandsberichterstattung im Ressort Deutschlandpolitik in Berlin Anfang dieses Jahres bewähre sich immer mehr.

Erfreulich angelaufen auch in der Resonanz der Kunden sei der neue dpa-Dienst mit längeren Reportagen und Wortlaut-Interviews. Zum Bildbereich äußerte Herlyn, frühere Klagen der Kunden über ein unzureichendes Angebot aus der Region gebe es nicht mehr.

Konzernbetriebsrat nahm Arbeit auf – neue BR-Strukturen?

Die dpa-Mutter mit 895 Beschäftigten hält jetzt 15 Beteiligungen, davon 11 mit mehr als 50 Prozent. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter einschließlich der 100-prozentigen Töchter lag Ende 2000 bei 1135.
Angesichts dieser Entwicklung hat ein bereits vor Jahren vorsorglich gegründeter Konzernbetriebsrat unter Leitung der Vorsitzenden des Frankfurter dpa-Betriebsrats, Helena Josqui (ver.di), seine Arbeit aufgenommen. Bislang hatten die Betriebsratsvorsitzenden der Tochterfirmen an den Zusammenkünften des dpa-Gesamtbetriebsrats teilgenommen.

Nach der Verabschiedung des neuen Betriebsverfassungsgesetzes mit der Möglichkeit, auch betriebs- und firmenübergreifende Betriebsräte zu bilden sowie in Betrieben ohne Betriebsrat die Bildung von Arbeitnehmervertretungen leichter in Gang zu setzten, denken die Betriebsräte von dpa und Töchtern über neue Strukturen nach. So könnte man die jetzt 14 Betriebsräte der dpa-Mutter zu größeren Einheiten zusammenschließen und damit ihre Schlagkraft und Arbeitsfähigkeit erhöhen. Auch eine Verzahnung mit den dpa-Töchtern oder der Töchter untereinander könnte der zunehmenden Auslagerung von Betriebsteilen nach dem Motto „Teile und herrsche“ entgegenwirken.

Mitarbeitergespräche sollen Personalplanung bei dpa stärken

Eine Betriebsvereinbarung (BV) über jährliche Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern soll das Betriebsklima bei dpa verbessern, die Zusammenarbeit und die Arbeit über den Tag hinaus stärken und – last not least – die Personalplanung durchschaubarer machen. Mit dieser Zielsetzung stimmte der Gesamtbetriebsrat einer neuen BV zu, die anschließend in Kraft trat. Die ersten Reaktionen der Mitarbeiter auf die Möglichkeit einer intensiveren Aussprache mit den Vorgesetzten sind durchweg positiv.

Eine weitere BV soll jetzt die Beteiligung der Betriebsräte an der Zahlung von Zulagen und Prämien regeln. Keinesfalls wollen die Betriebsräte aber über „Nasenprämien“ mit entscheiden, doch nach Einsicht in die Zulagen und Prämien hätten sie zumindest die Möglichkeit, die Sonderzahlungen nach einem aus ihrer Sicht gerechten Schlüssel zu beeinflussen.

Sorge um zunehmende Zahl von Aushilfen und Pauschalisten

Ausführlich beschäftigte sich der GBR mit der immer größer werdenden Zahl von Aushilfen und Pauschalisten. Nicht länger angängig sei es, unbesetzte Planstellen auf längere Zeit mit Aushilfen zu füllen, deren Bezahlung unter dem dpa-Tarifvertrag liegt, betonte der GBR Vorsitzende Georg Hensel (ver.di). Die Geschäftsführung solle alle entsprechenden Beschäftigungsverhältnisse auflisten. Diese Übersicht habe auch Bedeutung für Teilnahme an den im Frühjahr 2002 bevorstehenden Wahlen zum Betriebsrat.

Klage über wachsende Arbeitsverdichtung

Wie immer nahm in der Aussprache auch die Klage über die weiterhin wachsende Arbeitsverdichtung breiten Raum ein. Und wie immer entgegneten Geschäftsführung und Chefredaktion, zwar werde anerkannt, dass die Grenze der Belastung erreicht und teilweise sogar überschritten sei, doch müsse man vor dem Hintergrund der Konkurrenzsituation dem Markt geben, was dieser verlange.

Klagen über den jüngsten Tarifabschluss von drei und 2,5 Prozent mehr Gehalt als zu niedrig konterten die Vertreter der Gewerkschaften IG Medien und DJV, Rudi Munz und Regine Sakowsky, mit der realistischen, aber leicht resignativen Bemerkung, ohne die notwendige Truppenstärke könne man keinen „Krieg“ führen (Er färbt ab, der Sprachgebrauch! Die Redaktion). Der Organisationsgrad bei dpa sei einfach noch zu gering – zumindest für härtere Zeiten oder für eine bessere Teilhabe an der „optimistischen Prognose“.

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